Wo ist nur mein glückliches, zufriedenes Kind geblieben?

Hallo liebe Urbianer/innen,

ich habe eine 6.5-jährige Tochter, die eigentlich schon immer unser Sonnenschein war, immer am singen, immer gutgelaunt, neugierig und extrovertiert. Aber als wir - als sie 4 war - in unser eigenes Haus gezogen sind und sie den Kindergarten wechseln musste, haben wir eine Veränderung festgestellt. Sie wurde launisch, zickig, verglich sich ständig mit anderen Mädchen, hatte extreme Wutausbrüche und wurde extrem leicht ablenkbar, konnte an nichts dranbleiben, außer ihr wurde vorgelesen, das konnte sie stundenlang.

Dann war sie 4.5 und ihr Bruder wurde geboren. Sie hat mit absoluter Panik reagiert, sich dann an die neue Situation gewöhnt, hat aber schon Eifersucht gezeigt. Wahrscheinlich alles soweit normal, aber nun ist sie kurz vor ihrem 6. Geburtstag in die Schule gekommen und ich sehe schon wieder eine Veränderung in ihrer Persönlichkeit. Sie gönnt niemandem irgendwas. Ihren Bruder liebt sie mittlerweile abgöttisch, aber noch immer muss alles gleich aufgeteilt sein, bloß, dass sie NIE übervorteilt wird. Es ist kein Gramm Großzügigkeit oder Nachgiebigkeit in ihr, überall fühlt sie sich benachteiligt und tut dies lautstark kund. Sie beschwert sich bei jedem Wehwehchen, fängt bei kleinen Verletzungen oder versehentlichen Remplern an aus voller Kehle zu kreischen - sagt, man habe ihr absichtlich weh getan. Sie hat außer Schwimmen kein Hobby, für das sie sich einsetzt. Alles macht sie halbseiden, ohne Ehrgeiz, jammert viel, versucht durch Quatsch und Albernheit, um Verantwortlichkeiten herumzukommen. Von ihrer Lehrerin habe ich erfahren, dass die Unkonzentriertheit langsam besser wird, aber dass sie immer den "sonnigen" Weg geht, eben auch abschreibt oder andere für sie Dinge erledigen lässt. Sie ist schon sehr charismatisch und kommt damit durch.

Nur macht es mir momentan echt Sorgen zu sehen, wie sie meint, alles müsste ihr zufliegen und wenn dem nicht so ist, reagiert sie komplett passiv oder im schlimmsten Fall aggressiv. Wir suchen den Fehler in unserer Erziehung, sie hat leider schon immer jeden Wunsch von den Augen abgelesen bekommen (auch vom Rest unserer Familie). Mit der Geburt des Bruders nahm das natürlich ab, wir fordern von ihr mehr, weil sie ja jetzt die Große ist, wir möchten langsam ein bisschen Eigenverantwortung sehen aber sie sabotiert das wo sie nur kann.

Will sie wirklich nur betüddelt werden, weil die Eifersucht so groß ist? Können wir sie darin unterstützen, mit anderen zu teilen, auch mal nachzugeben, sich nicht immer in Sachen hereinzusteigern und vor allem, wie schaffen wir es, dass die Wutanfälle, die an die Trotzphase von 3-jährigen erinnern ("Aber ich will das haben, ich hatte das zuerst, das gehört MIR!! O-Ton...). Gerade stelle ich fest, dass sich ehemals gute Freundinnen von ihr abwenden, wo sie früher jedermanns Darling war, kommen kaum noch Mädels zu uns nach Hause, die Verabredungen nehmen ab. Mir tut es leid, aber ihr ins Gewissen zu reden und ihr zu sagen, dass sie mit ihrem Verhalten die Leute abtörnt, bringt rein gar nix, sie macht regelrecht zu bei negativen Gesprächen. Nur wenn man sie für gelungene Situationen lobt, blüht sie auf, aber das ist ja auch nicht realistisch auf Dauer...

Sorry für das lange Geschreibsel, ich bin momentan etwas am Ende mit meinem Latein.
Falls ihr ähnliche "Exemplare" zu Hause habt, könnt ihr mir Tipps geben? Bitte nicht falsch verstehen, ich liebe sie über alles und zeige ihr das auch...

Danke vorab,
#winke
Watte

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Für mich liest sich der Fehler schon deutlich raus. Der Sonnenschein bekam immer alles und jetzt muß sie teilen und kommt damit nicht klar. Da sieht man das man den Kindern eignetlich keinen wirklichen Gefallen tut wenn man sie zu sehr verwöhnt!
Sie ist vielleicht auch einfach sehr sensibel und reagiert jetzt auch entsprechend drauf. Vielleicht ist sie daher jetzt erstmal auch damit einfach überfordert die Große zu sein. HAbt ihr mal überlegt das ihr nach dem ganzen wo sie immer alles bekam sie auch ein wenig zu sehr überfordert jetzt die Große sein zu müssen. Überlegt mal bewußt ob ihr ihr vielleicht ein wenig zuviel aufdrückt und das ganze in kleinen Schritten besser geht.
Liebe Grüße Ela

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Ich schließe mich Alpenbaby an, waren auch meine ersten Gedanken. Ich finde es auch immer befremdlich von einem Kind ein Verhalten zu erwarten da es ja nun "Groß" ist. Nur weil jetzt ein kleiner Bruder da ist wird sie ja nicht automatisch reifer. Das ist eine Entwicklung die individuell ist. Sie ist ein Kind und bleibt das noch eine Weile.

