Verhaltensauffälligkeiten

Hallo ihr Lieben,

ich hatte euch schon einmal nach Hilfe und Rat gefragt. Es geht um unseren, mittlerweile 6 jährigen Sohn. Die Vorgeschichte findet ihr unter folgendem Link:

https://m.urbia.de/forum/45-leben-mit-handicaps/5105443-entwicklungsstoerung-und-verhaltensauffaelligkeiten

Unser Sohn war im Juli/ August für 6 Wochen in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie, vollstationär. Unsere Sorgen, die Spezialinteressen und die Verhaltensauffälligkeiten erzählten wir in der Klinik.

In der Klinik zeigte er ein gutes Sozialverhalten (er war der jüngste, die anderen Kinder waren doppelt so alt und älter). Seine starke Interesse für Elektronische Geräte zeigte er dort sehr. Er drückte auch in der Klinik alle Knöpfe und Schalter. Wutanfälle hatte er dort nicht. Er benahm sich gut. Er bekam dort einen Kinderlaptop und Radios zum Spielen, was wir nicht nachvollziehen konnten.

Aufgrund des guten Sozialverhalten wurde Autismus ausgeschlossen. Diagnostiziert wurde ein stark ausgeprägtes ADHS. Unser Sohn wurde daraufhin auf das Medikament Medikinet eingestellt. Zur Zeit bekommt er davon 20 mg retard. Sein IQ liegt ohne das Medikinet bei 75.

Der Aufenthalt in der Kinderpsychiatrie war für uns erfolglos. Unser Sohn interessiert sich nach wie vor nur für Elektrogeräte, bekommt massive Wutanfälle, ärgert unsere Tiere und andere Kinder.

Im Kindergarten und zu Hause hält er sich nicht an Regeln. Im Kindergarten schlägt er mit Spielsachen gegen die Köpfe der Kinder und tritt sie, zerstört gebaute Türme und Blätter der Kinder, lügt, wirft Spielsachen ohne Rücksicht auf Kinder, Erzieher und Fensterscheiben und drückt alle Knöpfe. Erklärungen und Sanktionen bringen nichts, darüber lacht er. Er freut sich und lacht darüber, wenn er den Kindern wehgetan hat und sie weinen.

Auch wenn er uns und den Tieren wehtut, freut er sich und lacht.

Vor ein paar Monaten sagte er, dass er ein Mädchen aus dem Kindergarten mit scharfen Messern durchschneiden will, weil sie ihn nervt. Woher er sowas hat, wissen wir nicht. Wir waren über diese Aussage sehr schockiert. Auch dies, berichteten wir der Klinik.

Wir wissen nicht mehr weiter. Unser Sohn wird immer aggressiver und Konsequenzen bringen nichts. Eine Familienhelferin bekommen wir in 2 Wochen.

Bei unserer Kinderpsychiaterin haben wir erst im November einen Termin.

Habt ihr Tipps, was wir noch machen könnten?

Liebe Grüße Sabrina

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Was war in der Klinik anders?
welche Tipps hat die Klinik für den Alltag?

Ich habe selbst ADHS.
D.h. bei sehr guten Rahmenbedigungen funktioniere ich tadellos.

Sind die Rahmenbedingungen schlecht, kann ich mich kurzzeitig (wirklich nur kurzzeitig!) zusammen reißen, beherrschen, explodiere dann aber verschärft.

6 Wochen am Stück kann ich mich nicht zusammenreißen.
Entweder ich habe sehr gute Rahmenbedigungen, dann klappt es super.
Oder.... neee, oder gibt es nicht.
Einen Tag zusammen reißen und ich explodiere abends.
Zwei Tage zusammenreißen, eine Woche - aber nur, wenn ich ein Ventil habe.


Nein, ich haue nicht, trete nicht etc.
Wohl aber kann ich anderen heftig auf die Nerven gehen und mag mich dann selbst nicht leiden.


