Wann hören Kinder auf zu lügen?

Hallo allerseits,

Kinder haben Fantasie und das ist gut so. Natürlich können sie bis zu einem gewissen Alter nicht unterscheiden, was Geschichte ist und was wahr. Aber wann können sie es?

Meine Tochter ist 10 und hatte schon immer eine sehr lebhafte Fantasie, sie erzählt viele Geschichten, von denen ich oftmals nicht weiß, ob sie wahr sind oder erfunden. Früher war das niedlich, mittlerweile bringt sie mich damit in größte Schwierigkeiten.

Harmlose Sachen sind, dass sie erzählt, sie wäre am Bahnübergang von einem Mann angefasst worden, sie hätte gesagt "Hände weg!" und er: "Stell dich nicht so an, du kleine Zicke.". Da um die Zeit, als das passiert sein soll, nach der Schule sehr viele Kinder gleichzeitig am Bahnübergang stehen und das auch zufällig exakt dann passiert sein soll, als die Kinder in der Schule über sexuelle Übergriffe informiert wurden, ist das sicherlich gelogen. Einmal erzählte sie, sie hätte in der Schule Katzenfutter zu essen bekommen. Oder dass beim Schwimmunterricht vor der Halle durch das Fenster sichtbar drei Jungen einen Jungen zusammengeschlagen hätten und die Schwimmerlehrerin gesagt, hätte, sie solle sich da nicht einmischen (ich war die ganze Zeit dabei! Habe zwar gelesen, aber das hätte ich wohl mitgekriegt).

Schaden tut sie mir, wenn sie über mich Geschichten erzählt. So bekam ich mal einen Anruf von der Lehrerin, der sie erzählt hätte, ich könne sie nicht in die Schule fahren, weil ich mich um ihren Bruder kümmern müsse. Dabei wollte sie unbedingt alleine in die Schule fahren und der Bruder musste erst eine Stunde später in den Kindergarten - da wäre also massig Zeit gewesen. Einmal sprach mich eine Mutter nach der Schule an, was denn los wäre, meine Tochter hätte erzählt, sie hätte Angst, dass sie massiven Ärger kriegen würde, wenn sie zu spät nach Hause kommt und würde sich nicht mehr nach Hause trauen. Dabei war ihr Zuspätkommen in dem Fall von einem anderen Kind verschuldet, besagte Mutter war dabei und das Ganze kein Stück dramatisch. Einmal hatte die Grundschullehrerin aufgrund der Geschichten meiner Tochter den Verdacht, dass sie missbraucht wird und wir hatten Jugendamt und Polizei hier. Das Ganze konnte ich nach einigen Gesprächen mit dem Kinderschutzzentrum glücklicherweise ausräumen. Bis dahin war ich die Rabenmutter, die die leidende Tochter nicht ernst nimmt, wenn sie sich offenbart, und das als Geschichte abtut. Die Grundschullehrerin konnte meine Tochter gegen Ende zum Glück recht gut einschätzen und in unserem letzten Gespräch haben wir gegenseitig Geschichten ausgetauscht und uns köstlich amüsiert (z. B. dass die E-Mail-Adresse der Tochter geändert werden musste, weil sie unter der alten belästigt worden sei. Dabei haben wir ihr einfach eine werbefreie E-Mail-Addi mit eigener Domain besorgt - das ist alles).

Nun ist sie auf dem Gymnasium und die dort kennen sie natürlich noch nicht. Die Tage war sie auf dem Schulweg hingefallen und hat sich am Knie weh getan - da sie einen erheblichen Hang zur Dramatik hat und sehr anhänglich ist und sich auf den schulfreien Vormittag mit mir freute, hat sie dermaßen einen auf sterbenden Schwan gemacht, dass ich einen Anruf von der Schule bekam, ich solle sie wieder abholen. Ich hatte mir ihr Knie vorher angesehen, da war nichts! Keine Abschürfung, sie konnte laufen, nichts! Und ich musste arbeiten! Weshalb ich sie nicht abgeholt habe. Sie kann nicht immer mit ihren Geschichten durchkommen.

Heute kam der Brief von der Schule, dass die das Jugendamt informieren würden, sollte ich meine Fürsorgepflicht wieder verletzen. Wer weiß, was, die Süße da schon wieder für dramatische Geschichten erzählt hat.

Und nun weiß ich nicht, was ich machen soll. Wächst sich diese lebhafte Fantasie noch aus? Sollte ich sie damit konfrontieren, dass sie nicht so'n Zeug erzählen soll? Ich hab das ab und zu versucht, sie fängt dann an zu weinen und macht erst recht einen auf ignoriertes und vernachlässigtes Aschenputtel. Sie ist mein mittleres Kind, meine einzige Tochter und bekommt weiß Gott nicht zu wenig Aufmerksamkeit. Ich habe natürlich viel zu tun als arbeitende Alleinerziehende mit drei Kindern, habe Nachmittags aber immer Zeit für die Kinder.

