Wird alles schlechter oder doch nicht oder was?

Ich hatte gestern Abend wieder eine von jenen zeitfressenden aber interessanten Diskussionen mit Freundinnen. Wir kennen uns noch aus Studienzeiten, also schon sehr lange. Ausgehend von der neuen Regierung haben wir schnell darüber diskutiert, ob nun unsere Leben sich mehr zum Besseren oder mehr zum Schlechteren wenden. Wie der Zustand der Gesellschaft ist, Dinge wie Gerechtigkeit und soziales Niveau aber auch über Kriege und Unruhen und die derzeitige politische Lage im Ausland und wie unbelehrbar Menschen manchmal sind. Irgendwie alles zusammen und man versucht dann jeden Komplex häppchenweise abzudiskutieren. Kennt ihr vielleicht auch. Eine meiner Freundinnen, der es wirtschaftlich und materiell wirklich super geht (Haus schon abbezahlt, Mann sehr guter Verdiener, zwei Autos, Ferienhaus, Kinder alle drei gesund auf Privatschulen) war die, die Zukunft am schwärzesten gesehen hat und die eigentlich überhaupt kein Vertrauen mehr in die Politik hat. Sie meinte allen Ernstes, Deutschland steht am Abgrund und die Politik sei nicht in der Lage, die Probleme zu lösen. (Besonders merkwürdig fand ich ihre Meinung zu den Geschehnissen an der Essener Tafel und das die Verteilungskämpfe immer schlimmer werden würden, ob wohl sie selbst überhaupt keine Berührungspunkte zu Menschen hat, die zur Tafel gehen müssen.) Ich und eine andere Freundin haben vehement widersprochen. Allerdings gibt es schon Dinge, bei denen auch ich sage, dass wir auf keinem guten Weg sind. Aber ich weiß auch nicht, wie man diese Probleme lösen soll, deswegen kann ich der Politik auch keinen Rat geben.

Eine andere Freundin, der es eher nicht so perfekt geht (Allein erziehend, zwei Kinder, beruflich eher wackelig weil kaum Festanstellungen in ihrer Branche) ist zwar auch über den Abbau des Sozialstaats sauer und kann sich über solche Äußerungen, wie z.B. von Jens Spahn gestern in den Medien, total aufregen aber sie war trotzdem insgesamt überzeugt, dass es uns heute besser geht als vor 30 Jahren. Das hat mich schon gewundert weil sie es aus meiner "objektiven" Sicht heute viel schwerer hat als vor 30 Jahren. da war sie noch jung, ohne Kinder und voller Idealismus und kurz davor ihr Studium zu beginnen.

Am Ende sind wir dann auseinander gegangen und ich hatten den Eindruck, dass keine von uns grundsätzlich Abstand von der eigenen Wahrnehmung über diese Themen genommen hat.

Ich habe dann bis um zwei noch mit meinem Partner zu Hause ein wenig weiterdiskutiert. Er meinte, dass die wirklichen Zustände nicht so wichtig sind wie das persönliche Empfinden jedes einzelnen Menschen, dass einem entweder sagt, das Glas ist halbvoll oder halbleer.

Ich habe gerade kein Stimmungsbarometer zur Hand aber wie seht Ihr das so? Wird alles eher besser oder schlechter? Wobei natürlich jeder unter "besser" und "schlechter" etwas anderes verstehen kann. Aber wenn man nur einmal sein Leben in Deutschland betrachtet, ist es besser oder schlechter als früher, so in der Summe aller Aspekte, die man dazu zählen kann.

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Manche Dinge werden besser, viele schlechter.

Besser für viele ist bestimmt einen Ausbau der Kinderbetreuung und den Rechtsanspruch auf einen Ganztagesplatz (ich persönlich finde das furchtbar, aber die Mehrheit wird das gut finden).

Was für mich persönlich besser wird, dazu fällt mir grad komischerweise nichts ein, halt doch: durch den Fachkräftemangel hab ich sozusagen freie Auswahl.

