Verwirrt und Verheult

Hallo zusammen,
ich weiß das dies nicht hier her gehört, aber ich wollte gerne anonym bleiben.

Ich wollte einmal um eure Meinung bitten.
Ich bin 31 Jahre alt, verheiratet und habe eine vierjährige körperlich eingeschränkte Tochter. Meine Eltern haben sich geschieden als ich 5 Jahre alt war, ich war ein absolutes Papa Kind. Mein Vater kam aber mit der Trennung sehr schlecht zurecht und begoss diese leider sehr häufig mit Alkohol. Darunter litt natürlich unsere Tochter/Vater Beziehung sehr, immer wieder hat er sich ewig nicht gemeldet, teilweise über 2 Jahre. Als ich etwa 13-14 Jahre alt, wurde es aber wieder besser. Wir hatten regelmäßigen Kontakt, aber alles eher kühl und oft nur telefonisch. Eine längere Funkstille gab es seitdem aber nicht mehr. Mit 18 war ein ein absolut pubertierendes Monster und bin bei meiner Mutter rausgeflogen und habe dann ungefähr ein Jahr bei meinem Vater gewohnt. Diese Zeit war aber auch oft stressig, da ich wie gesagt absolut nicht einfach war, er eine nicht ganz so ehrliche Freundin hatte und er meinen damaligen Freund nicht ausstehen konnte. Also gab es immer wieder Zündstoff. Als ich dann 3 Monate Saisonarbeit gemacht habe und nach Hause kommen wollte, sagte er mir am Telefon wo denn mein Zuhause sei, ich sagte bei ihm und er verneinte das. Also zog ich zu meinen Großeltern. Das hat mich damals sehr verletzt, von da an war der Kontakt eher locker, man telefonierte 1-2 Mal im Monat, mal öfter mal weniger. Er hatte allerdings während der ganzen Jahre immer wieder Phasen wo er sehr viel Alkohol getrunken hat. Sicher auch immer mal Monate ohne, aber ich bin davon überzeugt, dass er da definitiv ein Suchtverhalten hat.
Vor 4 Jahren wurde nun unsere Tochter geboren, die ersten 2,5 Jahre war sie sehr sehr krank wo niemand uns sagen konnte ob sie es überleben wird. Mein Vater hatte zu diesem Zeitpunkt eher telefonisch Kontakt, Besuche waren eher selten, so 5-6 mal im Jahr. Wenn wir allerdings Hilfe im Krankenhaus benötigten, ist er immer ohne Wenn und Aber eingesprungen.
Die letzten zwei Jahre wurde mein Vater sehr krank, er hatte große Probleme mit den Knochen und es gipfelte darin das er von März bis Ende August was ausschließlich im Krankenhaus war.
Er war eine Woche auf der Intensivstation und uns hat er erst hinterher Bescheid gegeben, was mich sehr gekränkt hat, er meinte er wolle uns nicht noch mehr belasten etc.
Nachdem ich wusste das er im Krankenhaus war, habe ich mich gekümmert, ihm Wäsche gebracht, Besorgungen gemacht etc.
Als er dann entlassen wurde, sollte er noch nicht laufen und ich bot ihm an zu uns zu ziehen für einige Wochen. Er willigte ein und wir verbrachten 5 wirklich schöne Wochen zusammen. Wir kochen beide gerne und haben viel zusammen gekocht. Aber auch ganz viel gelacht und eben eine tolle intensive Zeit gehabt. Zu unserer Tochter hat er eine unwahrscheinlich schöne Beziehung aufgebaut, sie hat ihn richtig lieb gewonnen und konnte ihn endlich mal richtig kennenlernen. Aber auch er hat sich so toll mit ihr beschäftigt und die beiden haben sich immer neue tolle Spiele ausgedacht. Eben so wie ich mir einen Opa für meine Tochter wünschen würde, der ihr versucht die Welt zu erklären und zu zeigen.
Nach langem Hin und Her, war heute nun der Tag gekommen wo er wieder in seine eigene Wohnung ziehen sollte. Ich hatte schon die ganze Zeit ein mulmiges Gefühl und wollte eigentlich nicht das er geht. Aber ich bin ja auch verheiratet, mein Mann wollte auch gerne mal wieder „unter uns“ sein und irgendwie muss er ja auch wieder in sein eigenes Leben.
Wir haben ihn also weggebracht und schon beim rausgehen aus unserer Wohnung, merkte ich wie schwer es ihm fiel. Und mir natürlich auch, ich musste die ganze Zeit mein heulen unterdrücken weil es mir so unangenehm war und ich es in dem Moment als falsch empfand. Als wir dann bei ihm waren und alles ausgepackt hatten, wollte ich relativ schnell nach Hause weil ich eben die ganze Zeit mein heulen unterdrücken musste.
Er saß auf dem Sofa und wollte aufstehen, jetzt denke ich weil er mich umarmen wollte. Was bestimmt schon seit 20 Jahren nicht passiert ist. Ich sagte völlig das überfordert und schnell er brauche doch nicht extra aufstehen, wir finden den Weg raus. Da sah ich wie ihm die Tränen liefen, aber ich konnte nicht anders und bin einfach gegangen. Im Auto brachen dann alle Dämme und seit dem kann ich mich nicht zusammenreißen und heule wie irre. Ich könnte mich Ohrfeigen für mein Verhalten, wie gerne würde ich jetzt zu ihm gehen und ihn einfach in den Arm nehmen. Aber ich will natürlich auch nicht das er dann nochmal „Abschied“ hat, wobei Abschied ja Quatsch ist, wir wohnen 300m entfernt. Und ich hoffe so sehr, das dieses enge Verhältnis bleibt, aber ich habe auch total Angst wenn er wieder mehr unterwegs ist und wieder zum Alkohol kommt, das wir ihm dann wieder egal sind. Oh man mein Kopf ist völlig durcheinander und ich musste mir das einfach einmal von der Seele schreiben.
Ich habe ihm dann eben nochmal bei WhatsApp geschrieben, das er uns jetzt schon fehlt und er sich bitte melden soll wenn er etwas braucht oder es ihm schlecht geht. Er hat dann geschrieben das er das macht und uns eine gute Nacht gewünscht.
Ich kann auch meine Reaktion jetzt gar nicht nachvollziehen, ich heule und vermisse ihn so sehr. Man ich bin eine erwachsene Frau, mit einer Familie und Verantwortung und komme jetzt damit absolut nicht zurecht.
Vielleicht hat jemand von euch als Außenstehender einen schlauen Rat oder Idee warum das so ist wie es ist.
Viele liebe Grüße

