Mein langer Bericht einer schnellen Geburt

Geburtsbericht von Karlchen

Am 1.2.11 kam um 00:12 Uhr unser Karlchen 5 Tage über ET auf die Welt.
Die Geburt in Stichworten: Viele Senkwehen und Kontraktionen ab der 39.SSW, „richtiger“ Wehenbeginn am Tag ET+4 nachmittags, Fruchtblase geplatzt am ET+5 um 18 Uhr, Krankenhaus um 19 Uhr, PDA um 21 Uhr, MM vollständig um ca. 23:30, Pressen ab 23:45 Uhr, Dammschnitt und Saugglocke, Karlchen erblickt das Licht der Welt um 00:12 Uhr.

Daten:
Gewicht: 3060g
Größe: 50cm
KU 34 cm

Im Einzelnen:
Der rechnerisch ermittelte ET war der 31.1., sonographisch ergab sich in der 20. SSW allerdings der 27.1.11. Nachdem ich ab der 18. SSW immer wieder mit vorzeitigen Wehen und Rückenschmerzen zu kämpfen hatte, war ich sehr sicher, dass sich unser Kind schon früher auf den Weg machen würde.
Die Schwangerschaft verlief einigermaßen komplikationsfrei, wenn man von den Wehen und einem Gestationsdiabetes, den ich diätetisch behandelte, absieht.
Die Wochen vergingen und ab der 34. SSW verschwanden sogar die vorzeigen Wehen. Nachdem ich dachte, dass unser Kleiner es eilig haben würde, tat sich nun bis zur 38. SSW nichts mehr. Inzwischen hatte ich schon ziemlich die Nase voll von der Schwangerschaft. Ich wollte gerne wieder normal essen (Schokolade in Massen, Chips, Kuchen, Kaffee mit viel Zucker – normal eben), mich frei bewegen (wer muss sich schon alleine die Schuhe zubinden?!) , Sport machen (Spo… was?!) und schlafen – seit Wochen hatte ich mit Schlafstörungen zu kämpfen, musste 3-5 mal in der Nacht zur Toilette und fühlte mich bei jeder Bewegung wie ein gestrandeter Wal.
Irgendwann zwischen der 38. Und der 39. SSW bekam ich dann in sehr weiten und unregelmäßigen Abständen Senkwehen, die aber kein bisschen schmerzhaft waren. Ich hatte einfach nur gelegentlich einen harten Bauch.

An einem Abend 2 Wochen vor ET traten diese Wehen plötzlich ganz regelmäßig auf. Doch von einem baldigen Geburtsbeginn keine Spur, der ganze Spuk war 1 Stunde später wieder vorbei.
Eine Woche später am ET – 6 löste sich der berühmte Schleimpfropf – ein seltsamer schleimiger, transparenter und teils blutiger Klumpen. Ich dachte nun, dass es nun wirklich bald losgeht, doch schon wieder hatte mich getäusch und die Tage vergingen ohne ein Wehchen.

Bei dem nächsten FA-Termin und bei der Untersuchung durch meine Hebamme zeigte sich, dass die Cervix sich auf 2 cm verkürzt und der Muttermund gering geöffnet hatte, außerdem saß das Köpfchen schon sehr tief im Becken. Irgendwann packte mich die Neugier und ich tastete selbst nach dem Köpfchen und war erstaunt, am Ende des Zeigefingers das harte Köpfchen meines Nachwuchses zu spüren. Es war faszinierend. „Die Geburt wird schnell gehen“ meinte meine Hebamme.

Die Senkwehen wurden im Laufe der zäh vergehenden Tage deutlicher und häufiger und immer wieder musste ich im Alltag Wehen veratmen. Sie taten noch nicht wirklich weh, waren aber unangenehm. Ich hoffte, dass es nicht mehr lange dauert, doch der Kleine ließ sich nach wie vor Zeit. Ich fing an, diverse angeblich wehenauslösende Dinge zu versuchen: Scharfe Pepperoni an jedem Gericht, ein ekliges Ingwer-Zimt-Nelken-Gebräu, „Kuscheln“, die heiße Badewanne. Während ich in der Badewanne lag, redete ich dem Zwerg, in der Hoffnung, dass er vielleicht schon auf seine Mutter hört, gut zu. Nun ja, er hörte nicht – so jung und schon so verzogen.