Problem ist, je mehr ich mich verteidige und den Anklagenden erzähle, dass das Mädchen sich die Geschichten aus den Fingern saugt und ich sie weder quäle, noch missbrauchen lasse, desto mehr bin ich die Rabenmutter, die ihrer Tochter Lügerei vorwirft, anstatt ihr zu helfen. Das ist ein Teufelskreis. Und ich habe echt Angst davor, dass das Jugendamt wieder vor der Tür steht, weil sie echt niedlich und sehr glaubhaft ist.

Hat jemand Erfahrung damit? Wächst sich das aus? Wann?

Gruß,

M.

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Vielleicht hilft auch mal die klare Ansage, was das Jugendamt unter Umständen tut, wenn die der Ansicht sind, sie und ihre Brüder seien bei dir in Gefahr, zu verwahrlosen.

Oder ist sie scharf drauf, mal ein Wochenende oder länger in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe (Volksmund: Kinderheim) und danach ein paar Wochen in einer fremden Familie zu verbringen?!

Wenn du jetzt nicht konsequent handelst, wirst du in der Pubertät mit ihr den absoluten Horror erleben.

Im Übrigen finde ich schon, dass du sie vernachlässigst - nämlich indem du ihr massives Lügenproblem verniedlichst. Vielleicht ist die Aufmerksamkeit, die sie braucht keine schicken Londontrips, Lockenwickler und Zöpfchen flechten (Sorry, aber regelmäßig Lockenwickler - bei einer 10jährigen?! Geht's noch?), sondern mal eine knallharte Ansage, klare Grenzen und vor allem: spürbare Konsequenzen!

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#pro

genauso sehe ich das auch.

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Hi,

ich fange gleich so an. Kriegt sie genug Aufmerksamkeit? Machst du als mutter mal was mit ihr ganz alleine? Ein Eis Essen, oder shoppen? Das würde ich vorschlagen und dann mit ihr in Ruhe darüber reden, wie es dir auch schadet was sie macht und dass es dich traurig macht und wütend zugleich. Ihre Geschichten klingen so, als würdest du ihr bei "normalen" Dingen nicht zuhören, und somit muss sie Sachen erfinden die dramatisch sind, damit du als Mutter sie anhörst. Ich mag mich täuschen, aber das lese aus dem Text raus. Ich kenne auch ein Kind dass sehr viel lügt und ich weiß dass sie zu wenig Aufmerksamkeit kriegt, deswegen kam ich wohl drauf.

Auf jeden FAll schadet es nicht wenn ihr mal alleine was macht und du mit ihr redest.

Mein Sohn ist 8 und hat auch immer mal Lügenphasen. Aber wenn es auf der Spitze ist steh ich da und weiß einfach nicht, ob ich ihm glauben bzw noch vertrauen kann. Das sag ich ihm so, er spürt wie ernst es ist und dann legt sich das! Angefangen hat es bei ihm mit 3 Jahren.

Gibt es denn Konsequenzen für ihre Lügen? Ich würd mir da was einfallen lassen, jede Geschichte die gelogen ist, zieht ne Konsequenz nach sich. Weniger Taschengeld. Lieblingssenund streichen, Übernachtung bei der Freundin fällt flach... sowas eben! Da spürt sie dann auch dass es dir wichtig ist, dass sie die Wahrheit sagt.

LG
Maren

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Hallo,

da meine Tochter in der Regel nicht lügt, kann ich Dir auch nicht sagen, wann und ob sich das auswächst.

Ich würde mir allerdings Gedanken machen, warum sie so eine "rege" Phantasie hat.

Kann es sein, dass sie damit etwas kompensiert oder auch schlicht nur Aufmerksamkeit sucht?

Schlecht könnte es in dem Moment werden, wenn sie laufend Geschichten über Missbrauch erzählt und ihr dann keiner mehr glaubt, wenn sie diesbezüglich die Wahrheit sagt.

Du solltest also versuchen, herauszufinden, warum Deine Tochter das so exzessiv tut und möglicherweise auch einen Kinderpsychologen einschalten.

GLG #klee

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Danke für die Antworten.

