Entschädigende Geburt von Wunder Nr. 2

Ihr lieben,

damals habe ich hier meinen ersten Geburtsbericht veröffentlicht, die Geburt war schwierig und ich habe damit lange gekämpft - eigentlich bis vor ein paar Tagen, als meine zweite Geburt dem Trauma ein Ende bereiten sollte.

Dienstag, 26.7.2016, 40+1 - ich habe akzeptiert, dass ich für immer schwanger sein werde. Morgen geht es wieder zum CTG, es hat sich noch NICHTS getan und der Befund ist geburtsunreif. Der Bauchzwerg ist extrem munter, und ich glaube nicht mehr daran, dass er irgendwie von ganz alleine auf die Idee kommt sich auf den Weg zu machen. Wir machen einen Großeinkauf, ich putze den gesamten Kühlschrank und freue mich wie sauber und ordentlich er danach ist. Es ist endlich nicht mehr so heiß und heute ist der erste Abend, an dem wir nicht alle total verklebt das Bedürfnis haben, einmal in die Wanne zu hüpfen. Irgendwie wird es Abends spät, und ich habe auch gar keine Lust mehr irgendwas in diese Richtung zu unternehmen. Nagut, ich hab mir schon das Gesicht gewaschen und die Zähne geputzt. Mein ungeduschtes Dasein verleitet mich zu ein paar Witzen "heute mal nicht geduscht - bestimmt kommt er jetzt!" - hahaha. Wahrscheinlich hat er sich daraufhin so etwas gedacht wie: "Hach, Mama, wenn du wüsstest wie Recht du hast! Aber nun geht erstmal schön ins Bett, ich lass die Bombe später platzen ...". Um 20 Uhr jage ich mir mein Heparin in den Speck. Ein Fehler, wie ich später denke. Um 23 Uhr liege ich im Bett, und lese friedlich ein Buch, als die erste Wehe mich besucht. So ganz ernst nehme ich das noch nicht, und lese einfach weiter. Nebenbei tippe ich ein paar Nachrichten mit dem Handy, mein Mann schnarcht friedlich, der Große schlummert ebenfalls. Gegen Mitternacht wird es dann doch etwas seltsam ...

Mittwoch, 27.7.2016, 40+2 - ich fange an mich regelmäßig zu krümmen, und als ich begreife, dass es sich wirklich wahrhaftig um Wehen handelt wird mir etwas schlecht - oh nein, jetzt muss ich ein Kind auf die Welt bringen. Aber er soll raus, er darf raus, ich möchte dass er da raus kommt. Also löse ich als erstes den Knoten in meinem Kopf. Nicht krümmen, locker lassen, jede Wehe ist eine gute Wehe, eine Wehe die einmal da war kommt nie wieder, jede Wehe hilft. Wehenabstand: 3-5 Minuten. Ich tippe weiter Nachrichten mit dem Handy, meine liebe Freundin fordert mich auf meinen Mann zu wecken. Ich möchte erstmal duschen... Auf dem Weg zur Dusche entscheide ich mich um, und folge ihrem Rat. Dreimal muss ich ihn wecken, bis er den Ernst der Lage einigermaßen erkennt. Ich rufe meine Mama an, irgend jemand muss ja den Großen hüten. Sie hat kein Auto da, also schicke ich meinen Mann um sie abzuholen. Als er die Tür hinter sich zumacht, finde ich es schon etwas unheimlich so ganz alleine mit den Wehen, die ich schon veratmen muss, und Maritz. Also gehe ich ins Bad und wasche mich, ziehe mich um, mache mir die Haare und schminke mich. Irgendwas muss ich ja tun - die Kliniktasche steht bereit. Fünfzehn Minuten später sind Mann und Mama da, ich gebe ihr noch kurze Anweisungen für Maritz, schlucke einmal weil ich ihn einfach so mitten in der Nacht zurück lasse und wir machen uns zu Fuß auf den Weg in die Klinik. Ein Glück, dass die grauen Mülltonnen draußen stehen, so kann ich alle paar Meter diese fiesen Wehen veratmen. In meinem Kopf weiter das Mantra: Nicht krümmen, locker lassen, jede Wehe ist eine gute Wehe, eine Wehe die einmal da war kommt nie wieder, jede Wehe hilft. Um 1:50 Uhr klingel ich an der Kreißsaaltüre und sage "Hallo, hier ist die Frau eins, mein Kind möchte raus!". Eine zuckersüße Hebamme öffnet uns die Tür, fragt zwei, drei Dinge und schlussfolgert: Da machen wir kein großes Tara mit Aufnahme und Wehenzimmer, ab in den Kreißsaal. In meinem Kopf daraufhin viele Fragezeichen. Und viele Ausrufezeichen!!!

