Nächtliche Überraschung

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Es ist der 08.06.2020. Heute hat sich wieder den ganzen Tag nicht viel getan in Richtung Geburt, dachte ich zumindest. Übungswehen über den Tag verteilt, mal mehr mal weniger schmerzhaft und völlig unregelmäßig, so wie die vergangenen zwei Wochen schon fast täglich. Am Abend war ich mal wieder völlig frustriert und hatte furchtbare Sehnsucht nach meinem Bauchzwerg. Mein Mann knuddelte mich noch ganz liebevoll bevor er um kurz nach 22Uhr das Licht ausmachte. Ich konnte noch nicht schlafen und schrieb mir meinen Frust hier im Forum von der Seele. Kurz bevor ich zu Ende schrieb und bevor ich abschicken konnte.... "Plopp"! Und das in einer Lautstärke die mich völlig aus den Gedanken und aus der Müdigkeit riss! Ich sog die Luft laut und scharf ein und weckte damit meinen Mann neben mir. Es war 22:48Uhr. "Ich glaube meine Fruchtblase ist geplatzt. Bleib liegen Schatz, ich prüf das nach.", sagte ich. Mein Liebster wirkte noch etwas benommen und blieb erstmal liegen. Ich bin unsicher ob er in dem Moment bereits begriffen hatte was nun passieren könnte....
Auf der Treppe merkte ich zu ersten Mal einen kleinen Schwall. "Okay, könnte auch Urin sein.", dachte ich mir. Im Flur vor der Toilette war die Binde, die ich seit einige Tagen sicherheitshalber benutzte, total durchnässt. "Okay! Das ist kein Urin!" Mittlerweile kam mein Mann etwas schlaftrunken die Treppe runter. "Schatz! Wir bekommen heute ein Baby!", ein Satz den er heute noch sehr oft von mir in allen möglichen Intonationen hören würde.
Als nächstes überlegten wir, ob wir jetzt bereits die Hebamme anrufen sollten, denn ich spürte zwar Kontraktionen aber noch keine so starken und regelmäßigen wie sie die Anwesenheit einer Hebamme erforderten. Ich hüpfte (ja ich hüpfte teilweise wirklich herum!) völlig aufgedreht, fröhlich durchs Haus und trällerte immer wieder "Wir kriegen eine Baby! Wir kriegen ein Baby." Wir beschlossen trotzdem anzurufen, um der Hebamme etwas Vorlaufzeit zu geben und sie nicht später im Schlaf zu überrumpeln.
Ich wählte nun die Nummer von S., die meine eigentliche Hebamme in dieser Woche vertrat. Es war ziemlich genau 23 Uhr. Das war unser erster Kontakt überhaupt und ich war unglaublich froh und erleichtert als ich S.s Stimme hörte und sofort tiefste Sympathie verspürte. "Mit ihr kann es nur gut werden!", war mein erster Gedanke.
Während unseres Gespräches saß ich auf meinem Pezziball und hüpfte leicht. Dabei ergoss sich nach gerade mal 3 Sätzen am Telefon, ein wirklich großer Schwall Fruchtwasser auf den Ball und auf den Parkettboden! Genau das wollten wir absolut nicht! Ich war für einen Moment sehr abgelenkt und musste erstmal wischen. Dann bin ich in die Küche (Fliesenboden!) und wedelte mit dem Hintern, mit den Armen auf die Arbeitsfläche gestützt, die nächste Wehe weg. Insgesamt war ich noch sehr gut beieinander und schlug S. vor, dass sie vielleicht noch in Ruhe alles packen und ein kleines Powernap halten könnte, da sie an diesem Tag bereits eine Geburt betreut hatte, von der sie eben erst Heim gekommen war. S. hatte aber scheinbar die Wehen während unseres Telefonats besser im Auge gehabt als ich. Die waren sehr regelmäßig und in kurzen Abständen! Also verblieben wir dabei dass ich nochmal die Wehen genauer mit einem Timer stoppe und sie sich nochmal mit ihrer Kollegin, P., zusammentelefoniert und die Situation kurz bespricht.
So, nun hüpfte ich wieder aufgeregt durchs Haus, stoppte die Wehen und bereitete, zusammen mit meinem Mann, das Badezimmer auf die Geburt vor.
Also die alte Matratze aus dem Dachboden holen, noch ein paar Sachen von der Liste, die uns die Hebamme gegeben hat, zusammensuchen und immer wieder kuscheln und knutschen vor Freude.
Nach einer Weile Wehen stoppen, machte ich einen Screenshot vom Timer und schickte ihn S. 1 Minute lang Wehe und das alle 2 Minuten! Sie wollte daraufhin gleich nochmal telefonieren. Diesmal fiel es mir schon schwerer in den Wehen zu sprechen und laufen ging auch nicht mehr währenddessen. Es war 23:24. Wir verblieben diesmal dabei, dass sie sich gleich auf den Weg macht (1h Anfahrt) und ich derweil bade.