Der ET verging und im CTG sah man nicht den Hauch einer Wehe.
Doch am ET + 3 ging es dann tatsächlich los. Das war mir in dem Moment allerdings nicht so klar. Ich hatte zwar wieder Wehen, die auch stärker waren als die üblichen Senkwehen. Aber die Schmerzen waren erträglich und die Abstände zwischen den Wehen noch sehr weit. Ich war eigentlich eher genervt, weil ich nicht mehr richtig sitzen und stehen konnte und ich mich wahnsinnig eingeschränkt fühlte. Die Nacht verlief wie immer sehr unruhig und ich hatte in unregelmäßigen Abständen Wehen. Um halb fünf wurde ich wach, weil die Schmerzen stärker wurden und regelmäßig alle 10 Min auftraten. Natürlich war dann an Schlaf nicht mehr zu denken und ich tigerte aufgeregt im Bad auf und ab und wartete, ob die Wehen häufiger werden. Irgendwann legte ich mich wieder ins Bett und sagte meinem Mann Bescheid. Wir entschieden uns, noch zu warten. Inzwischen musste ich die Wehen veratmen, doch war das ein Spaziergang im Vergleich zu dem, was noch kommen würde. Gut, dass man manche Dinge vorher nicht weiß.
Gegen 6 Uhr morgens rief ich in der Klinik an, wo man mir sagte, ich könnte kommen, wenn die Wehen alle 5 Minuten auftreten. Also entschied ich mich zu schlafen, was mir erstaunlicherweise auch gelang. Um neun Uhr wachte ich auf und alle Wehen waren wie fortgeblasen.
Ich hatte dann um 11:30 noch einen Termin zum CTG in dem KH, in dem ich auch entbinden wollte. Auch dort glich die Wehenkurve eher einem Blick über die Niederlande, als einem Panorama des Himalaya, weshalb wir uns entschieden, wieder nach Hause zu fahren. Kaum zu Hause, waren die Wehen wieder da – klar, oder? Wir aßen noch gemütlich, ich ging baden und wir schmissen uns vor den Fernseher. Die Wehen kamen alle 20 Minuten und nahmen deutlich an Intensität zu. Instinktiv stützte ich mich in immer skurrileren Positionen auf beliebigen Möbelstücken auf und veratmete die Wehen immer hefiger. Doch schlimm fand ich das alles noch nicht, außerdem dachte ich, die Wehen würden sowieso wieder verschwinden. Da hatte ich allerdings falsch gedachte. Denn als wir uns um 17:30 Uhr zum Fernsehen ins Bett legten und ich an meinen Mann gekuschelt die Wehen bekämpfte, machte es plötzlich bei einer kräftigen Wehe ein fieses „POCK“ in meinem Bauch. Es fühlte sich an, als sei ein riesiger Ballon in mir geplatzt. Mein Mann hatte geistesgegenwärtig ein Handtuch gepackt und mir zwischen die Beine gestopft, als es schon anfing zu laufen.
Mit einer dicken Binde in der Hose und auf einer Plastikplan sitzend heizten wir mir 200 Sachen über die Autobahn zum 50 km entfernten Krankenhaus. Erst alle 8 Minuten, dann alle 6 Minuten wurde ich von einer Wehe übermannt. Sie wurden kräftiger und ich klammerte mich, inzwischen immer lauter stöhnend und tönend an den Haltegriff über der Tür. Doch empfand ich auch das noch nicht als Belastung, denn zwischen den Wehen ging es mir sehr gut. Das sollte sich bald ändern…