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Hallo Watte,
also ich sehe es genauso, wie die Beiträge über mir. Es war definitiv der falsche Zeitpunkt, mit der Geburt des Bruders mehr von ihr zu verlangen. Da ist es doch logisch, dass negative Gefühle dem Bruder gegenüber entstehen. Übrigens ist Eifersucht normal und es ist gut, wenn Kinder ihre Eifersucht zeigen dürfen. Gefühle ausleben zu dürfen, ist sehr wichtig. (Ohne natürlich dem kleinen Bruder dabei weh zu tun, da muss man eventuell helfen.) Der Wechsel vom verwöhnten, von allen geliebten Einzelkind zum großen Geschwister, das jetzt plötzlich selbstständig sein soll, ist enorm und dürfte allen Kindern erstmal schwer fallen.

Alles in allem finde ich das Verhalten deiner Tochter logisch und eine Folge der Ereignisse. Sie musste sich an so viele Dinge anpassen (Wohnortwechsel, Kindergarten- wechsel, Wechsel vom verwöhnten Einzelkind zum "vernünftigen" großen Geschwister), dass sie da Anpassungsschwierigkeiten hat und zeigt, ist zu erwarten und ganz normal.

Mein Rat, schreibe eine genauso langen Text über all die positven Dinge, die es über deine Tochter zu sagen gibt. Und es gibt mit absoluter Sicherheit deutlich mehr Positives zu berichten, als Negatives. Versuche deinen Blickwinkel zu ändern. Immer wenn du dich über sie ärgerst, dann erzählst du ihr etwas davon, was dir an ihr besonders gut gefällt. Du wirst staunen, was passiert, wenn du das eine zeitlang durchziehst.

Unsern älteren Sohn haben wir auch mal auf ein großes Stück Papier gelegt, die Umrisse abgezeichnet und lauter schöne, positive Dinge auf das Bild geschrieben (alles ohne Leistungsbezug). Zum Beispiel, ... hat wunderschöne Augen,... spielt gerne Fussball mit seinem Papa, liebt Nudeln mit Soße,.... Er hat es geliebt all die postiven Dinge zu hören, die wir über ihn wussten und er hat nicht schlecht gestaunt. Dieses Plakat hängt in seinem Zimmer, er liebt es und immer wieder schreiben wir was Tolles dazu.

Viele Grüße
J.

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Danke für den aufmunternden und nicht wertenden Text - er hat mir gezeigt, wie schnell man immer in eine Negativspirale geraten kann und die Schuld beim Kind sucht. Das letzte was wir wollen ist unsere Tochter als vewöhnt, zickig etc. abzustempeln.

Ich mag die Idee mit dem Poster und den positiven Eigenschaften. Das können sich die Kids immer wieder anschauen und wenn sie sich mal über uns geärgert haben - kommt ja auch vor - dann können sie sich dran erinnern, dass alle Familienmitglieder ihre positiven Eigenschaften eben auch kennen.

Danke und viele Grüße,
Watte

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Hallo,

auch wenn ich woanders geschrieben habe, dass ich das Buch "Gute Autorität" von Bergmann sehr gewöhnungsbedürftig finde, so passt es auf euch wie die Faust aufs Auge.
Bergmann schreibt darin, dass man kinder Grenzen setzen muss, ihnen nicht jeden Wunsch erfüllen soll. kinder, die jeden wunsch erfüllt bekommen, geben sich mit nichts zufrieden,da sie nie gelernt haben, zufrieden zu sein. Sie sind nciht stetig, wollen mal dies, dann wieder das und die Eltern sind bemüht, ihnen dies udn dann das zu erfüllen. Es kommt keine Ruhe in die Familie, weil das kind unbefriedigt von einem wunsch zum nächsten springt, in nichts eine Erfüllung findet und daher unruhig und unzufrieden ist. die eltern, die natürlich kein unzufriedenes kind wollen, sind ständig auf dem Srpung, um ihrem kind auch ja die Befriedigung zu verschaffen, die es vergeblich sucht.
zuspitzen tut sich die situation in dem moment, wo das kind,. welches immer alle Wünsche erfüllt bekommt, mit der Außenwelt konfrontiert wird und feststellt, dass in der richtigen welt nicht mehr alle Wünsche erfüllt werden. es stellt fest, dass andere Menschen etwas anderes wollen, was den eigenen Wünschen entgegen läuft und kommen mit dieser Frustration und diesem Gefühl nicht klar. die anderen Kindern wenden sich irgendwann ab und das kind wird isoliert.