Meine Tochter bekommt von allen drei Kindern mit Sicherheit die meiste Aufmerksamkeit; einfach, weil sie meine einzige Tochter ist und wir am meisten gemeinsam haben. Im Sommer waren nur wir zwei beide alleine zwei Tage in London, erst vor zwei Wochen hat sie ein neues Kinderzimmer bekommen, ich dreh ihr abends sie Haare auf Lockenwickler, mach ihr morgens Zöpfe, wir reden eine ganze Menge miteinander - mir ist klar, dass ihr das offensichtlich alles nicht reicht, ich denke nur nicht, dass es die Lösung ist, sie mit den Geschichten durchkommen zu lassen und sie noch mehr zu betüddeln. Natürlich fühlt sie sich vernachlässigt, immer dürfen die Jungs alles und sie gar nichts. Das ist jedoch nur ihr subjektives Gefühl. Mal abgesehen davon fühlen sich vermutlich alle Kinder im Vergleich zu den Geschwistern total unfair behandelt.

Ich bestrafe sie nicht für Lügen, ich werfe ihr noch nicht einmal vor, zu lügen. Ich tu so, als würd ich ihr glauben und frag nicht weiter nach. Oft, weil ich nicht sicher unterscheiden kann, ob sie lügt oder nicht, und ihr im Falle, dass sie die Wahrheit sagt, natürlich keine Lüge unterstellen möchte. Vielleicht ist das verkehrt - ich weiß es nicht. Sie besteht ja darauf, dass die Geschichten wahr sind. Würde ich ihr eine Lüge vorwerfen, habe ich die Befürchtung, sie würde sich erst recht an andere wenden, weil ihre Rabenmutter ihr nicht glaubt. Und schon steh ich noch blöder da als vorher.

Natürlich genießt sie die Aufmerksamkeit, die sie durch ihre Geschichten bekommt. Aber damit kann sie doch nicht durchkommen - dann lernt sie ja nur, dass die Methode funktioniert.

Denke ich. Ich dreh mich echt im Kreis und weiß nicht mehr weiter :-(

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Hallo
Ich denke du solltest schon darauf reagieren das sie lügt. Sie probiert vieleicht auch aus was sie alles erzählen kann bis Mama reagiert. Wielange willst du das noch machen? Bis sie dich für doof hält? Sie wird wohl schon wissen das es falsch ist was sie erzählt, aber bisher ist ja nichts passiert, also warum ändern?
Wenn du sie drauf anspricht leugnet sie natürlich, aber hauptsache sie merkt das du es weißt.

Diese rege Phantasie kenne ich nur von jüngeren Kindern. In der Grundschule sollte sich das dann aber geben.

Bestrafen solltest du sie nicht umbedingt, aber sie ist alt genug um ernsthaft mit ihr zu reden. Eben diese "Hilfe der Wolf kommt" Geschichten erklären.

Viel Glück
Melli

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Hallo!
Warum sagst du es ihr nicht, wenn du ihr eine "Geschichte" nicht glaubst?!? Es regt sie doch geradezu an, die Geschichte immer weiter auszudehnen, wenn du noch weiter fragst.
Führe ein ganz ernstes Gespräch mit ihr und vermittel ihr ganz klar, dass du nicht möchtest, dass sie sich solche Geschichten ausdenkt und so tut, als wären sie die Wahrheit. Mache ihr auch klar, dass du (und andere) ihr nicht mehr glauben, auch wenn sie die Wahrheit sagt.
Und wenn sie danach eine Geschichte erzählt, die offensichtlich nicht stimmt, sage ihr das!

Mein großer Sohn lügt sehr selten (und wenn, merke ich es nicht). Aber wenn ganz eindeutig etwas nicht stimmt, gebe ich ihm auch diese Rückmeldung und damit ist das Thema wirklich erledigt.

Vielleicht kannst du sie anregen, ihre (ausgedachten) Geschichten aufzuschreiben. Kaufe ihr ein schönes Buch, in dem sie diese reinschreiben kann. Dann kann sie ihre Phantasie "ausleben", bringt aber niemanden in Schwierigkeiten.
LG Silvia

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Kinder hören auf zu Lügen, wenn du endlich begreifst, das du nicht mehr Lügen sollst. Du musst ehrlich sein und verstehen, das du nicht besser bist, als dein Kind!

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Mir erschließt sich nicht, dass die TE lügt?

Bitte um Aufklärung.

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Hallo

wäre deine Tochter jünger würde ich deine Geschichte vielleicht anders sehen.
Ich kann dir nur fachliche Hilfe empfehlen -ab zur Erziehungsberatung.

L.G.

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Und du warst mit ihr noch nicht beim Psychologen? Sorry, aber das klingt nicht nach "Phantasie, die sich auswächst", das klingt pathologisch. Ein Kind in diesem Alter und auf dem Gymnasium sollte so viel geistige Kapazität haben, dass sie weiß, was sie da anrichtet.