Schlechter wird auf jeden Fall, daß die Diäten der Politiker weiter steigen, die Rentner weiherhin nicht von ihrer Rente leben können, "Sozialschmarotzer" werden weiterhin ein leichtes Spiel hier haben, um nich arbeiten zu müssen, es wird wieder massive Steuerverschwendungen geben, das Bildungssystem geht den Bach runter, da die Eltern ihre Sprösslinge alles aufs Gymnasium schicken und das Bildungsniveau dementsprechend sinkt.

Es wird weiterhin Fachkräftemangel im Bereich Erziehung / Pflege/ Medizin, da die Politiker nur schauen, daß sie am Monatsende noch genug zum Sparen haben.

Das ist meine persönliche Meinung, ob das alles so eintritt , kann ich natürlich nicht sagen, dennoch wüßte ich nicht, wie die jetzige Regierung das verhindern würde

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Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Die Bildung geht definitive den Bach runter - das kann jeder bestätigen, der Kinder auf staatlichen Schulen hat.

Aufgrund der massenhaften Einwanderung von Personen, die niemals einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen werden in die Sozialsysteme werden diese spätestens dann die Grätsche machen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Bis dahin gehts uns doch gut. Also noch 15 Jahre weiterfeiern!

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"Aufgrund der massenhaften Einwanderung von Personen, die niemals einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen werden "

Ziemlich kühne Prognose.

Ist das auch begründbar, dass diese Menschen NIEMALS, wie du es düster orakelst, einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen werden?

1. Sind die alle faul?
2. Sind die behindert und unfähig zu arbeiten?
3. Sind die einfach dumm und können nichts dazulernen?
4. Waren die schon immer so und haben das Arbeiten nie gelernt?
5. Wovon haben die alle gelebt bevor sie nach Deutschland kamen?
6. Reicht denen für den Rest des Lebens staatliche Zuwendung und sind die einfach sehr bescheiden?

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Hier kann man jeder selbst nachschauen, was besser und schlechter geworden ist.

https://ourworldindata.org/

Sehr interessante Info-Seite, die meines Wissens nach auch sehr sorgfältig und wissenschaftlich recherchiert ist. Die Seite wird auch in Fachbüchern herangezogen und zitiert.

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Aber, aber... #nanana wie kannst Du den ganzen Kriegs- und Elendsängstlichen hier nur ihre sorgsam gezüchtete und gepflegte Endzeitstimmung mit Fakten verderben...?!

;-)

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:-p Doch, das geht! ;-)

Und laut Statistiken ist wirklich wenig schlechter geworden.
Auch der Gini Koeffizient ist in Deutschland seit vielen Jahren recht konstant, und die Ungleichheit auf der Welt ist definitiv gesunken!

https://ourworldindata.org/wp-content/uploads/2013/12/Global-inequality-in-1800-1975-and-2015.png

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Ich glaube nicht, dass wir es besser oder schlechter haben als unsere Eltern. Damals gab es einfach andere Probleme, mit denen sich ihre Generation auseinander setzen musste, wir haben unsere. Das, was auch meine Eltern vor 25 Jahren schon gesagt haben und wovor sie damals schon gewarnt haben, wird unsere und die Generation unserer Kinder aber wohl wirklich betreffen. Nämlich die Aussage, dass es bald keine mittelklasse mehr geben wird sondern nur arm oder reich. Und das die Kluft zwischen beiden immer größer wird.

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Es liegt an uns selber ob es besser oder schlechter wird...
Ebenfalls liegt es an uns, in welche Richtung wir uns gesellschaftlich entwickeln.
Die Menschheit hat doch eigentlich alles schon durchgemacht.
Kriege, Krankheiten, Hungersnöte, Elend....die großen Kriege sind eine gewisse Zeit her, momentan befinden wir uns beim Elend (meine Meinung) und steuern nun wieder auf große Kriege zu.
Alles beginnt von vorn. Geschichte wiederholt sich.
Hoffentlich sind wir nach dem "großen Krieg" etwas schlauer, so dass die Phase des Friedens etwas länger anhält als zuvor:-)

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****vom urbia-Tean editiert****

Denn zumindest in Europa WAR man nach dem großen Krieg (den zwei großen Kriegen im 20. Jahrhundert in Europa um genau zu sein) schlauer - sodass wir aktuell die längste Friedensphase in Europa erleben.

