Paradoxe Intervention



Sorry, ich wundere mich nur gerade über die zahlreichen Thread zum Thema "Konsequenz" "Grenzen setzen" usw..

Zugegeben, zu meiner Entschuldigung kann ich sagen, dass ich seit 15 Jahren Behindertenpädagogin bin, und hier kommt man mit reiner Konsequenz oft nicht weiter.

Aber ich setze das Erziehungsmittel der paradoxen Intervention jetzt auch bei meiner Tochter ein, einfach auch weil es Spass macht und das Leben nicht immer so tierisch ernst sein soll.
Und weil sie damit auch lernt zu hinterfragen und nicht alles ungefragt hinzunehmen.

Ich habe mal einen Text rausgesucht, der das Prinzip der paradoxen Intervention erklärt, und wollte wissen ob ihr das nicht auch so macht, auch wenn euch der "Fachbegriff" vielleicht gar nicht geläufig ist.
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Text: (Quelle: http://www.ronja007.de/kinder/Eltern/ratgeber.html )


Die Taktik, sich mit einem Lächeln durchzusetzen

Von Prof. Peter Struck (Universität Hamburg)

Für alle Menschen ist Lachen wichtig und ganz besondersfür Kinder. Lachen ist etwas spezifisch Menschliches, bei keinem Tier gibt es so etwas. Es hat etwas mit Intelligenz, mit Kreativität und mit verbalem Ausprobieren von Grenzüberschreitungen zu tun. Das Unwirkliche, das Absurde, das Paradoxe, das etwas abseits des Normalen stehende, die Fantasie, aber auch das realistische Pech sind die Anlässe zum Lachen. Am Humor wächst der Intellekt des Kindes; Lachen erweitert den Lebenshorizont und stärkt die Randzonen des Weltbildes; Lachen begünstigt aber auch menschliche Beziehungen und eine gute Atmosphäre, wenn es kein Auslachen ist.

Mindestens 20 Minuten täglich sollten Lehrer mit ihren Schülern lachen, sagen Psychologen; für Eltern und ihre Kinder müsste zumindest ein ähnlicher Umfang empfohlen werden, denn im Lachen werden Probleme, Spannungen und Krisen leichter überwunden, Lachen bringt vorwärts und ummantelt Ernstes mit einem Hauch von Leichtigkeit. Präventionslehrer arbeiten gern und durchweg erfolgreich mit dem, was man "paradoxe Intervention" nennt; sie ist ein wunderbarer Anlass, um mit einem schwierigen Kind weiterzukommen. Die paradoxe Intervention verbindet über das Absurde, das die Beteiligten an der Paradoxie zu Eingeweihten macht, die über ein gemeinsames Geheimnis verfügen.

Aber was ist paradoxe Intervention?
Der Hamburger Präventionslehrer Ingo Würtl setzt sie folgendermaßen um:
Drei Mädchen stehen in der Pause auf dem Schulhof, er schießt auf sie zu und streckt seinen Finger gegen eines mit der Bemerkung aus: "Du warst das!" "Was war ich?" ist die Reaktion der überraschten Schülerin. "Das weiß ich nicht mehr, aber ich weiß, dass du es warst", entgegnet Ingo Würtl. Darauf löst sich sogleich die Situation bei den vier Beteiligten in ein gemeinsames Lachen auf, und alle sind ein wenig beglückter als zuvor.

Vier Mädchen und drei Jungen im Alter von zehn Jahren warten vor der Tür der beiden Präventionsräume. Ingo Würtl ruft den Jungen zu: "Heute lassen wir mal die Mädchen draußen, denn die sind blöd." Zustimmender Jubel bei den Jungen und Empörung bei den Mädchen ist die Folge, bis dann alle acht Personen gemeinsam lachend die Präventionsräume betreten. Die Grundstimmung ist nun gut, und sie ist eine optimale Voraussetzung für ein ergiebiges Zusammensein in den folgenden 45 Minuten.