Ich stieg in die Wanne und merkte schnell "zu warm!". Ich musste das Wasser bis auf gerade mal 35 Grad runter kühlen bis ich mich wohl fühlte. Kaum entspannte ich mich, wurden die Wehen intensiver. Ich musste bereits leicht tönen beim veratmen. "Das geht mir ein bisschen zu schnell...", antwortete ich auf die Frage meinem Mannes, ob es mir gut gehe. Wir wurden beide langsam nervös. Um mich zu beruhigen schloss ich die Augen und versuchte alle Muskeln bewusst zu entspannen. Dabei bemerkte ich ein wunderschönes Farbenspiel vor meinem inneren Auge, welches mich den Rest der Geburt begleiten würde. Erst war alles blau, ein tiefes dunkles blau! Meine Lieblingsfarbe. Wenn eine Wehe anrollte, erschien ein rosa Punkt in der Mitte und weitete sich aus bis das ganze Gesichtsfeld rosa war, der Höhepunkt der Wehe! Bei abklingen wurde das Feld wieder aus der Mitte heraus blau. Mittlerweile ist mir klar dass dieser Effekt durch die Erhöhung des (Blut-) Druckes und damit des Druckes im Auge während der Wehe zustande kam. Der Druck erzeugte einen Reiz der Zellen auf der Netzhaut und schickte diese Informationen an den Sehnerv. So entstand meine Farbenwelt.. Es war wirklich schön und entspannend dabei zuzusehen wie die Farben sich abwechselten und die Schmerzen rückten in den Hintergrund. Ich tönte weiter automatisch vor mich hin und schon bald traf S. ein. Ich war nicht sehr aufnahmefähig in dem Moment als S. sich zu mir an die Badewanne setzte und so wartete sie geduldig bis ich die Augen öffnete und sie begrüßte. Die Sympathie war nach wie vor da, das Vertrauen auch und ich konnte mich noch mehr entspannen.
Sie half mir bald darauf aus der Wanne und wir bezogen auf der Matratze, beladen mit mehreren Kissen, unser Lager. Hier sollte auch wenig später Friedrich zur Welt kommen. S. bat mich auf den Rücken und schaute nach dem Muttermund. 7-8cm. Meinem Mann sagte sie dass es noch 1-1:30h dauern wird, weil der Muttermund unter der Wehe nur ca 6cm weit war. Er zog sich daraufhin ins OG zurück und störte nicht, so wie besprochen.
Ich hörte ihre Angabe aber ich nahm sie nicht wirklich zur Kenntnis. Ich beobachtete weiter mein Farbenspiel und versuchte ganz bewusst mit meinen Ressourcen zu haushalten. "Das war noch nicht alles, es dauert noch ne ganze weile. ATMEN! Uiii, es wird rosa! ATMEN! Das wird noch intensiver! ATMEN!", waren so die Gedankengänge die ganze Zeit. Scheinbar war ich auch sehr laut beim tönen, aber davon bekam ich praktisch nix mit. Meinen Körper ließ ich einfach mal machen und dieser wollte in Bewegung bleiben. Ich war im Vierfüßlerstand und wippte auf und ab, wackelte herum, Bäume mich auf und ließ mich immer wieder tief in die Kissen fallen, um mein Gesicht darin zu vergraben. In der Dunkelheit konnte ich meinen schönen Farben zusehen und mich aus den Schmerzen zurück ziehen. S. versuchte ein paar mal mir hilfreiche Tipps oder Anweisungen zu geben. Sie holte meinen Ball auf den ich mich stützen und rumwackeln konnte. Ich kann mich an keinen Moment des Stillstandes erinnern, ich war nur in Bewegung. Ich glaube, ich habe S. gelegentlich gehört wie sie mir sagte, dass ich es gut mache. Manchmal hat sie mich aus meinem Farbenspiel gerissen, um nach den Herztönen zu schauen. Friedrich war wohl sehr entspannt aber für mich waren das wirklich unangenehme Momente... aber die überwand ich, ich indem ich mir sagte, dass es noch nicht alles war, und es noch intensiver wird. Mental auf noch mehr Anstrengungen und Schmerzen vorbereitet, änderte sich mein Gefühl und ich merkte wie mein Körper plötzlich ganz andere Muskelpartien spielen ließ! Hoppla, der presst ja! Ganz alleine hat der jetzt beschlossen das ganze zu beenden. Das Farbenspiel änderte sich auch: zum rosa, kam ein rot dazu und ich stellte fest, dass es den Zeitraum für das effizienteste Mitschieben markierte.