Da sind wir also nach knappen 19 Monaten wieder in einem Kreißsaal. In einem anderen, in einer anderen Klinik, mit einer wunderbaren Hebamme. Muttermund 3-4 cm sagt sie, nur noch ein bisschen weit hinten, aber er liegt ja schon so tief, das sei großartig. Hä? Muttermund? Geht auf? Kind liegt tief? WANN IST DAS PASSIERT? Jetzt geht es Schlag auf Schlag, der Wehenabstand liegt nur noch bei einer knappen Minute, ich werd' kurz etwas verrückt und muss heulen. Schnell reiße ich mich zusammen, das Mantra wieder in den Kopf, nicht verkrampfen, weiter atmen. Puh. Ein Wehensturm sucht mich heim, bald verliere ich den Verstand, ganz bestimmt, ICH SCHAFFE DAS NICHT! Die Hebamme redet mit der Änasthesie, ob das mit der PDA nicht doch irgendwie geht. Es ist jetzt 3 Uhr. Der nette Herr kommt höchstpersönlich vorbei um mir zu berichten, dass ich das ohne PDA regeln muss. Er hat Mitleid mit mir, weil seine Nachricht mir ein paar Tränen beschert, spricht also nochmal mit seiner Kollegin. Bringt nix, sie sieht das genauso. Ich denke: OH GOTT! Das wird die Hölle, ich muss wieder einmal sterben, wie schon bei Maritz Geburt. Wie oft kann ein Mensch denn sterben? Dann ertönt die Stimme der Hebamme "Frau Eins, keine Panik, Sie schaffen das, er ist doch schon bald da!" "Bald da? WIE BALD DA?". Mich ereilt ein kleiner Panikanfall und ich denke schon an die Situation nach der Geburt: Wie ist das mit der Näherei, so ohne PDA? Dann wieder diese nette Stimme "Merken Sie denn einen Druck?" "Ja, ja, JA verdammt, Druck, Schmerz, alles Scheiße, macht euren Mist alleine, ich mach das nicht!" ... sie tastet, ich möchte sie erschlagen, überlege es mir aber anders ... "Doch, doch, das müssen Sie jetzt, der Kleine WILL DA JETZT RAUS! Ich rufe mal den Arzt zur Geburt." "Wäh? Geburt? Bin doch gerade erst angekommen, wir hatten besprochen, dass ich nach einer halben Stunde CTG nochmal auf Toilette gehe und so ..." "Bei der nächsten Wehe dürfen sie pressen!" "Press...??" Wehe kommt. Ich presse, habe keine PDA - was ein Glück, ich weiss GANZ genau wo ich hin pressen muss. Was für ein Gefühl, bei Maritz hatte ich keine Ahnung. Ich nehme nochmal alle meine Kratf zusammen, von der ich zum Glück diesmal noch genug habe, und folge konzentiert den Ansagen der Hebamme. Nach zwei Presswehen, in denen ich jeweils dreimal ordentlich presse, ist der Kopf gebohren. Himmelarschundzwirn, bitte, lieber Gott, schick mir die nächste Wehe, sonst verbrennt mir alles. Oder zerspringt, oder was auch immer. Gott sei Dank, sie kommt, ich presse.. einmal, zweimal, dreimal .. und.. fladderadatsch, unser Wunderbaby ist geboren! Sofort bekomme ich ihn auf den Bauch gelegt, er ist ganz warm, nass, glitschig und blau. Es ist 3.52 Uhr. Er quietscht, schreit aber gar nicht. Alles gut, versichern mir Arzt und Hebamme. Mein Mann darf unsere Verbindung trennen und kappt die Nabelschnur. Ich starre das kleine Bündel an, und ... verstehe mal wieder überhaupt nix. Seufz, hallo, wo bleibt die Glockenmusik, der Konfettischauer, die Fanfaren, die überwältigende Liebe und so? Also, es geht uns nicht schlecht, die Stimmung ist prima, ich mache ein paar Scherze, wir filmen und fotografieren. Ich rede mit dem Wunderbaby, betrachte seine kleinen Finger, kühle meine Stirn mit einem kalten Waschlappen und bin glücklich, glücklich und stolz, es geschafft zu haben. Entschädigt für den ersten Geburtsalbtraum. Ich frage den lustigen Arzt, wieviel Metzgerarbeit wohl nötig sei. Er sagt, geht so, wir sollen erstmal schön kuscheln. Das Wunderbaby sucht, ich lege ihn an, die Hebamme schaut kurz und entschwindet gemeinsam mit dem Arzt. Irgendwann sind alle wieder da, ich werde genäht, das Wunderbaby gewogen und vermessen, ich darf in mein Bett umziehen und werde zusammen mit Mann und Kind in einen anderen, gemütlichen Raum gefahren, wo wir noch zwei Stunden gemeinsam verbringen dürfen, bevor wir auf Station gebracht werden.