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Ach Mensch
Das klingt ganz so, als wenn ihr beiden sehr viel Zeit nachzuholen habt. Und sehr viel aufzuarbeiten.
Es sind nur 300m, geh doch morgen einfach mit Brötchen vorbei! Sag ihm, dass du Tränen in den Augen hattest und die Zeit mit ihm bei euch sehr genossen hast. Sag ihm einfach was du fühlst!
Ich kann deine Angst verstehen, dass er rückfällig wird. Die Gefahr besteht ja immer. Habt ihr mal über einen Therapieplatz für ihn gesprochen? Oder eine ambulante Therapie für euch zwei?

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Könnte er nicht in eure Nähe ziehen? Oder ist er sehr an seinen Wohnort gebunden?

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Er wohnt nur 300m entfernt.

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"nur" finde ich das nicht.

Meine Mutter wohnte auch "nur" knapp 300 km weit weg. Da fährt man eben nicht mal eben so kurz hin.
Sie ist dann hierher gezogen. Und das ist schon toll. Ich kann sie einfach mal kurz zum Kaffee abholen, mit ihr zusammen etwas besorgen und alles mögliche.

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Ich würde ihn direkt in Euer Familienleben einbinden und ihn für zb übermorgen zum Abendessen einladen. Plus noch etwas Spielzeit ist der Kleinen.
Abschiedsschmerz wird besser wenn man sich schon auf das nächste Treffen freut!

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Organisiert Euch doch einfach gemeinsam. Wie viele Stunden pro Woche arbeitest Du, wie viele Dein Mann? Du kannst sicher einiges an gemeinsamer Zeit mit Deinem Vater und Deiner Tochter verbringen, ohne Familienzeit mit Deinem Mann einzubüßen. Dein Vater muss sicher auch einkaufen, kann er das überhaupt alleine? Da geht es doch schon los.

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Ganz ehrlich, das klingt ungesund, deine Beziehung zum Papa. Er wohnt 300m weiter.... wozu das Drama?

Ich glaube, du solltest da einiges aufarbeiten.

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Besucht ihn halt täglich. Was spricht dagegen?
Bald entwickelt sich dadurch ein liebes Ritual und dein Mann und du habt trotzdem Zeit für euch. Vielleicht mag auch deine Tochter mal bei ihm schlafen, wenn er körperlich wieder besser gestellt ist.
Gebt ihm das Gefühl, dass ihr IMMER für einander da seid. Dann wird alles gut!#winke

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Vermutlich war deine Reaktion unterbewusst Selbstschutz vor erneuten Enttäuschungen.

Und das ist ja was, was man kommunizieren kann. Fahr deinen Papa doch mal (alleine!) besuchen. Und sag ihm, dass du so glücklich bist, dass ihr wieder ein inniges Verhältnis habt und du es gerne weiter führen möchtest, aber auch Angst vor erneuter Distanz oder übermäßigem Alkoholkonsum hast. Dann sind die Karten auf dem Tisch und dein Papa kann was draus machen (hoffentlich keinen Alkohol trinken und Kontakt halten 😊).