"momentan befinden wir uns beim Elend"

Sprach einer, der sicher nie wirkliches Elend erleben musste.

Gefährlich sind im Moment allerdings wirklich Kriegsfaseler ****vom urbia-Team editiert****

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"sodass wir aktuell die längste Friedensphase in Europa erleben."

Aber Europa wollen sie abschaffen, unsere Schwarz- bzw. Braundenker. Wenn sie doch wenigstens einen Anfang machen würden mit ihrem Anspruch, man möge bitte klüger werden....

Aber da ist Hopfen und Malz verloren wegen "Isso-Krankheit" und "Whataboutismus". Diskussion zwecklos. Die haben Recht. Immer.

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Leute, die Deutschland oder ein anderes westeuropäisches Land ständig am Abgrund sehen, sollten mal dorthin gehen, wo wirklich Not herrscht. Ich bin geschäftlich ein bis zweimal im Jahr für die Entwicklungshilfe in Nicaragua tätig. Dort haben die wenigsten ein Auto, die Beschaffung von Nahrungsmitteln ist der Hauptposten im Budget, die meisten wohnen in Hütten dicht an dicht, Duschen im Haus sind etwas für Reiche, Freizeitbeschäftigungen und Hobbies sind unbekannt usw.

Was Renten betrifft, ist in Deutschland halt vieles Augenwischerei von Politikern. Den Leuten die Wahrheit zu sagen ist halt unpopulär. Renten perpetuieren den Zustand während des Erwerbslebens, wer vorher arm dran war, ist es nachher immer noch. Und spezifisch für Deutschland muss das Rentensystem all die Leute aus der ehemaligen DDR mittragen, die nicht oder nur teilweise aktive Einzahler waren und dennoch Rente kriegen. Das ist politisch so gewollt, würde man Einwohnern aus den neuen Bundesländern nur soviel auszahlen, wie es den Einzahlungen ihrer Alterskohorte ins Rentensystem entspricht, gäbe es flächendeckende Armut und einen Aufstand.

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Naja, so wirklich stimmt das mit den Renten nicht.
Der größte Posten der Nichtzahler und Nutznießer des deutschen Rentensystem sind wohl die sogenannten Beamten und nicht die Menschen der ehemaligen DDR.
Die zahlen definitiv gar nichts ein und bekommen später ca. 70% vom Einkommen als Pension, während der Einzahler und ebenfalls Nutznießer nur auf ca. 40 -45% kommt.

Es hinkt ein möglicher Vergleich Deutschland - Nicaragua. Das diese Länder am Abgrund stehen ist gewollt. Diese Länder werden nach wie vor permanent ausgebeutet.

Aber, das Blatt wendet sich. Siehe Südafrika...#fest

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"Der größte Posten der Nichtzahler und Nutznießer des deutschen Rentensystem sind wohl die sogenannten Beamten"

"Die zahlen definitiv gar nichts ein und bekommen später ca. 70% vom Einkommen als Pension"

Dein Posting suggeriert, Beamte würden aus einem System bezahlt in das sie nicht einzahlen.

Fakt ist, dass die Pensionen von Beamten gar nicht von der Deutschen Rentenkasse bezahlt werden sondern aus Pensionsrücklagen von Bund, Ländern und Gemeinden.

Man kann zwei parallel existierende Systeme kritisieren aber Äpfel mit Birnen vergleichen ist einfach unredlich.

Beamte zahlen keine Arbeitslosenversicherung, weil sie keine Arbeitnehmer sind und somit (theoretisch) nicht arbeitslos werden können. Sie zahlen nicht in die Rentenversicherung ein, weil ihr Dienstherr sich mit der Verbeamtung verpflichtet hat, auch nach Ausscheiden für den Beamten zu sorgen.

Beamte haben allerdings NICHT deutlich mehr netto in der Tasche, weil ihr Brutto deutlich geringer ist. In der Regel verdienen Beamte sogar bei vergleichbaren Tätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung netto deutlich weniger als Angestellte.