In der Klinik angekommen wurde ein CTG geschrieben, das auch wunderschöne Wehen aufzeichnete. Ich spürte immer an einem ganz fiesen Ziehen im Rücken, dass die nächste Wehen im Anmarsch ist. Mein Mann und ich blödelten uns noch durch die erste Stunde, indem ich für jede überstandene Wehe ein Belohnungsküsschen bekam. Doch irgendwann verging mir das Lachen und ich konnte meinem Mann lediglich mit einem Zeigefinger vor den Lippen deuten, dass es nun an der Zeit ist, still zu sein. Reden empfand ich inzwischen als Qual und ich stöhnte immer lauter. Zwischen 20 und 21 Uhr wurden die Wehen so heftig, dass ich verzweifelte. Ich wusste nicht, dass man solche Schmerzen haben kann und bei jeder beginnenden Wehe versank ich in einer Art Dunkelheit, in der ich um mich herum nichts mehr wahrnahm. Meine Hände krallten sich instinktiv in alles, was mir zu nahe kam und hatte ich nichts zu Greifen, paddelte ich mit den Armen wie ein ertrinkendes Kind. Dazu gesellte sich Übelkeit und Herzklopfen – letzteres wohl eher als Resultat einer falschen Atmung, da ich es nicht mehr bewerkstelligte, mich zwischen den Wehen zu entspannen.
Der Untersuchungsbefund ergab, dass sich der Muttermund lediglich leicht geöffnet hatte. Als ich dies hörte, wollte ich nur noch weinen, da ich mir nicht vorstellen konnte, die Schmerzen weiter zu ertragen. Da ich kein schmerzempfindlicher Mensch bin, wundere ich mich selbst, wie wenig ich den Wehenschmerz ertragen konnte. Doch klar- die eigenen Wehen sind immer die Schlimmsten, oder? Irgendwann bekam ich einen venösen Zugang gelegt und erhielt eine Infusion mit Tramal und Buscopan – ersteres ein eigentlich sehr potentes Schmerzmittel, letzteres um das Gewebe weicher zu machen und den Muttermund zu öffnen. Das Schmerzmedikament war in dem Fall so wirksam wie ein Tablettchen Aspirin bei einer Oberschenkelamputation.

