Ich bin so sauer und wütend

Hallo,

Meine Omi ist gestorben. Sie hat lange Zeit immer wieder Probleme gehabt, davon aber nie erzählt und sie "alternativ" behandeln lassen.
Vor 1,5 Wochen kam sie dann ins Krankenhaus und nun ist sie tot. Es ging alles so schnell und man konnte sich kaum darauf vorbereiten (es ging ihr eigentlich auch besser im Krankenhaus).
Sie hat weiter weg gewohnt und ich bin nun mit meiner Mutter vor Ort (sie ist Einzelkind), um alles weitere zu regeln.

Eigentlich braucht meine Mutter Hilfe, aber ich kann mich kaum konzentrieren, geschweige denn trauern, weil ich so furchtbar sauer auf sie bin. Es wäre alles so vermeidbar gewesen! So fühlt es sich zumindest an.

Und sie hat alles, was den Tod betrifft weit von sich geschoben, wichtige Dokumente, wie ihr Stammbuch, sind unauffindbar. Und auch da bin ich so sauer, dass sie uns so ein Chaos hinterlässt. Ein Haus voll mit Prospekten und Papieren und gerade so etwas ist sonst wo.
Ich will dauernd mit ihr reden, sie anrufen und fragen wo die ganzen Sachen sind. Geht ja aber nicht.

Ich habe das Gefühl, dass dieser Ärger auf sie so allgegenwärtig ist und ich eigentlich nicht sauer auf sie sein darf, weil sie tot ist. Und weil sie eine erwachsene Frau war, die für sich ihre Entscheidungen getroffen hat und ich muss das akzeptieren.

Aber ich bin trotzdem so furchtbar sauer.

Kann das vielleicht jemand verstehen?

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Hallo Kleine Fee,

mein herzliches Beileid zu deinem Verlust. Ich kann deine Wut ein Stück weit verstehen. Sie hat ihren Tod scheinbar überhaupt nicht vorhergesehen. Und selbst wenn, ist nicht jeder so nett und ordnet noch seine Unterlagen.
Vielleicht wäre ihr Tod vermeidbar gewesen...vielleicht aber auch nicht. Keiner kann es wissen. Auf jeden Fall solltet ihr ihre Entscheidung, genauso auf diese Art und Weise mit den Beschwerden umzugehen, akzeptieren. Aber klar, man möchte eben alles in seiner Macht stehende für deine Angehörigen tun.
Ich wünsch euch beiden viel Kraft für alles Kommende! ..und dass ihr die nötigen Unterlagen noch findet.

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Hallo,

Auch die vielen Dank für die Nachricht, auch wenn ich mich ehrlich gesagt letzte Woche noch darüber geärgert habe.

Denn natürlich akzeptiere ich den Weg, den sie gegangen ist - schließlich habe ich auch gar keine andere Wahl mehr.

Aber du hast schon Recht. Sie hat theoretisch viel anders machen können, aber ob es dann wirklich anders gelaufen wäre, kann man nicht sagen.
Und Zeit ihres Lebens habe ich ihren Umgang in diesen Punkten respektiert und lediglich in einem respektvollen Gespräch Kritik angebracht, falls du verstehst wie ich das meine :)

Außerdem hat sie bis knapp vor ihrem Tod ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben gehabt. Das ist mit 85 (und ihren gesundheitlichen Problemen) absolut nicht selbstverständlich, war ihr aber immer wichtig.

Wir haben die Unterlagen übrigens nicht mehr gefunden, aber anderweitig beschaffen können ohne gravierenden Mehraufwand. Aber klar, dass man so emotional ein Drama draus macht 🙈

Alles Gute dir.

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Auch von mir herzliches Beleid zu eurem Verlust.

Wut gehört auch zur Trauer, genauso wie traurig sein, verzweifelt sein, still sein.

Du darfst und sollst also auch wütend sein. Das klingt wieder ab und weicht anderen Gefühlen.

Alles Liebe Euch

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Hallo und vielen Dank für die Nachricht. Ich habe sie gelesen und sie hat mir gut getan (in der Theorie weiß ich sowas ja an und für sich auch, aber in der Praxis ist es doch irgendwie anders). Ich bin unten noch mal ins Detail gegangen, weil ich inzwischen emotional weiter gehe, zum Glück.