Ein sechsjähriger Junge sitzt unwillig vor dem Computer. Er hat keine Lust, die Rechenaufgaben zu lösen, die der Lehrer für ihn ausgewählt hat, obwohl sie für ihn leicht zu lösen wären. Ingo Würtl sagt deshalb zu dem Knaben: "Du bist noch viel zu klein, um solche Aufgaben rechnen zu können." Das lässt der Junge nicht auf sich sitzen: "Ich bin nicht zu klein, ich kann solche Aufgaben schon lösen." Der Lehrer setzt noch einen oben drauf, indem er ergänzt: "Das glaube ich nicht." Und um den Sechsjährigen noch weiter anzustacheln, fügt er hinzu: "Du bist wirklich noch zu klein." Etwas Entwürdigenderes kann man zu einem Sechsjährigen kaum sagen, und deshalb beginnt er mit einem unvorstellbaren Eifer die zuvor ungeliebten Aufgaben rasch zu lösen.

Die paradoxe Intervention hat den kleinen Schüler an seiner Ehre gepackt; funktioniert hat sie aber nur, weil der Lehrer sie mit einem verschmitzten Lächeln vorgetragen hat, das von dem von seiner Klassenlehrerin als schwierig deklarierten Jungen mit einem ebenso verschmitzten Lächeln erwidert wurde. Das gemeinsame Lächeln von Lehrer und Schüler wurde somit zum gemeinsamen Nenner für beide, es verband im gemeinsamen Wissen um das Falsche in der Aussage des Lehrers, und deshalb vermochte die Falschaussage auch den Jungen, nicht zu verletzen, sondern anzuspornen.

Wenn alle Lehrer und Eltern diesbezüglich einfallsreicher wären, würde es mit der Erziehung der jungen Menschen viel besser stehen. Übrigens sind es vor allem die Großväter, die rein statistisch gesehen am häufigsten zum entspannenden, verbindenden und weiterbringenden Mittel der paradoxen Intervention greifen. Ohne diesen Fachausdruck überhaupt zu kennen, nutzen sie mit ihrer Abgeklärtheit, ihrer Lebenserfahrung, ihrer Gelassenheit, ihrer Muße, ihrer Weisheit oder ihrer an vielen Klippen in ihrer langen Vergangenheit gewachsenen taktischen Kompetenz dieses erfolgreiche Mittel, um ein gutes Verhältnis zu ihren Enkeln aufzubauen oder zu bewahren.
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Also, seit ihr immer nur um Grenzen und Konsequenzen bemüht, oder geht es "andersrum" eigentlich auch.

Dürfen dann eure Kinder Pippi Langstrumpf schauen?
Die macht ja alles verkehrt,... ;-)

Kesh

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Ich finde das einen sehr interessanten Ansatz. Das letzte Beispiel mit dem Jungen und seinen Matheaufgaben konnte ich so erst überhaupt nicht begrüssen, bis du das verschmitzte Lächeln erwähnt hast.

Teilweise handhabe ich das auch so und bemerke immer wieder wie Lachen, Rumblöden, Albernheiten eine Situation entschärfen und wieder Harmonie in den Tagesablauf bringen oder von vornerein eine positive Grundlage schaffen.

Ich kann auch bestätigen, dass mein Vater dieses Mittel anwendet wenn er mit meiner Tochter kommuniziert.

Ich denke manche Mütter nehmen das Thema Grenzen setzen zu ernst. Kinder lernen meiner Meinung nach hauptsächlich durch Vorbilder. Ich kann meinem Kind nicht klar machen, dass sie nicht hauen soll, wenn ich ihr selbst oder anderen Gewalt antue. Sie wird mein Verhalten nachahmen. Und ich denke das trifft in fast jedem Bereich zu.

Ein positives Vorbild und paradoxe Intervention in Kombination mit Abmachungen, konsequent verlässlichem Verhalten sowie Kompromissbereitschaft führt in meinen Augen zu einem harmonischem Zusammenleben zwischen Kindern und Eltern.

Ich finde es immer wieder erschreckend, im Gespräch oder in Diskussionen zu erfahren wie wenig Respekt Eltern teilweise vor ihren Kindern und deren Bedürfnissen und Wünschen haben. Vielen scheint nur am Herzen zu liegen, dass die Kinder funktionieren und kompliziertes Verhalten muss ausgemerzt werden.

2

Und du bist dir sicher, dass bei der Überschrift "Paradoxe Intervention" sich das Gros der Urbia-User angesprochen fühlt?