Ich entschied mich dann für eine PDA, unterschrieb mehr blind und schmerzgeplagt die Aufklärung (da ich selber Ärztin bin, wusste ich allerdings über die Risiken und Nebenwirkungen Bescheid) und danke der modernen Medizin für diese Erfindung. Ohne sie könnte ich heute nicht mit positiven Gefühlen auf das Geburtserlebnis zurückschauen.
Dem freundlichen Anästhesisten, der mir die Hand zur Begrüßung geben wollte, wäre ich fast ins Gesicht gesprungen: Wie konnte er mich ansprechen, wenn ich gerade eine Wehe bestöhne und mich an den Infusionsständer hänge?! Nach der Wehe gab ich ihm ebenfalls freundlich die Hand, entschuldigte mich für meine Unhöflichkeit und bettelte ihn um einen Kaiserschnitt an. Die Antwort konnte nur ein Mann geben: „Naja, nur wegen Schmerzen machen wir noch keinen Kaiserschnitt.“
„NUR WEGEN SCHMERZEN? Mir fährt eine glühende Dampfwalze durch den Unterleib und walzt meinen Uterus samt darin befindlichem Kind und angrenzender Wirbelsäule platt, und Sie sagen NUR?!“ schrie ich ihn in Gedanken an. Heraus kam aus meinem Mund nur ein langgezogenes „ooooooooooooohhhhhhhhhhhhhhhh“, weil die nächste Wehe mir einen Strich durch die Rechnung machte. Also mit Tippelschritten auf in den Kreissaal, ich erwartete mit Freude die PDA.
Mit einer angeborenen Herzrhythmusstörung gesegnet musste ich beim Legen der PDA allerdings wegen der Nebenwirkungen auf einen Wehenhemmer verzichten, so dass mich eine vollbusige Hebamme in ihren Griff nahm und mein Gesicht zwischen ihre Brüste drückte. So wagte ich nicht, mich weiter zu bewegen und packte lediglich noch die Hand meines Mannes, um sie zu zerquetschen.
Bis die Wirkung einsetzte, dauerte es allerdings eine Weile, weil man das Medikament sehr vorsichtig hochtitrierte. Nach weiteren 30 Minuten war ich dann weitestgehend schmerzfrei – was für eine Erleichterung. Es drückte zwar noch ordentlich, die PDA wirkte rechts außerdem mehr als links, ich musste nach wie vor die Wehen veratmen und meinem Mann die Hand zerquetschen, aber ich konnte zwischen den Wehen entspannen und sogar wieder Wasser trinken.
So dümpelte ich durch die nächsten zwei Stunden, bis eine neue Hebamme kam und mich untersuchte. „Muttermund fast vollständig“. Ich: „Wie vollständig?! Hat sich etwa nichts getan?!?“
Ich war so durcheinander, dass ich nicht mehr verstand, was die Hebamme mir sagen wollte. Als ich erfuhr, dass der Muttermund bei ca. 9 cm steht, hätte ich jubeln können. Das ging schnell!
So durfte ich dann auf das Kreißbett umziehen und mich seitlich legen. Bei jeder Wehe hängte ich mich an das Tuch, das von der Decke hing – es war traumhaft! Warum hatte ich nicht schon früher so ein Tuch gehabt?! Inzwischen hatte die Wirkung der PDA deutlich nachgelassen und ich spürte wieder die Naturgewalt der Wehen. Jedoch hatte ich jetzt die Atemtechnik gut drauf und ich hatte ja das tolle Tuch. Ich denke inzwischen, dass ich die Wehen unmittelbar nach dem Blasensprung auf diese Weise besser überstanden hätte.
Plötzlich wurde es hektisch um mich herum: Bei jeder Wehe fielen die Herztöne meines Würmchens rapide in den Keller. Meine PDA wurde aufgesättigt und man fragte mich, ob ich Pressdrang verspürte. Dem war jedoch dank PDA nicht so, daher schlug ich vor, einfach so bei jeder Wehe zu pressen. So sollte es also sein. Ich presste mir die Seele aus dem Leib, mein Kopf schien zu platzen, 4 Hände werkelten in meinem Allerheiligsten herum (es hätten in dem Moment tausende sein können, es war mir egal) und ein 100-Kilo-Oberarzt schmiss sich mit all seinem Körpergewicht auf meinen Bauch, dass ich dachte, er wolle meine Wirbelsäule von vorne durch das Bett in das darunterliegende Stockwerk befördern. Durch den gewaltigen Druck prustete ich meine ganze Luft aus, dass die Speicheltröpfchen sich wie ein zarte Frühlingsregen auf seiner Kleidung verteilten. Die Hebamme feuerte mich an: „JA, SCHÄTZCHEN, PRESSEN!!!“ Nach fünf Wehen und etwa 25 Minuten war das Köpfchen unter Zuhilfenahme des Skalpells und der Saugglocke da. Kurz darauf folgte der winzige Körper und ich spürte, wie mein Bauch in sich zusammenfiel. Der kleine Mann wurde abgesaugt und mir auf die Brust gelegt. Schwer atmend liefen mir unkontrolliert die Tränen und ich konnte nur immer wieder „das gibt’s doch nicht“ stammeln – das Gefühl war unbeschreiblich, unser Wurm war da!
Während der Oberarzt mich zusammenflickte (und mich dabei meiner rechten kleinen Labie beraubte) , hatte ich nur Augen für das kleine Wesen.
Fazit: Es war nicht ohne, aber ich würde wieder normal gebären. Wenn das Baby da ist, erlebt man unbeschreibliche Glücksgefühle. Nur auf den extremen Wehenschmerz, die Wundschmerzen der Dammnaht (die mir 1 Woche später noch etwas aufging), den Wochenfluss und die Strapazen könnte ich verzichten. ;-)

Danke fürs Lesen des ellenlangen Berichtes und alles Gute für eure Geburt!

Liebe Grüße, ricky+Würmchen




1

Hallo,

danke, für diesen tollen Bericht.

Eine schöne Kennenlernzeit!

vg, m.

2

ich denke auch, egal welche strapazen man ausgehalten hat, die glücksgefühle beim anblick seines babys sind unbeschreiblich.
;-)
euch eine schöne kennenlernzeit

3

Es gibt solche Berichte und solche... Deinen habe ich mit viel Freude und Spannung gelesen, toll geschrieben!

Euch alles Gute!

4

Vielen Dank, das höre ich natürlich gerne!
Dir ebenfalls alles Liebe!

5

Herzlichen Glückwunsch zu Eurem "Würmchen" und vielen DANK für diesen wunderbaren Bericht!!!!#liebdrueck

Ganz liebe Grüße
tina309