Kita voreilig?

Hallo, Dr. Retz.

Mich würde interessieren was sie zu folgendem als Expertin sagen würden.

Meine Tochter ist jetzt ca. Fünf ein halb und besucht die Kita. Sie ist sehr scheu und ängstlich gegenüber Altersgenossen und spielt eher weniger mit ihnen oder nur mit zwei ihr im Verhalten ähnlichen Kindern. Sie ist nicht ein Rabauke sondern ein wirklich braves Mädchen und ich meine in ihrer geistigen Entwicklung ihren Altersgenossen bereits teilweise weit vorraus.
Leider war es in der Beziehung mit meiner Ex nicht möglich Spiel oder Krabbelgruppen zu besuchen da hier alles panisch verneint würde. Meiner Meinung nach resultiert auch das Verhalten meiner kleinen daraus daß sie Kinder erst mit fast vier kennengelernt hat. Auch fragt meine kleine immer in der Kita ob sie dies oder jenes machen darf und beobachtet die Reaktionen der Erzieherinnen aufgrund der Erlebnisse im mütterlichen Haushalt und den stricken verboten oder auch ständigem Ärger.
Würden sie ein solches Verhalten als sehr auffällig beschreiben oder in Zeiten von Corina und dem ständigen Kita auf und Kita zu Erlebnissen eher als normal bzw. Als erweiterte Eingewöhnung und Sozialisierung eines Mädchens ansehen, welches einfach noch nicht die Möglichkeit hatte Spaß an anderen Kindern zu finden. Die Kita sprach nämlich sogar schon von Kindeswohlgefährdung. Für mich unverständlich da die Kita nicht wirklich sich ein Bild hat machen können und es nicht schlimm ist wenn ein Kind vorsichtig, bedacht und intelligent vorrauschauend aggiert.

Dankeschön und viele Grüße

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Hallo,

Kinder sind sehr unterschiedlich in ihrem Temperament. Es gibt scheue, ruhige, introvertierte Kinder, die sehr gerne alleine spielen, damit sehr zufrieden sind und für die der Kontakt zu anderen eine große Herausforderung darstellt.
Unsere Persönlichkeit ist bis zu einem gewissen Grad genetisch geprägt, das wissen wir aus der Forschung. Meist haben introvertierte, sozial gehemmte Kinder auch einen Elternteil, der sich so beschreibt.
Aber: Entscheidend ist die Umfeld, die ein Kind langfristig prägt. Und damit sind natürlich gute Beziehungserfahrungen mit den Eltern gemeint, aber auch ein gutes, stützendes Umfeld. Die Frage ist, ob es eine gute Kita ist, die die Kinder erstmal so annimmt, mit dem was sie als Entwicklungsthemen mitbringen? Und ob hier eine gute Zusammenarbeit mit den Eltern geschieht. So wie Sie ihre Tochter beschreiben, scheint sie sehr sensibel zu sein. Oft haben diese Kinder ein gutes Gespür, beobachten viel, ziehen sich bei unfeinfühliger Behandlung zurück.

Sie leben als Familie ja nicht mehr zusammen, wenn ich das richtig verstanden haben. Andauernde Konflikte oder Spannungen belasten Kinder meist sehr. Für Trennungseltern gibt es einen sehr guten Kurs, den ich Ihnen empfehlen möchte: https://www.kinder-im-blick.de/ Dieser Kurs wird deutschlandweit angeboten. Beide Elternteile sollten den Kurs besuchen, aber in getrennten Gruppen.

Dass ihre Tochter in diesem Alter Freunde findet, ist jetzt ein wichtiger Entwicklungsschritt. Das ist ein wichtiges Thema in diesem Alter, auch hinsichtlich der Einschulung. Meine Empfehlung wäre, dass Sie in der Kita erfragen, welche Kinder ihre Tochter mag. Treffen Sie regelmäßig ein bis zwei Kinder außerhalb der Kita, das hilft oft sehr, damit sich Freundschaften entwickeln.

Ob das Wohl des Kindes gefährdet ist, kann ich nicht einschätzen. Dazu braucht es eine abklärende Diagnostik. Man sollte den Eindruck der Kita aber ernst nehmen. Suchen Sie das Gespräch mit dem Kinderarzt, der Kinderärztin. Sie können auch von sich aus Kontakt mit einer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin aufnehmen.

Herzliche Grüße,
Dr. Eliane Retz