Vielen Dank nochmal und alles Gute auch für dich. ❤️

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Hallo, mein Beileid.
Ja, das mit der Wut kenne ich. Trauer macht hilflos, resignierend, hilflo, lähmend.

Wut ist lebend, vorbereitend, kann man nutzen, ist aktiv.

So habe ich es empfunden. Bis alles erledigt war, konnte ich nicht trauern, musste funktionieren, brauchte Energie. Wut kann Energie geben. Nur nicht auf Dauer. Für den Moment schon. Mein Glück war , dass beim ersten Elternteil das noch lebende zweite Elternteil mir alles gezeigt. Wie es geht, worauf ich achten muss, wo was ist usw.
Das plötzlich war so perplex, dass ich froh war, dass noch jemand mitorganisiert hat. Beim zweiten Elternteil wusste ich wo was war und die Abschiedsdauer war länger.

Wut kam auf, wenn ich mich nicht damit abfinden konnte, wenn ich etwas brauchte, worauf ich wütend sein konnte. Ursache, Unvernunft, usw. das kann für den Moment helfen. Die Trauer kam dann, als auch die Seele das unveränderbare annehmen und akzeptieren konnte. Als die lähmende Hilflosigkeit als Teil des Ganzen war ohne mich ins Tief zu stürzen. Als ich nicht die Wut brauchte um ganz zu versumpfen. Sondern gefestigt genug war um das eigene zusammensinken, zusammensacken zulassen zu können, spürend, dass es von Zeit ist, nicht dauerhaft, nicht für immer (zusammengesunken) auch wenn der Zustand/Tod endgültig ist,nicht aber das zulassen der Trauer. Dies zulassen war wichtig. Brauchte aber meine Zeit.

Evtl. kannst du auch beim Bestatter um Adressen, Telefonnummern bitten. Seelsorger, Trauerbegleiter. Begleitung, Wege wie du mit deiner Wut umgehen kannst ohne dass du dich damit selbst zersörst, ohne dass sie dich auffrisst.

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Vielen Dank für deine Nachricht!

Ich habe sie gelesen, konnte aber noch nicht antworten.

Die Wut hielt ziemlich genau die Zeit an, in der ich bei ihr im Haus war.
Zuhause hatte ich das Gefühl, dass so viel von allen Seiten kommt, dass ich gar keine Zeit zu trauern habe.

Und gestern ist dann der Damm gebrochen. Ich habe viel raus lassen können.
Es geht mir zum Beispiel sehr nach, dass ich mich nicht mehr an unser letztes Telefonat erinnern kann. Ich weiß nicht, ob ich unter Stress war und deshalb auch kurz angebunden oder ob ich mir Zeit für sie genommen habe. Ich habe es mir einfach nicht gemerkt, weil ich ja nicht wusste, dass es das letzte Mal war.
Mein Mann sagt, dass es nur so ist, weil wir so viel telefoniert haben (mindestens ein Mal die Woche) und dass das doch eigentlich schön ist. Aber ich will nicht, dass sie unser letztes richtiges Gespräch in schlechter Erinnerung hat.
Ich will, dass es eins von den Gesprächen war, wo mein Sohn sich das Handy geschnappt und ihr etwas unverständliches erzählt hat, denn das hat sie immer sehr glücklich gemacht. Aber ich weiß es einfach nicht und das macht mich irgendwie fertig.

Ich begreife langsam, dass sie weg ist und nicht mehr wieder kommt und das tut unfassbar weh. Jetzt laufen mir auch die Tränen.
Mein Mann sagt, dass sie bestimmt bei unserer Tochter ist (Stille Geburt in der 21. Ssw, meine Omi war da auch sehr teilnehmend und hatte ein Foto von der Kleinen) und mit ihr spielt. Irgendwie ein schöner Gedanke.

Ich glaube, dass ich auf einem guten Weg der Verarbeitung bin inzwischen und danke dir sehr für deine Zeilen ❤️

Und dir natürlich auch mein tiefes Beileid für den Verlust deiner Eltern.