Ich bin zwar auch der Auffassung, dass wir uns in Deutschland zu viele Beamte leisten und die Pensionsansprüche eine sehr hohe Belastung darstellen. Aber diese Form von pauschalem Bashing und auch Unwahrheiten, die du versuchst zu verbreiten, dienen wohl nur der Unterfütterung einer gewissen Neidkultur.

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" Ich habe dann bis um zwei noch mit meinem Partner zu Hause ein wenig weiterdiskutiert. Er meinte, dass die wirklichen Zustände nicht so wichtig sind wie das persönliche Empfinden jedes einzelnen Menschen, dass einem entweder sagt, das Glas ist halbvoll oder halbleer."

Da hat dein Partner gar nicht so unrecht. Ich glaube wenn man einen Lebensstandart erreicht hat, an dem es nicht nicht mehr bergauf geht, dann kann es nur noch bergab gehen. Solange man noch Ziele und Aussichten hat, hat man noch Hoffnung.

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Ich vermute ja auch mehr und mehr, dass die Einschätzung der Zukunft sehr von den individuellen Lebensumständen wie auch einfach der persönlichen Einstellung zum Leben, zur Umwelt, zur Gesellschaft usw. abhängt.

Wenn jemand eine grundsätzlich positive Einstellung hat, vielleicht einfach auch angstfreier aufgewachsen ist, wird er die Zukunft tendenziell wohl positiver beurteilen.

Deswegen spielen die aktuellen und realen Ereignisse sowie belegbare Fakten, wie sich die Welt entwickelt, wohl nur eine untergeordnete Rolle.

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Im Enddefekt gehts uns Deutschen noch am Besten, vorallem auch mit unseren Sozialsystem. Hier "muss keiner" hungern , noch unter der Brücke schlafen.
Was Angst bereitet ist, dass unsere ( besser gesagt europäische), politische auf Länderausgleich innerhalb der EU hinarbeitet.Ein starkes wirtschaftliches, fleißige Volk, soll im Enddefekt andere "neue EU Länder" auf die Beine helfen. Aber solange jedes Land eigene Gesetze haben.Renteneintrittsalter mit 60-64 J. Wo Kinder vor 18 J. in keine Berufe kommen und einzahlen, da 12 J. reine theoretische Schulpflicht ist......werden die starken Länder dies unendlich weiterzahlen....und Geberländer dadurch finanziell stark schwächen.
DE zahlt in zich Afrikanischen seit zich Jahrzehnten, jährlich je 2stellige Millionenbeträge als Entwicklungshilfe.....ausser Investitionen in Schulen und Krankenhäuser , tauchen dort die überwiegenden Beträge in falschen Hände, ohne jegliche Belege darüber ab.

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Nun ich finde zumindest gut das mittlerweile jedem Kind ein Kitaplatz zu steht.
Soweit so gut, was i h nicht in Ordnung finde ist das diese Plätze ganz oft von Flüchtlingskindern besetzt sind und einige arbeitende Mütter trotzdem einen langen Anfahrtszeit zur Kita in Kauf nehmen müssen.
Ebenfalls gut finde ich das auf Lehrermangel hingewiesen wird, jedoch finde ich sollten diese studienlehrgänge besser gefördert werden, so ist der Reiz zu studieren größer.
Ebenfalls finde ich Mist (ist bei uns hier passiert) das Schulen geschlossen werden, die Kinder einen langen Schulweg haben ... was ergo bedeutet das sie zeitiger aufstehen müssen und später nach Hause kommen und noch weniger Freizeit haben als eh schon..
dafür entsteht dann aus der wie erwähnten geschlossenen Schule eine Privatschule.
Auch mein Sohn wird später auf die Privatschule gehen. Allein schon weil sie direkt im Ort ist und alle staatlichen Schulen ringsum voll von Flüchtlingskindern sind die kein Wort deutsch verstehen und massiv durch ihr Verhalten den Unterricht stören.
Das ist also schlechter.
Meiner Meinung nach sollte man die Einwanderung stoppen bzw wenigstens begrenzen. Und dann sollten sie in deutscher Sprache gefördert werden.