Da wird's doch sicher einige geben, die meinen, du schreibst über den letzten Zahnarzt-Besuch :-p

lg
Lucie

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Hallo,
gerade beim letzten Absatz(Junge, Hausaufgaben) praktiziere ich öfters, ohne den "hochtrabenden" Ausdruck gekannt zu haben.
Aber es stimmt. Mit Lachen geht alles, zumindest sehr vieles einfacher und besser. Leider bleibt das im Alltagsstreß auf der Strecke.
Hatte heute morgen wieder mal so eine Szene. Meine Tochter (6) wollte nicht zur Schule. Keine Lust zum Anziehen, Zähne putzen usw. Schule ist blöd und langweilig, ich kann sowieso schon alles. Normalerweise würde ich sauer werden und hetzen. Also Streß vorprogrammiert. Habe aber seit 2 Wochen Urlaub. Bin also nicht gestreßt und habe alles mit einem Lachen genommen. Das gezicke hat keine 5 Minuten gedauert und Madame hat mitgelacht. Leider reagiere ich im Berufsalltag nicht so locker und vergessen daß es mit einem Lachen schneller und besser geht.
Werde mich zur Besserung bemühen.

ZUM WOHLE DES KINDES

:-D#huepf:-D#freu#huepf#freu:-D

LG
Karola

4

ich werde nie vergessen, wie ein ehemaliger kommilitone (sozialpädagogik) - total beeindruckt von der soeben gelernten paradoxen intervention - diese bei meiner nichte anwenden wollte, um sie vom kiffen abzubringen.
"kiff doch mal eine woche jeden tag! ich wette, du schaffst das nicht."
ich brauche wohl kaum zu ewähnen, dass sie vor und nach dieser intervention täglich kiffte.

5

Klingt interessant, werde es gleich morgen mal ausprobieren. Klappt das auch bei 4jährigen?

6

Sicher klappt das so bei 4jährigen,...sag' einer 4jährigen sie soll sich eine Woche lang nur von Milchschnitten ernähren.

Wetten wir sie freut sich darüber und macht das dann?


Wer einfach nur glaubt, dass die Umkehrung einer Sache die man erreichen will gut ist, der hat den Witz der Sache einfach nicht verstanden.

;-)

Kesh

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7

hey,

ich hab zwar keine ahnung von "richtiger" oder "falscher" erziehung, aber ich höre auf mein herz und versuche, meinen sohn als gleichberechtigt anzusehen.

ich finde es furchtbar, wenn kinder nur funktionieren oder gehorchen sollen und oft lese ich hier erschüttert über konsequenzen usw.

dein text gefällt mir gut und auch ich habe die erfahrung gemacht, dass mit einem lächeln oder einer freundlichen bitte anstatt einem "befehl" vieles leichter geht.

kinder sollen kinder sein und keine roboter, die nur das machen, was die eltern von ihnen verlangen.

man muss auch mal totalen quatsch mit den kindern machen...

ist kinderlachen nicht das schönste geschenk auf der welt?

lg claudia

8

ach, so heißt das? Wir haben das phasenweise auch gemacht.

"Iss bloß kein Obst, das ist gesund" führte zum Verzehr eines Apfels

"Wasch dir nicht die Hände, die sehen heute sooo schön schmutzig aus" --> sogar mit Seife

Grundsätzlich ist das aber keine Erziehungsmethode auf Dauer. Das funktioniert nicht lange.

LG Marion

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Als alleinige Erziehungsmethode taugt das sicher nichts. Aber als Teil eines Ganzen im Umgang mit einem Kind ist die paradoxe Intervention sicherlich ein guter Ansatz um den Alltag harmonischer zu gestalten.

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und Spaß macht es auch!

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:) ok dann praktiziere ich auch diese komische interventation ;-)

Bei Ian funzt das auch prima, wenn ich im Spaß sage: "Du schaffst das nicht, deinen Pulli alleine anzuziehn!" Und schwupps ist der pulli dran :-)

Oft verlangt er sogar danach. er ist zum Beispiel grad dabei sich eine Hose anzuziehn und sagt zu mir: "Du sagen, ich schaffe das nicht!"
Und wenn er es dann geschafft hat, dann muss ich ihn kitzeln und sagen: "das finde ich gemein, du bist schon so groß. bald kannst du alles alleine und die Mama muss gar nix mehr machen" (natürlich alles im Spaß)
Ist ein super süßes Spiel und es bringt ihn dazu Dinge auszuprobieren, die er sonst erst monate später versuchen würde!

LG
Maren