Was sind gute Rahmenbedigungen?
Struktur
wenig Reize
Möglichkeiten, um mich optischen, auditiven Reizen zu entziehen und mir und meinem Gehirn Pausen zu gönnen.


Hat die Klinik euch Tipps mit auf den Weg gegeben?
Was haben sie dort gemacht?
Hatte er dort wirklich keine Wutausbrüche? Oder sind sie damit dort anders umgegangen? Oder haben sie es nicht als solche empfunden, weil sie von anderen heftigere Anfälle kennen.


Wenn es bei mir gut läuft, versuche ich herauszufinden, welche Gegebenheiten es waren
- kleine Gruppe
- Reizarm
- klare Regeln
- Menschen, die ich mag/mit denen ich gut kann

und dann umzusetzen, wo es nicht gut läuft.

Zusammenreißen kann ich mich nur mal tagsüber, mit viel Energie.

Mit medikament brauche ich mich zusammenreißen, da klappt vieles besser.
Aber auch da brauche ich gute Rahmenbedigungen. 6 Wochen, ohne dass ich zwischendurch mal unruhig war, mit was auch immer überfordert war, Reize nicht gut abkann, kommen auch mit Medikament nciht vor.
Nur dass ich als Erwachsene gelerne habe, es so rauszulassen, dass ich niemanden damit verletze. Weder verbal, noch körperlich.

Was lief dort anders?
Was davon könnt ihr in den Alltag übernehmen?

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Danke für deine Antwort.

In der Klinik war unser Sohn der Jüngste (er war zu dem Zeitpunkt 5 Jahre alt). Er hatte einen sogenannten Welpenschutz, dies hat uns die Klinik gesagt und das man ihm nicht wirklich böse sein kann, wenn er Unfug macht.

Anders in der Klinik war, dass er an Geräte und Steckdosen gehen durfte, was er zu Hause nicht darf. Wir verbieten es aus diesem Grund, weil er an den Geräten spielt. Er durfte eine Zeit lang helfen, Wäsche in den Trockner zu räumen. Als er auf die Idee kam, einen Keramiknapf von unseren Haustieren in den Trockner zu stecken und diesen anzustellen, gab es dann die Regel, dass er nicht mehr an die Geräte darf. Er legt auch etwas auf die Herdplatte und macht ihn an. Sämtliche Erklärungen bringen nichts.

In der Klinik bekam er einen Laptop in sein Zimmer, wo er immer daran spielen konnte. An anderen Geräten durfte er die Knöpfe drücken.

Das Medikinet zeigt absolut keine Wirkung. Unser Sohn ist weder ruhiger, noch kann er sich besser konzentrieren.

Der Kindergarten hat kleine Gruppen, weil es ein heilpädagogischer Kindergarten ist. Dort herrschen auch die Regeln, dass er nicht an die Geräte, Knöpfe und Lichtschalter darf.

Unser Sohn schlägt und tritt völlig grundlos die anderen Kinder, macht ihre Sachen kaputt und zu Hause geht er auf unsere Tiere los. Jedes Mal freut er sich, wenn er jemanden weh getan hat.

LG Sabrina

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Habt ihr Elternschulung bekommen?

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Nein. Es wurde uns nur gesagt, dass wir die starke Interesse für Elektronik fördern sollen und unserem Sohn alte aber noch funktionierende elektrische Geräte wie Laptop, Tablet oder Handy geben sollen zum spielen.

Er hat daraufhin ein altes Smartphone von mir bekommen. Natürlich will er das Handy jetzt immer haben, er sagt schon frühs, dass er das Handy will. Bekommt er es nicht, flippt er aus. Es kann doch nicht die Lösung sein, dass unser Sohn den ganzen Tag auf diesen Bildschirm schaut, er hat ja auch die Epilepsie.