Außerdem wie kann. Es sein das Rentner die jahrelang geschuftet haben am existenzminimum leben und unsere „neuen Fachkräfte“ mit markenklamotten und dem neusten Zeug rumrennen.
Und wie kann es sein, dass es bei vielen trotz Mindestlohn und sämtlichen Sparmaßnahmen zum überleben teilweise nicht reicht. Wenn man arbeitet sollte man sich doch mal zusammen sparen können. Wieso geht das nicht mehr meine Großeltern waren ständig im Urlaub. Auch meine Eltern konnten mit uns in den Urlaub fahren. Für uns ist das schwierig.
Ich habe keinen Vergleich zu vor 30 Jahren, dafür bin ich zu jung. Ich kann da nur den Vergleich ziehen durch Aussagen von vorherigen Generation.
Lange Rede kurzer Sinn.
Weniges ist besser vieles schlechter. Aber gut und schlecht sind ja eher relative Bezeichnungen.

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Verzeiht mit fehlerhafte Satzzeichen, welche sich an der falschen Stelle befinden. Autokorrektur #augen

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"Soweit so gut, was i h nicht in Ordnung finde ist das diese Plätze ganz oft von Flüchtlingskindern besetzt"

Flüchtlingskinder besetzten Kindergartenplätze und ganze Schulen sind voll von Flüchtlingskindern? Wo kommen die denn auf einmal her? Hier wird doch immer rumpusaunt, dass alle Flüchtlinge Männer seien....#kratz

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Es gibt da so ein Experiment, bekannt unter dem Namen Ultimatum-Spiel. Das geht so:
Einem Akteur (Spieler 1) wird ein Gut (z.B. Geld) zur Verfügung gestellt. Hiervon muss er einen Teil wählen und einem anderen Akteur (Spieler 2) anbieten. Lehnt dieser den ihm angebotenen Teil ab, so muss auch auf seinen Teil verzichten und beide gehen leer aus. Nimmt er an, so erhält er das angebotene Geld und der Anbietende erhält den Rest.

Irgendwas scheint sich an der Haltung von Spieler 1 geändert zu haben. Auch wenn der Gini-Koeffizient sich in Deutschland nicht groß verändert hat, soziale Ungleichheit - anders als oftmals behauptet - also gar nicht zugenommen hat, sind diejenigen, die in der Position von Spieler 2 sind, offenbar nicht mehr einverstanden mit dem Anteil, der ihnen zugestanden wird, obwohl es ihnen de facto besser geht als zuvor. Sie bekommen ja etwas vom Kuchen ab, aber nicht so viel, wie sie eigentlich glauben zu verdienen.

Und das führt m.E. zu dem mittlerweile weit verbreiteten Gefühl von Unzufriedenheit, das früher alles besser war.

Die Ursachen hierfür sehe ich u.a. in der Agenda 2010 und in der Lohnzurückhaltung, die in Deutschland seit Jahren geübt wird, um in der Globalisierung konkurrenzfähig zu bleiben. Die Wirtschaft boomt und das Bruttoinlandsprodukt kommt trotzdem immer nur bei einem Teil der Bevölkerung an, die als eh schon privilegiert wahrgenommen werden.

Kommen dann noch Menschen ins Land, die auch noch was von dem wenigen abhaben wollen, dass "die da oben" uns zugestehen, dann kommt es zu Verteilungskämpfen und unschönen Diskussionen (s. Essener Tafel). Medial aufgepuscht verbreitet sich das Gefühl, von irgendjemandem übervorteilt zu werden, noch weiter und entlädt sich in Fremdenfeindlichkeit und Populismus.

"Besser" war früher mit Sicherheit, dass man, wenn man Vollzeit gearbeitet hat, von seiner Arbeit tatsächlich leben konnte. Heute haben wir einen großen prekären Arbeitssektor, in dem Menschen ausgebeutet werden und trotzdem nicht über die Runden kommen. Und anstatt, dass Politik da gegen angeht, indem sie volle Kraft alles in Bildung investiert, so dass möglichst viele Menschen in möglichst qualifizierten Berufen arbeiten können, in Bereichen, die international konkurrenzfähig sind, konzentrieren sie sich auf Nebenkriegsschauplätze.