Plötzlich schaltete sich mein rationales Denken wieder ein, die Schmerzen waren mit einem Mal sehr präsent aber noch gut beherrschbar. "Er ist gleich da! Gleich sehe ich mein Baby!", war mein einziger Gedanke. Bei der nächsten Wehe schob ich kräftig mit und wollte ihn jetzt raushaben! Ich schob weiter selbst als die Wehe vorbei war und ich wieder nur blau sah. "Du kommst da jetzt raus!", sagte ich zu meinem Sohn. S. musste mich an dieser Stelle bremsen und zur Vernunft bringen. "Lass die Wehe los!", sagte sie energisch, "atme so: Pha Pha Pha!". Ich atmete: " Pha Pha Pha Pha", und erwartete sehnsüchtig das nächste rot! Leider war ich aber schon ziemlich raus und in der Wirklichkeit angekommen, sodass es mir schwer fiel meine Farbenwelt wiederzufinden, aber es gelang... Zumindest soweit dass ich die rote Phase erkennen und ordentlich mitschieben konnte. Der Kopf war dann da und S. empfahl mir sanft wieder zu warten und langsamer zu machen, um das Gewebe nicht zu überlasten, denn sie konnte in der Position, in der ich mich befand nix bis gar nix erkennen. Ich bäumte mich, beim Pressen, im Vierfüßlerstand nämlich auf und nahm eine seltsam hockende Position ein. "Ich will weiter!", presste ich heraus als ich immernoch rot sah und den Pressdrand verspürte. "Na gut, dann mach.", sagte S. und ich machte mein Ding. Es war ganz leicht! Schwups, um 1:40 Uhr, nach kaum 3h, am 09.06.2020 glitt mir ein kleines, 3810g schweres, 56cm langes Bündel Leben zwischen die Beine. Zart rosa bis weiß die Haut, leicht bläuliche Finger und Zehen und ziemlich nass lag er da. Erst gab er ein quitschen von sich, dann einen kräftigen Protestschrei, der in einem jammernden Wimmerruf nach Mutti mündete. Ich konnte bei seinem Anblick nicht fassen, dass es schon alles gewesen ist. Keine unerträglichen Schmerzen, keine völlige Erschöpfung und kein Gejammer dass ich nicht mehr kann. Einfach so und völlig entspannt kam er auf diese Welt.
Ich stellte mich etwas sehr ungeschickt an beim Umdrehen auf den Rücken und beim Hochnehmen des Kindes. S. half mir, bedeckte mich und dann kam auch schon mein Mann, aufgeschreckt vom Babyschrei. Er war ziemlich überrumpelt, denn vor kaum 20min wurde er noch für voraussichtlich 1-1:30h hoch geschickt und nun, kaum 20min später, war sein Sohn schon da!! Er wirkte etwas blass um die Nase, irritiert und ein bisschen hilflos. "Wie der Vater so der Sohn.", dachte ich amüsiert.
Friedrich wurde von S. abgenabelt nachdem die Plazenta geboren war (ca. 10Min). So hatte mein Kleiner eine Weile zwei Systeme zur Versorgung mit Sauerstoff laufen und konnte sich diese Zeit zur Erholung nehmen. Als die Plazenta sich löste aber noch nicht geboren war, wimmerte er sacht. Ich hatte davon gelesen und fand es spannend das nun live zu sehen. Als nächstes wollte er die Brust und dockte direkt perfekt an. Leider waren aber Magen und Atemwege noch mit Fruchtwasser gefüllt. Er spuckte und hustete Milch und Wasser und hatte Schwierigkeiten sich zu fangen und ruhig zu atmen. Ein bisschen rubbeln und sacht auf den Rücken klopfen, halfen. Danach bekam mein Mann den kleinen Mann, eingewickelt in Handtücher, überreicht und wir kümmerten uns um mich.
Während die Plazenta sich nur zögerlich löste, habe ich wohl stark geblutet. Das lag mitunter daran dass ich zwei Plazenten hatte! Rechts eine große Hauptplazenta und links eine etwas kleinere Nebenplazenta, verbunden über ein dickes großes Gefäß. S. gab mir zur Sicherheit etwas Cytotec damit sich die Gebärmutter schneller zusammenzieht. Sicher ist sicher und ich fand und finde es war die richtige Maßnahme in der Situation, ich bin aber auch ein Schisser bei stärkeren Blutungen.
Mittlerweile war P. eingetroffen und betreute mich zusammen mit S. weiter. Irgendwann zogen wir ins OG um, wo ich auf dem Bett ein paar, ich glaube 4 waren das, kleine Stiche bekam, denn ich hatte ja nicht gehört und das Gewebe hatte an einer kleinen Stelle an der Schamlippe ein wenig nachgegeben. Ansonsten hatte ich nur kleine Abschürfungen. Die Sache war also schnell erledigt und mein Mann kam mit Kind zum Kuscheln, Stillen und Schlafen. S. und P. bekamen noch einen Kaffee vor der Heimfahrt und gegen 4 Uhr schlummerten wir zu dritt als kleine Familie friedlich ein.