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Starkes Interesse für Elektronik bedeutet NICHT, dass man auf einem Handy rumdaddelt und den Bildschirm fixiert, sondern es bedeutet, dass man sich mit dem Innenleben elektronischer Geräte auseinandersetzt, umbaut, tüftelt, experimentiert.

Liegt das Interesse beim Zocken, dann wäre ein Handy so ziemlich das Letzte was mir einfiele, da kämen mir vorher ein Rechner und anspruchsvolle, altersgerechte Spiele in den Sinn.

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Hätte mich auch gewundert, wenn eine Kinder- und Jugendpsychiatrie ohne entsprechende Spezialisierung Autismus diagnostizieren könnte, ausser das Kind ist 1 zu 1 wie Rain Man. Ähnlich lustige Erlebnisse bieten die SPZ und Schulpsychologischen Dienste.
Ist die Kinderpsychiaterin bei der ihr den Termin habt sattelfest mit Autismus? Wenn nicht, Termin absagen, andere Anlaufstelle suchen.

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Danke für deine Antwort.

Der Psychologe von der KJP ist spezialisiert auf Autismus. Unser Sohn zeigte sein aggressives Verhalten in der Klinik nicht. Die anderen Kinder dort waren auch viel älter und größer als er.

Unser Sohn kann jeden um den kleinen Finger wickeln. Er ist in dieser Hinsicht sehr clever. Er kann die Menschen mit seinem Charme verzaubern. Er hat quasi zwei Seiten, die Liebe und auch die Böse Seite. Er hat keinerlei Schuldbewusstsein und Mitleid scheint er auch nicht zu haben. Er kann gut schauspielern. Sobald jemand wegen ihm weint, lacht er und freut sich darüber. Wie oben bereits geschrieben, waren wir sehr geschockt, als er sagte, dass er ein Mädchen im Kindergarten mit Messern durchschneiden will. Wir können uns nicht erklären, wie er auf sowas kommt, er sagte das im ernsten Ton.

Unsere Kinderpsychiaterin hatte den Verdacht auf ADHS mit Asperger Syndrom geäußert, wollte aber die Diagnostik von der KJP abwarten. Sie meinte, dass Autismus sehr wahrscheinlich ist aber die KJP ist anderer Meinung.

Liebe Grüße Sabrina

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Da würde ich mich mal in anderen Foren umhören.

Eltern von Betroffenen fragen, welche Klinik sie empfehlen können!
Und dort dann Termin aus machen. Auch wenn der Weg weit ist.

Ich habe 2x gesichert die Diagnose ADHS.
Viele Therapeuten meinen aber, Adhs würde es nicht geben, ich würde es mir nur einbilden usw.

Bei mir wirkt Medikinet sehr gut.


Wenn Medikinet nicht wirkt, kann es trotzdem ADHS sein. Es gibt verschiedene Präparate auf die unterschiedlich reagiert wird.

Die Idee, ihm elektronische Geräte zu geben, finde ich jetzt nicht soooo schlecht.

Allerdings nur in überschaubarem Umfang. EIN Gerät (evtl. ohne Bildschirm).

Alles ist verboten, nur dieses eine nicht. Evtl. etwas, das er im Zweifel auch zerlegen kann, drücken kann, keine bunten Lichter macht etc.


Wegen Autismusverdachte würde ich mich dringend mit anderen Eltern in Kontakt begegeben und fragen WELCHE Kliniken sie empfehlen können und welche nicht.

Unabhängig davon ob es KJP oder SPZ ist. Es kommt darauf an, wer dort arbeitet und wer sich dort wie gut damit auskennt.


Du schreibst von Welpenschutz: das mag ja schön und gut sein, hilft aber nicht weiter, wenn man herausfinden will, was er braucht.

Unrealistische Bedigungen um ihn dann in realistische Bedinungen zurück zu schicken, macht wenig Sinn.

Das bei der Frage nach einer passenden Klinik (von anderen Betroffenen Eltern) gleich miterfragen.