Ich denke, die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommen z.B. oder die Erhöhung des Mindestlohns, könnte viel an dem Gefühl vieler permanent zu kurz zu kommen oder aber unmittelbar vom sozialen Abstieg bedroht zu sein, ändern.

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Ich kenne diesen Test auch. Das Witzige daran ist, wenn derjenige weiß, dass der andere auch nichts bekommt, freut er sich mehr darüber, dass der andere auch nichts bekommen hat als das er sich bewusst wird, dass er auch nichts bekommt.

Er schaut mehr auf das, was der andere NICHT hat als auf das, was er nun auch nicht hat.

Irgendwer schrieb in seiner Aufzählung, was u.a. alles schlechter wird im Land, dass die Diäten der Politiker wieder steigen würden.
Da habe ich mich zuerst gefragt, was daran jetzt schlecht ist, wenn jemand anders etwas zusätzlich bekommt. Für mich ist es ja weder Vor- noch Nachteil, wenn jemand etwas bekommt. Genauso wie es kein Nach- oder Vorteil ist wenn dieser nichts bekommt.

Ich habe die Begründung für diese merkwürdige Einstellung vergeblich gesucht. Aber es mag mit dem von dir beschriebenen Phänomen zu tun haben: Dass man es schon als persönlichen Zugewinn ansieht, nur dass der andere nichts bekommt.

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Naja, dahinter steckt ja das Gefühl, dass sich der andere auf die eigenen Kosten bereichert und wenn man sich das Bruttoinlanndsprodukt tatsächlich als Kuchen vorstellt, der ja beständig wächst, und der eine Teil immer nur ein paar Krümel mehr kriegen, obwohl der Kuchen um 2Stück wächst und sich immer andere den Rest reinkloppen, dann verstehe ich, dass man sich irgendwann nicht mit ein paar Krümeln und der Aussage: Wieso, du hast doch mehr als zuvor? abspeisen lässt und sich bedroht fühlt, wenn jetzt auch noch andere anstehen, um ein paar Krümel zu erhaschen.

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Ich glaube viele Menschen nehmen die aktuelle Lage deshalb so kritisch wahr, weil alles unbekannter geworden ist. Das Fremde, das Unverständliche, ist es, was uns Angst macht. Wenn ich mit älteren Menschen rede, dann wird oft deutlich, dass die Welt früher kleiner war. Ohne Globalisierung, ohne Nachrichten aus den letzten Ecken der Welt und selbst im privaten Leben gab es weniger Unbekanntes. Das hat sich heute stark verändert und das macht Angst.

Beispiel: Es ist viel wahrscheinlicher, dass wir uns selbst oder ein enger Bekannter oder Verwandter uns tötet und trotzdem haben alle Angst vor dem Flüchtling an der Bushaltestelle und nicht vor dem eigenen Ehepartner im Bett.
Ich halte diese Umwandlung aus Angst vorm Fremden in Aggression gegen Fremde für höchstgefährlich.

Es lenkt nämlich von den eigentlichen Problemen ab. Denn es gibt ja auch ein paar Fakten, die darauf hinweisen, dass es eben nicht immer weiter bergauf bei uns geht. Beispielsweise steigen die Löhne nicht im selben Maße, wie die Preise für die Grundversorgung. Aktuell gibt es sogar mehr Schulden als zur Bankenkrise 2008 und ich habe wirklich Sorge, dass uns in den kommenden Jahren eine weitere noch schwerere Bankenkrise bevorsteht. Mich ärgert dieser ätzende Neoliberalismus, der immer noch glaubt, dass der Markt sich selbst reguliert. Ich würde behaupten, dass die letzten Jahre doch eigentlich das Gegenteil bewiesen haben. Trotzdem hat die Wirtschaft unsere Regierung voll in der Hand. Wer wissen will, wie es aussieht, wenn die normale Bevölkerung für irgendwelche Banken blechen muss, kann ja mal nach Griechenland gucken. Danke, Deutsche Bank.