Auf dem Bild ist er kaum zwei Tage alt und völlig überfressen der kleine Gierschlund 🤣. Ich hatte an dem Tag Milcheinschuss.

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1

Was für ein toller Geburtsbericht, danke! So selbstbestimmt, natürlich und entspannt!
War das deine 1.Geburt?
Ich wollte gerne ambulant entbinden, aber wegen SS Diabetes leider schwierig... Zu Hause vielleicht beim nächsten Kind, sofern kein SS Diabetes vorliegt.
Alles Liebe und Gute für dich und deine Familie 🍀💚

LG Hanna 37+3 mit Babyboy inside 💙

2

Nein das war sie zweite Geburt.
Die erste war im Krankenhaus. Sie verlief damals nicht ganz so entspannt aber dennoch nicht schlimm. Ich hab da einfach Vertrauen in meinen Körper gefasst, der kann ziemlich gut Babys machen darum sind beide Geburten ganz entspannt gewesen. Im Krankenhaus hat mich der Kampf um meine Wünsche, neben dem Geburtsprozess, ziemlich genervt und lange belastet. Darum die Hausgeburt.... Die ist schon fast "unspektakulär" gewesen. Baby bekommen, ins eigene Bett gelegt und liegen geblieben die ersten Tage. Keine nervigen Ärzte oder Visiten oder sonst einen Mist.
Hebamme kam jeden Tag, nahm sich viel Zeit, schaute nicht nur nach dem Körper sondern auch nach der Psyche (hab die Geburt und Babyzeit des ersten Kindes aufgearbeitet und viel geheult), schaute nach dem Stillen und brachte die ersten beiden Tage sogar Brötchen mit 🥰.
Wir haben unser Nest erst nach drei Tagen verlassen und sind Mal durchs Haus getigert und im Garten gelegen. Langsam aber sicher machen wir schon mehr abrr pflegen immernoch das Wochenbett.
Die Ruhe und Langeweile tut extrem gut. Der kleine Mann weint praktisch nicht, nimmt extrem gut zu, hat nach zwei Wochen einen groben Schlafrhythmus und ist bereits jetzt tagsüber sehr wach und aufmerksam.

Ich drücke dir die Daumen dass die Diabetes nicht wiederkommt und du auch diesmal schon deine Wunschgeburt im Krankenhaus haben kannst.

3

Hört sich wundervoll an 😍😍😍! Dann genießt mal noch schön euer Wochenbett!

Danke dir 💚

4

Vielen Dank für diesen tollen Bericht ♡
Herzlichen Glücheunsch und alles Gute

5

So ein schöner Geburtsbericht! Hast du ganz toll geschrieben! Musste ein paar Tränen wegdrücken (und an meine eigene Geburt zurückdenken...)

Alles Gute Euch!

6

Ein wunderschöner Bericht! Erinnert mich an meine Hausgeburt vor knapp 5 Monaten. Ich war auch die ganze Zeit in Bewegung und intensiv mit meiner Atmung beschäftigt. Allerdings hat es bei mir deutlich länger gedauert, was für mich aber völlig in Ordnung war. Meine erste Geburt ging mir nämlich eher zu schnell.
Genieß die Zeit und dein neues Baby. Alles Liebe

7

Hallo 🙋🏼‍♀️ danke für deinen Bericht. Er war so schön zu lesen, was für eine traumgeburt! Ich hatte beim lesen Gänsehaut. Alles Glück der Welt für eure Zukunft.

8

Danke. Meine kidis sind alle bis auf ein auch zu Hause auf die Welt gekommen.
lg helen