Extremer Papa-Fokus - 11 Monate

Hallo Frau Dr Retz,

Wir haben eine 11 Monate alte Tochter und sie ist seit ca ihrem 7. Lebensmonat extrem auf den Papa fokussiert. Das äußert sich darin, dass fast alles nur Papa machen darf, und ich sie quasi „nur bespaßen“ bzw Quatsch machen darf und ein paar andere kleine Dinge meinerseits zulässt. Auch wenn ich es ganz vorsichtig und lieb probiere, endet es immer in bitterbösem weinen und schreien. Ich muss ehrlich gestehen. Dass mich es verletzt, manchmal mehr, an manchen Tagen weniger. Ich bin oft den Tränen nahe, weil ich nicht mehr weiter weiß. Sie will zu Papa auf den Arm, wenn ich sie nehmen möchte, (manchmal weil es eben gerade auch nicht anders geht) während der Papa im gleichen Raum ist, endet es in schreien, weil sie dann nur zum Papa möchte.
Ich möchte betonen, dass ich das Verhältnis zwischen meinem Mann und meine Tochter absolut toll finde und ich es so schön finde, dass sie eine so starke Bindung haben, aber es ist zur Zeit sehr unausgeglichen zwischen uns und ich frage mich oft, ob ich etwas falsch gemacht habe, vor allem weil einerseits mein mann wirklich sehr sehr hinterher ist, was die kleine angeht (was ich eigentlich ja total schön finde), aber ob ich in dem Punkt zu viel abgegeben habe? Und anderseits weil ich anfangs und manchmal immer noch verunsichert bin in der Rolle als Mama und sie sich vielleicht bei dem ET, das gefestigter ist besser aufgehoben fühlt und sich deswegen von mir eher „abwendet“? Ich habe auch oft ein schlechtes Gewissen, dass ich so empfinde, wie ich eben zu dem Thema empfinde, da auch ein Vater genauso das Recht hat eine gleichwertige BP zu sein, woran ich auch festhalte, aber dennoch trifft es mich (was ich eigentlich gar nicht möchte).
Vielleicht liegt es auch daran, dass mein Mann im Schichtdiwnst arbeitet und sie deswegen sich von ihm so schwer trennen kann. Aber wenn eben Papa zu Hause da ist, bin ich meist bis auf ein paar Ausnahmesituationen angeschrieben. Was Sie allerdings akzeptiert ist, dass wenn Papa Nachtdienst hat, ich dann übernehmen darf, wie zb das schlafen legen, was sonst nur Papa darf. Ich weiß nicht weiter. Ich wünschte mir man könnte diesen Kreis durchbrechen und ein ausgewogeneres Verhältnis wieder herstellen ? Können Sie mir da weiterhelfen ?

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P.s.: was mich etwas noch zusätzlich verunsichert ist, dass ich solch ein Verhalten nur von älteren Kindern gelesen habe, und ich mich frage, ob das in ihrem Alter üblich ist ?

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Hallo,

ich antworte Ihnen gerne, aber vorab wäre wichtig zu wissen: Wie geht es Ihnen in der Rolle als Mama, wenn ihr Mann nicht da ist? Ist das Problem also nur da, wenn Papa anwesend ist?

Wie lange sieht ihre Tochter den Papa dann nicht, wenn er im Schichtdienst arbeitet?

Wie fühlen Sie sich aktuell von ihrem Mann bei diesem Problem unterstützt und auch verstanden?

Wenn Sie zurückblieben: Haben Sie Erinnerungen an ihre eigene Kindheit, ob es auch bei Ihnen einen bevorzugten Elternteil gab?

herzliche Grüße,

Eliane Retz

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Vielen Dank für ihre Rückmeldung!
Zu den Fragen:

Es gab relativ am Anfang eine Zeit, in der ich vor dem Alleinsein vor allem nachts mit Kind ängstlich war, weil ich Angst hatte es nicht zu packen. Aber je öfter ich In dieser Situation war desto selbstsicherer wurde ich in dem Punkt und das legte sich dann schnell. Tagsüber hatte ich nie wirklich Probleme mit meiner Kleinen alleine den Alltag zu bewältigen. Ich wollte es ja selber schaffen !
Und zur Zeit geht es mir nicht anders wenn der Papa Tagesdienst hat und ich mit der Kleinen da allein bin (wir sind aber sehr oft auch bei den Großeltern) geht es mir in meiner Rolle gut und ich denke wir beide wuppen den Alltag ganz gut zusammen. Das „Problem“ ist also tatsächlich nur so, wenn Papa anwesend ist.