Forentipps habe ich jetzt keine.
Von rehakids habe ich bisher nur gehört/gelesen, dass es das gibt.


Als ADHSler hat mir der Austausch mit anderen Erfahrenen/Betroffenen sehr geholfen. Teilweise mehr als mit Therapeuten (vor allem mit jenen, die behaupteten adhs würde es nicht geben und ihre "Kollegen" seien ..... :-[ )

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Ich aufgeben,die nächste Klinik suchen!
Alles Gute!

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Hallo,

ich würde mich mal in Foren speziell für ADHS und Autismus umhören.
Da hast Du bessere Chancen, jemanden zu finden, der Deinen Sohn einschätzen kann und die haben auch Tips für Therapeuten, Kliniken etc. in Deiner Nähe.

Leider scheint es gerade in diesem Gebiet, viele sogenannte "Fachleute" zu geben, die letztendlich keine Ahnung haben.
Ich kenne jedenfalls einige Familien, die aufgrund von Fehldiagnosen bei ihren Kindern einen Haufen Probleme hatten.

Ich selbst habe gerade, ehrlich gesagt, keine Idee, was Dein Sohn haben könnte. Ich kenne zwar sowohl ADHSler, als auch einen stark betroffenen Asperger Autisten (der nicht wie Rain Man ist ;-)), aber die sind alle nicht so, wie Dein Sohn.

Ich fürchte auch, dass diese Familienhelferin Euch nicht weiter helfen wird. Die sind für Familien ausgebildet, die nicht wissen, wie man mit Kindern umgeht, aber das ist bei Euch ja nicht das Problem.
Die Mutter des Asperger Autisten, den ich kenne, ist selbst Familienhelferin. Deswegen habe ich ein bisschen Einblick, wie das in dem Bereich so läuft. Falls Ihr jemanden, wie diese Mutter, erwischt, der sich mit solchen Störungen auskennt, habt Ihr ganz viel Glück.

LG

Heike

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Ich arbeite seit Jahren mit Jugendlichen mit ADHS und Autismus/Asperger (als Lehrerin) , hab selbst zwei Kinder mit ADHS, und ich muss sagen, ich sehe da nicht viel ADHS. Eher sehe ich viel autistisches. Das "gute" Sozialverhalten, was jemand beobachtet hat, kann ja Zufall gewesen sein. Ich würde aber ADHS nicht völlig ausschliessen, ich meine nur, dass es nicht alle Symptome erklärt.

Er scheint ja keine normale Empathie zu haben. Was du selbst machen kannst, um das zu fördern - ich weiss nicht genau, wie man es bei euch nennt, da ich schon lange im Ausland lebe, aber es gibt ein Konzept "soziale Geschichten". Das bedeutet, man erklärt dem Kind eine Situation, die es vielleicht gerade erlebt hat mit Hilfe von Bildern. Die Bilder muss man normalerweise selbst zeichnen, wenn man nicht irgendwelche tollen Hilfsmittel hat. Das macht man bei autistischen Kindern. Stell dir vor: Du willst deinem Kind erklären, dass es nicht andere Kinder schlagen soll. Du zeichnest die Situation, vielleicht in drei Bildern, wie er das andere Kind schlägt, und das andere Kind weint. Je nachdem, wie dein Kind da funktioniert, kannst du vielleicht erst mal eine Situation zitieren, wo dein Kind selbst traurig war und weinte. Und dann die Situation wo er selbst ein anderes Kind traurig gemacht hat und erklären, dass das Kind genauso traurig ist, wenn er es schlägt.

Ich merke selbst, es ist schwierig, wenn ein Kind so gar keine Empathie zu haben scheint. Aber ich glaube, wenn man das öfter macht, solche Situationen erklärt - das ist jedenfalls der Weg zur Entwicklung von Empathie, und man sollte es versuchen.