Alle Möglichkeiten ausgeschöpft

Hallo,

ich komme gerade wieder aus einer eskalierten Situation mit meinem Sohn.
Letztlich lief es wieder so wie es immer läuft.
Er legt Fehlverhalten an den Tag.
Wir (mein Mann und ich) müssen regieren (Geschwisterkind wurde mit Ball verletzt) und
er fühlt sich ungerecht behandelt.

Grundsätzlich besteht dieses Problem seit nunmehr ca 5 Jahren.
Er kann keine Schuld eingestehen und schiebt alles von sich.Alle anderen sind Schuld und er verhält sich stets korrekt.
Final flippt er dann völlig aus und schreit im Haus/Garten rum.
Verständlich, wenn man von sich selbst denkt, richtig zu Handeln und die anderen die Schuldigen sind.

Im vergangenen Jahr besuchten wir eine Kinderpsychologin und die Erziehungsberatung.
Sie alle meinten immer nur reden, reden, reden.Erklären und nochmals erklären.
Sich mit ihm auseinandersetzen Tag für Tag.
Und immer wieder verzeihen, verzeihen, verzeihen.

Es gibt Phasen in denen wir besser klar kommen.
Aktuell ist es wieder sehr schwierig.
Ich sag’s wie es ist: ich bin ausgelaugt. Völlig am Ende. Die anderen beiden Kinder bleiben dabei auf der Strecke und ich habe ihnen gegenüber Schuldgefühle.

Hinzu kommt seine Erwartungshaltung an uns.
Behandeln wie einen knapp 11-jährigen, aber den Pflichten nicht nachkommen.
Pflichten im Sinne von: Schulsachen richten, eigenen Müll weg räumen. Auch mal für alle decken und nicht nur für sich selbst.
Alltägliche Dinge eben.

Mein Mann und ich begegnen ihm völlig ruhig. Spiegeln bzw reflektieren sein Verhalten.
Das macht ihn nur noch wütender und er macht völlig zu.
Auch Pausen zwischen Ereignis und Konfrontation helfen nichts.
Er kommt nicht runter und bleibt abwehrend.

Er hat uns nichts zu sagen und möchte in Ruhe gelassen werden.So seine stetige Antwort.

Aber wehe man hat mal für ihn nicht sofort Zeit um Dinge zu diskutieren. Dann können wir uns zusätzlich was anhören.

Ich habe keine Energie mehr mich zu erklären. Die Lernkurve der letzten fünf Jahre ist gleich null. Ich wiederhole in der Endlosschleife und weiß selbst, dass es nichts mehr bringt.

Aber ich kann ihn ja nicht völlig ignorieren und „laufen lassen“.

Ich habe Angst, dass er abdriftet und am Ende da sitzt und aller Welt die Schuld gibt an seinem Leben, welches aktuell Zitat von eben: „beschissen ist“

Ich bin ratlos

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Das ist eine komplizierte Situation und ich kann natürlich nie Annahmen aufstellen. Es klingt nach einem Teufelskreis, in dem ihr sehr oft verärgert auf euren Sohn reagiert (verständlicherweise), aber bewusst ruhig und sachlich bleibt. Er merkt aber, dass diese Ruhe nicht authentisch ist und fühlt eine Distanz zu euch. Er weiß, je krasser ich mich verhalte, desto eher bekomme ich eine echte Reaktion zu sehen. Gleichzeitig will er nicht der böse sein und gesteht sich und anderen nicht ein, dass sein Verhalten nicht okay ist. Ich denke letzteres ist nicht Ignoranz, sondern Selbstschutz.

Falls ihr mit dieser Rückmeldung irgendwas anfangen könnt, würde ich das Buch "Aggression" von Jesper Juul empfehlen. Wenn nicht, hoffe ich, dass ihr noch sinnvollere Rückmeldungen bekommt.

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Vielen Dank.Das Buch werd ich mal anschaffen.

Sicher ist die ein oder andere Ruhe trügerisch und er identifiziert sie auch als solche.
Dennoch frage ich mich grundlegend wann es zu einem Lernprozess kommt.
Ich bemühe mich so sehr um ihn.
Erkläre, zeige auf, beschäftige mich mit ihm gemeinsam und setze mich auch nur mit meinem Mann zusammen und versuche etwas zu verbessern.