"Es ist so 'ne Sache mit den Wundern,
erst komm'n sie nicht,
dann überfall'n sie dich.
Du brauchst dich nicht zu wundern,
Wunder fragen nicht, sie fragen nicht..."

3.750 gr
56 cm
37 cm KU

Eines steht fest: Mit dem Thema Geburt bin ich versöhnt, und darüber bin ich sehr glücklich. Und ich bin auch ein klitzekleinesriesiges bisschen stolz auf mich, ich hätte nicht gedacht, dass ich es schaffe, mich so auf die Geburt einzulassen und alles zu meistern. Diesen Beitrag habe ich mit Dauergeschrei im Ohr getippt, und bin jetzt wirklich müde. Das Geschrei hält aber noch an, also drückt mir die Daumen, dass wir bald alle schlafen können.

Ich wünsche allen die es noch vor sich lügen haben eine tolle Geburt!

Liebe Grüße

jada mit zwei Jungs (19 Monate und 5 Tage) und riesigem Schlafmangel

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Toller Bericht - toll geschrieben! Ich hoffe bei mir läuft es ähnlich! War mit der ersten Geburt auch nicht "zufrieden". KS nach Geburtsstillstand!

Wünsche euch weiterhin eine schöne Kennenlernzeit und alles Gute!

Und das der Schlafmangel bald aufhört. #klee

4

Ich wünsche es dir von Herzen! Alles gute für die Geburt :).

2

Sehr schön geschrieben, musste oft schmunzeln. Klingt fast wie eine Komödie in Buchform:)

Warum war deine erste Geburt traumatisch für dich wenn ich fragen darf?

Alles liebe für euch :)

3

Danke :). Ich habe das damals auch alles hier geposted, finde es aber leider nicht mehr. Du kannst aber auch hier nachlesen: https://einspluseinsgleichnull.wordpress.com/2014/12/ - es sind vier teile.

Liebe Grüße
jada

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Alles Liebe zu eurem 2ten Wunder !
Ein toller Bericht, eine frage habe ich allerdings....
Wie war das denn jetzt mit der Näherei, ohne PDA ?

Lg

6

:D wurde betäubt, hat etwas gepiekst, schlimm ist aber anders ;-).

Danke dir!

7

Was für ein toller sympathischer Bericht. Herzlichen Glückwunsch dazu und zum Baby natürlich auch!