Ihr solltet jetzt dran bleiben. eine erziehung, die sie 6 Jahre genossen hat, ist nciht von jetzt auf gleich "rückgängig" zu machen. Bleibt dran, seid liebe- und verständnisvoll aber erfüllt íhr nicht jeden wunsch. Zeigt ihr, dass jeder Mensch Grenzen hat ud man nciht immer alles erreichen und durchsetzen kann, was man will. Zeigt ihr aber auch, dass das kein beinbruch ist und das man kompromisse schließen kann mit anderne und dass man auch mit kompromissen glücklich wird. Versucht sie, längerfristig für dinge zu begeistern udn sie zu motivieren, auch bei mißerfolgen dran zu bleiben. und vllt kaufst du dir mal das buch von bergmann, denn es passt wie gesagt perfekt udn hilft euch vllt, das ein oder andere besser zu verstehen.

vg, m.

6

Uff, ja, das passt wirklich - das ist der Ansatz, den ich mir halt auch schon überlegt hatte. Wir hatten wirklich vehement gegen ihre Omas, Opas und Tanten rebelliert, wenn die ihr schon wieder etwas kaufen wollten, ohne dass sie überhaupt die Chance hatte, den Wunsch zu äußern bzw. ihn überhaupt zu haben.... Hoffnungslos!

So hing sie auch an keinem Spielzeug wirklich, hat kaum gespielt. Erst jetzt, als sie sich die erste Barbie vom eigenen Taschengeld kaufen musste, wenn sie sie denn wirklich wollte, hat sie realisiert, dass die Sachen nicht vom Himmel falle. Man muss Energie aufwenden, um sie zu besorgen und man muss sparen, um sie sich leisten zu können. Und vor allem muss man mal auf was warten.

Und wie du sagst, etwas, das sich lange eingeschlichen hat, muss man auch langsam abarbeiten, ich denke, dass sie mit der Zeit - auch durch den Einfluss ihrer Mitschüler - lernt, dass sie nicht jedem auf der Nase herumtanzen kann.

Danke für die Tipps!
Watte

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Hallo
Natürlich darf man einem Kind nicht jeden Wunsch von den Augen ablesen (wie schafft man das denn überhaupt???), aber trotzdem darf man es doch mit ganz vielen anderen Sachen überschütten.
- Warum wird sie nicht feste getröstet, wenn ihr jemand oder sie sich weh tut? Ich glaube, wenn ihr das ein paar Mal macht, wird es besser. Ist doch egal, wenn es übertrieben scheint?!
- Warum soll sie sich für andere Sachen als das Schwimmen einsetzen? Wenn meine Tochter auf irgendetwas Unnötiges keine Lust hat, dann lasse ich sie (sie ist aber auch noch nicht in der Schule). Ich brauche nämlich auch keine unnötigen Machtkämpfe.
- Warum muss immer alles ganz gerecht geteilt werden? Ich gönne meiner Tochter auch mal ein Stück Schoggi extra, wenn der Kleine es nicht mitbekommt. Oder ich gebe etwas von meinem Stück Kuchen an ein Kind ab, auch wenn es dann nicht mehr absolut gerecht verteilt ist. Durch solche Aktionen, in denen sie profitieren, können sie in meinen Augen sehr gut lernen, selber auch mal zu teilen. Das war unser Weg, die Grosse zur Grosszügigkeit zu animieren und er klappt sehr oft und sehr gut.
- Warum soll man nicht gelungene Situationen auf Dauer loben? Gerade mein Vater hat das oft gemacht und mir somit ein sehr gutes Selbstbewusstsein als Kind vermittelt (obwohl er bestimmt auch einiges hätte kritisieren können).
- Generell scheint sie ja auch zu den Jüngsten zu gehören und ist demnach vielleicht auch etwas unter Stress in der Schule und hat ihren Platz dort einfach noch nicht gefunden.
Ich wünsche Euch alles Gute und ich glaube mit mehr Zuwendung und einfach einer positiveren Einstellung werdet ihr weiter kommen.
Liebe Grüsse
Paula

PS Hatte sie denn im neuen Kindergarten so richtig gute Freundinnen? Wir sind auch vor über einem Jahr umgezogen und unsere Tochter hat seit dem Herbst 2 gute neue Freundinnen gefunden. Seitdem rennt sie morgens aus dem Haus, vorher musste man sie ständig antreiben. Diese Freundschaften haben also ihr Verhalten deutlich geändert, obwohl sie auch vorher gerne zum Kindergarten gegangen ist (nachdem sie richtig wach war...).

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Hallo,

sie war 4 als ihre Rebellion gestartet hat? Das ist aber spät.

Welches normale Kind ist denn immer gut gelaunt?

Gruß Karin

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Dass sie nie getrotzt oder rebelliert hat, habe ich nicht gesagt, aber in dem Alter hab ich einfach eine Veränderung an ihr festgestellt, die ich nicht mit "Selbstbehauptungsphase" abtun kann.

Trotzdem danke für deinen Input.
#winke
Watte