Ich war bei sämtlichen Anlaufstellen in der Umgebung. Er ist ein normaler Junge mit eben mehr Gesprächs- bzw Erklärbedarf.

Vor dem erneuten Lockdown hatte ich auch aus der Schule die Rückmeldung dass er nichts eingesteht und immer andere Schuld sind.

Wenn ich nun weiter denke, an die kommenden Jahre der Pubertät und Co, mir wird elend.

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Wenn es blöd läuft, dann ändert sich in den nächsten Jahren nichts. Mein Sohn ist jetzt 15 und er ist genauso wie deiner. Alle anderen sind schuld und er macht alles richtig. Er verweigert seit März 2020 die Schule und wird aggressiv, wenn wir ihm PC spielen verbieten oder er sein Handy nicht bekommt. Wir sind mittlerweile soweit, daß wir nicht mehr können und er in eine Wohngruppe kommt. Er war jetzt auch drei Monate in der Jugendpsychiatrie, da lief es ganz gut, aber kaum wieder zuhause alles wie vorher, eher schlimmer.
Die Ärzte haben auch eine Wohngruppe empfohlen, mal schauen wie das wird.

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Hallo,

Hast Du mal versucht ihm schriftlich Anweisungen zu geben? Also einfach mal eine To-Do-Liste mit exakter Beschreibung was er machen soll, am besten zum Abhaken? Dann nimmst Du die Emotionen raus, vielleicht überfordert ihn das. Wenn er es annimmt unbedingt loben und zeigen dass man sich freut.

LG
Sunny

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Ja, haben wir.
Wir haben diese Liste/Listen auch immer wieder angepasst bzw. aktualisiert.
Es passiert nichts.Er sitzt davor und sagt „habe ich vergessen“
Ich denk, er möchte einfach nicht.

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Hallo 👋

Habt ihr vll mal über ein Tokensystem nachgedacht? Wenn er eine Aufgabe erledigt hat gibt es einen Punkt/Stern/Smilie oder was auch immer. Wenn er eine gewisse Anzahl hat gibt es eine Belohnung. Das kann eine kleine Taschengeld-Aufbesserung sein oder oder ein Ausflug. Er merkt, dass seine Bemühungen gesehen und wertgeschätzt werden und hat einen Anreiz es zu erledigen.
Normalerweise würde ich sagen, dass es eigentlich selbstverständlich sein sollte, manche Dinge zu tun, aber außergewöhnliche Falle erfordern manchmal außergewöhnliche Maßnahmen. Vielleicht könnt ihr so erst mal den Druck abbauen.
Evtl könntet ihr auch Punkte geben, wenn eine Phase ohne Streit und Schuldzuweisungen seinerseits vergangen ist. Anfangs wird er sich vll nur auf die Zunge beißen und sich seine Sachen denken, um den Punkt zu bekommen. Aber vielleicht führt es mit der Zeit auch dazu, dass er langsam zum Nachdenken kommt?

Das war mein erster Impuls. Ob es zu euch passen könnte müsst ihr selbst überlegen 😉

Alles Gute 🍀🍀🍀

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Liebe TE,

hat dein Sohn einen strukturierten Tagesablauf? Macht er genügend Sport? Hat er eine Diagnose (z.B ADHS)?

Es gibt ein Buch von Castaneda : https://uk-couch.de/produkt/keine-alternative-haben-zu-herausforderndem-verhalten/

Vielleicht mal Kucken ob das für euch geeignet ist.

<<<Final flippt er dann völlig aus und schreit im Haus/Garten rum<<<
Dann schick ihn lieber gleich in den Garten zum Ausstinken. Rausgehen und die Wut rauschreien finde ich völlig ok, wenn der dann wieder entspannter reinkommt.

LG und gute Nerven
Hinzwife

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Hallo,

ja, er hat eine ordentliche Tagesstruktur.
Er spielt Handball im Verein.
Bei Besuch von Freunden spielen sie ausgiebig Fußball im Garten.