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hallo,

deine wortwahl wie >>erheblichen Hang zur Dramatik hat<< und >>sie fängt dann an zu weinen und macht erst recht einen auf ignoriertes und vernachlässigtes Aschenputtel<< erinnert mich an meine eigene mutter. sie hat auch so über mich geredet und meine geschichten immer als lüge abgetan, bis ich ihr nichts mehr erzählt habe.

gut, ein paar geschichten waren von mir auch übertrieben, weil meiner mutter immer der geifer aus dem mund lief, wenn ich ihr zb vom nachbarsjungen erzählt habe, der wieder mal ärger in der schule bekommt. da war mir zumindest für diese zeit ihre volle aufmerksamkeit sicher.
das fiel mir bei deiner schilderung jedenfalls sofort auf.

außerdem finde ich es merkwürdig, dass du manches als lüge abtust, wo du nicht dabei warst oder nicht genau hingeschaut hast. wenn mein kind mit so einer geschichte wie mit der sex. belästigung ankommen würde, wäre ich zur polizei gegangen--spätestens dann hätte sich schnell herausgestellt, ob lüge oder nicht.

auch die sache, dass sie angst hat ärger zu bekommen, weil sie zu spät ist--vielleicht hatte sie tatsächlich angst, deine sicht ist nicht die sicht deines kindes!
du guckst dir das schon viel zu lange an--wenn du nicht aus dem quark kommst, dann wird der kontakt immer schlechter. am besten gehst du mit ihr zu einer kinderpsychologin o.ä.
zu meiner mutter habe ich übrigens keinen kontakt mehr....sie ist eine narzisstische mutter.

lg

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Eben genau das ist mein Zwiespalt.

Meine Schwester war auch so: hat gerne mal gelogen, Sachen dramatisiert und meine Mutter damit in Schwierigkeiten gebracht. Die hat ihr natürlich gar nichts mehr geglaubt, sie als pathologische Lügnerin hingestellt, vor allen bloßgestellt und bestraft. Was zur Folge hatte, dass meine Schwester sich komplett von der gesamten Familie zurückgezogen hat, seit sie 14 war praktisch nicht mehr ihr Zimmer verlassen und mit 17 ausgezogen ist.

Genau deshalb nicke ich bei allen Geschichten, die meine Tochter erzählt, sage nichts und denke mir meinen Teil. Ich möchte ihr Vertrauen nicht verlieren.

Dennoch kann ihre Lügerei so nicht weitergehen - sie bringt ja nicht nur mich in Teufels Küche, sondern belügt ja auch andere, die das auf Dauer sicherlich merken und sie meiden werden. Die Grundschullehrerin hat ihr am Ende auch nichts mehr geglaubt - das hat meine Tochter tief erschüttert. Einen Lerneffekt hatte es jedoch nicht - vielleicht ist das mit dem Konfrontieren zu einfach gedacht. Selbst, wenn ich weiterhin nichts tun sollte, wird sie früher oder später von anderen als Lügnerin bloßgestellt werden.

Und sie lügt ja nicht, um sich einen Vorteil zu verschaffen, z. B. um auf eine Party zu gehen, zu der sie nicht darf oder den Gitarrenunterricht zu schwänzen oder so. Sie macht das ja rein des Effekts wegen.Das muss tatsächlich eine Ursache haben und wie eine andere Antwortende hier schon sagte: In der Pubertät wird das erst richtig witzig. Das haben wir bisher immer scherzhaft so gesagt, aber so lustig wird das vermutlich gar nicht.

Vielleicht sollte ich tatsächlich professionellen Rat einholen, wie damit umzugehen ist. Wohin geht man da? Erziehungsberatungsstelle? Jugendamt? Psychologe?

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hi,

also ich würde erstmal anfangen, deiner tochter zu erklären, warum und wieso du der meinung bist, dass sie schwindelt. dann muss sie ja irgendwie reagieren. auch wenn sie dir geschichten erzählt, würde ich gezielt nachfragen und nicht nur "ja, ja..." sagen--dann meint sie, die nächste story müsste noch fantastischer sein, um deine aufmerksamkeit zu wecken.
wenn sie tatsächlich pathologisch schwindelt, dann wende dich an einen guten kinderpsychologen! frag mal beim kinderarzt nach, ob der einen emfehlen kann.

lg

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Vielleicht bin ich ja auf dem falschen Dampfer, aber irgendwie kommt mir dieser blumige Stil, alles en detail und noch dazu ein provokantes Thema, bekannt vor.
Hier zum Beispiel http://www.urbia.de/forum/12-familienleben/4076333-nikolaus-und-meine-schwaegerin?page=1
Ich lese das sehr gerne, glaube aber nicht, dass das Problem wirklich so existiert.

Grüße
M.