Mein Mann arbeitet bei der Berufsfeuerwehr und hat entweder Tag- (7:00 bis 19 Uhr) oder Nachtdienst (19:00 bis 7:00 Uhr) natürlich ist das die „reine Arbeitszeit“ und ist ja schon früher weg. Allerdings hat er nach einem „Schichtblock“ auch immer 3 Tage am Stück frei (Freiblock). Also ein kompletter Dienst würde dann zb so aussehen: Tag (7-19), Nacht (19-7), ein Tag frei, Tag (7-19), Nacht (19-7) —> das wäre ein Dienstblock, anschließend hätte er 3 Tage am Stück frei (Freiblock) und es würde con vorn beginnen.

Mein Mann versteht mich in meiner Situation, aber sagt mir oft, dass es nicht so schlimm
Ist. Und sie uns beide gleich doll liebt.
Ich habe manchmal das Gefühl, dass er mir „zu viel“ abnimmt an Aufgaben und co. Was ich auch schon ihm gegenüber angesprochen habe. Und er sich dann zeitweise auch Mühe gibt bewusst zurückzunehmen. Allerdings ist das in Bezug auf die kleine nicht wirklich Erfolg führend. Da sie dann gefühlt umso mehr weint und zum Papa möchte. Daher gebe ich dann auf und es ist also dann letztendlich wie immer.

Ihre letzte Frage ist schwieriger zu beantworten. Also an was ich mich erinnere, wenn ich an meine Kindheit denke, ist, dass meine Mama, diejenige war, die sich mir oder auch meinen Geschwistern gegenüber wirklich mit voller Hingabe und aufopferungsvoll gekümmert hat, um uns eine schöne Kindheit zu ermöglichen mir allen Dingen, die in ihrer Macht standen. Mein Vater war auch ein liebender Papa aber eher der passivere Teil, unter anderem weil er auch derjenige war, der arbeiten ging. Also meine Mutter war vielleicht nicht wie es bei uns gerade ist, die bewusst ausgewählte BP gewesen, sondern einfach nur weil die Dinge so waren.

Ich hoffe das gibt Ihnen etwas mehr Aufschluss.
Ich bedanke mich jetzt schon für Ihre Mühen !

Beste Grüße!
Sema

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Liebe Sema,

da ihre Tochter den Papa also phasenweise nicht täglich sieht bzw. es immer wieder Pausen gibt, kann es gut sein, dass sie sich deshalb dem Vater sehr zuwendet. Es scheint so, dass sie bereits in diesem Alter verstanden hat: Papa ist da, aber eben nicht immer.

Ich denke, dass es viel damit zu tun hat. Und natürlich ist es gut, dass sich der Papa so aktiv einbringt. Dass Sie selbst ihre beiden Eltern in so positiver Erinnerung haben, ist sehr wertvoll.

Wenn Papa da ist, dann planen Sie trotzdem Exklusiv-Zeit mit der Tochter ein. Damit das klappt, wäre es gut, wenn der Papa dann auch die Wohnung verlässt (z.B. den Einkauf übernimmt, eine Runde joggen geht). Ich denke, das würde helfen, dass für Sie die Situation wieder leichter wird.

Es wäre wichtig, dass ihr Mann ihre Gefühle und Sorgen wirklich ernst nimmt. Meine Idee wäre: Kümmern Sie sich mehr gemeinsam. z.B.: Papa zieht einen Socken an, Mama den anderen. Leben Sie das ganz konrekt in viele Alltagssituationen vor, damit sich diese Trennung, die sie aktuell erleben, ein wenig verrringert.

Herzliche Grüße,

Eliane Retz

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