Medien werden bei uns nur selten unter der Woche genutzt.Wenn dann nur eine halbe bis eine Stunde.
Auch das ist großer Diskussionspunkt.
Jeder kann sich diese Zeit verdienen.Schafft er natürlich nie und spätestens wenn die anderen beiden Geschwister ihr ausgewähltes Medium nutzen, ist Ende und er pöbelt.
Verdienen heißt bei mir in diesem Fall lediglich:
-Brotbox in die Spüle
-Trinkflasche ebenso
-Schultasche und Jacke nicht mitten in meinen Weg stellen.

Das nur so als Beispiel. Ich würde sagen, ich verlange nichts utopisches.

ADHS schließen Psychologin und Erziehungsberatung völlig aus.

Ich kommuniziere auch die Wichtigkeit meiner Anliegen und stelle dem die Erfüllung seiner Prioritäten gegenüber. Lebe ihm stets Gemeinschaft vor und dass es wichtig ist, in der Familie auf den anderen einzugehen und Rücksicht zu nehmen.

Vielen Dank für deinen Literaturtipp. Das schau ich mir mal an.

LG

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Auch negative Aufmerksamkeit ist Aufmerksamkeit.
Passt der Satz bei euch?

Redet ihr? Oder setzt ihr auch Konsequenzen ein? Kannst du noch dazu sagen was ihr schon alles probiert habt?

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Wie alt sind denn die anderen Kinder? Hat er das Gefühl dazu zu gehören? Es liest sich für mich wie Aktion-Reaktion. Er macht etwas Falsches und schwups, hat er eure volle Aufmerksamkeit und wenn es Negative ist. Diesen Kreis würde ich durchbrechen. Versucht nur im Notfall auf Fehlverhalten zu reagieren. Lobt ihn so viel wie möglich. Am Anfang wird es das negative Verhalten noch steigern. Er wird irritiert sein. Zwingt euch nicht zu reagieren, auch wenn es schwer fällt. Greift präventiv ein, so dass er erst gar nicht verletzen kann. Es wird einige Zeit dauern. Euer Sohn hat sich ein Muster angewöhnt. Ihr könnt es ändern. Konzentriert euch auf seine positiven Eigenschaften und Ressourcen. Das bedeutet nicht, dass ihr keine Grenzen setzt. Er kennt eure Regeln und er braucht klare Ansagen. Kein Diskutieren mehr, kein Erklären.

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Hey,
ich würde es mit einer klaren Ansage versuchen, wenn er mal einen guten Tag hat. Und zwar ungefähr so: „Du bekommst Aufmerksamkeit und Belohnung nur noch bei positivem Verhalten. Erledigst du deine Aufgaben nicht, gibts keine Extras. Fängst du an zu diskutieren oder dich aufzuregen gehst du bitte in dein Zimmer, ansonsten werden wir gehen. Wir müssen nicht mit dir diskutieren. Hast du dich beruhigt, kannst du wiederkommen.“
Er muss einfach lernen, dass er mit negativen Verhalten nichts aber auch gar nichts erreicht. Das wird für euch schwierig auszuhalten anfangs. Aber es müsste mit der Zeit besser werden. Das negative Verhalten soll gelöscht werden und das geht nur, wenn er dafür nicht so viel bzw gar keine Aufmerksamkeit erhält.
LG

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Das kingt alles sehr, sehr anstrengend für alle Beteiligten.

Nur bei einer Sache bin ich mir sicher: Dein Kind möchte das tun, was ihr wollt. Er möchte geliebt werden. Er macht mit sehr großer Sicherheit nicht absichtlich das Gegenteil von dem tun, was ihr von ihm möchtet. Die allerallerrallermeisten Kinder und Jugendlichen möchten gefallen und nicht Ärger machen. Sie versuchen fast immer, den Erwartungen an sie zu entsprechen. Wenn diese Erwartungshaltung authentisch letztlich "Du machst ja eh wieder nur Ärger..." ist, dann ist es oft genau das, was auch passiert. herzlich zugewandt statt achlich und kühl? Annehmend? Wertschätzend? Ich weiß, das ist alles extrem verfahren und schwer. Vielleicht hilft euch eine Trennung auf Zeit - betreute Wohngruppe? Jugendamt hat Anlaufstellen.

Euch alles Gute.