Verheimlichen? Verpflichten?

Mich würde mal eure Meinung interessieren. Würdet ihr es wissen wollen oder wäre euer Partner sogar dazu verpflichtet euch zu sagen wenn er vorher in seiner Beziehung Gewalt erfahren hat? Ausgangslage Kennenlernen, neue Partnerschaft, vor der Gewaltbeziehung allerdings gannz normale Beziehungen gehabt, dann Gewaltbeziehung aber recht schnell beendet. Schon danach erst einmal Wunden geleckt, Nase voll gehabt und Zeit gebraucht sich wieder auf wen einzulassen.
Klar, verändert das einen Menschen eine solche Erfahrung, aber man bleibt ja trotzdem noch der gleiche Mensch wie vor dem ganzen?! Ich habe Angst das zu sagen, ich möchte nicht das mein neuer Freund mich mit anderen Augen sieht, nur weil das passiert ist. Ich habe aber auch Angst, etwas zu verheimlichen, was er wissen sollte.

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Ehrlich gesagt, ist das eine schwierige Gratwanderung und der Zeitpunkt der Erzählung will gut gewählt sein...wenn man es denn überhaupt erzählen will.

Grundsätzlich bleibt es Deine Entscheidung und es ehrt Dich in gewisser Maßen, dass Du möchtest, dass er Dich so unbefangen kennen lernen kann wie möglich.

Ich habe, um ehrlich zu sein, immer ein Problem damit gehabt, wenn man schon quasi beim ersten Treffen alle bösen Erfahrungen und Grausamkeiten, die einer Frau widerfahren können, serviert bekommen hat. Das hinterließ bei mir immer den Eindruck, dass sich hier jemand vorab schon einmal Absolution erpresst. nach dem Motto: "Sieh her, das und das habe ich mitgemacht, also sollte ich Dir mal blöde kommen, weißt Du jetzt schon warum und Schuld sind die anderen!"

Andererseits kann es, muss es nicht, auch ein Vertrauensbeweis sein, wenn jemand Derartiges schon sehr früh erzählt. Obwohl ich mir einbilde, zu merken, will hier jemand nur hausieren gehen mit seinem persönlichen Horror oder meint er in mir jemanden gefunden zu haben, dem man das mitteilen kann, obwohl man es eigentlich nicht möchte.

Wenn Deine damaligen Erfahrungen bis in die aktuelle Beziehung strahlen und Dein Verhalten Deinem Gegenüber ernsthafte Fragezeichen auf die Stirn wirft. kann es zum Verständnis beitragen, dass er die Hintergründe für Dein Verhalten kennt.

Das birgt aber auch das Risiko der Ablehnung. Ich selbst würde Frauen, die bestimmte Erlebnisse ertragen mussten, nicht mehr als Partnerin zulassen. Als Mensch natürlich, immer gerne, jedoch nie in der Rolle der gleichberechtigten Frau an meiner Seite. Das mag ungerecht klingen aber ich kenne mittlerweile mein Limit an dem, was ich aufgrund von bestimmten Erlebnissen der Partnerin, selbst an Unlogik, Ungerechtigkeit, Aggressivität, sexueller Desorientierung usw. ertragen kann. Und ich bin Partner, nicht Therapeut.

Ich denke, Du fährst nicht schlecht damit , es ihm (erst einmal) nicht zu sagen. Verpflichtet bist Du dazu ohnehin nicht. Jeder hat seine Geheimnisse und das ist manchmal auch ganz gut so.

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danke. Ich tendiere auch eher dazu es nicht zu sagen, ich habe mir nach der Gewaltbeziehung therapeutsche Hilfe gesucht und mit vielen Menschen gesprochen und abgeschlossen. Es war eine Erfahrung in meinem Leben die nicht gut war aber es war nicht die einzige Erfahrung und es macht mich nicht als Menschen aus was da passiert ist. Ich gebe dir recht sollte es Auswirkungen haben dann wäre ein guter Zeitpunkt was zu sagen oder aber auch wieder zur Therapie zu gehen. Das soll in der neuen Beziehung einfach nicht zum Problem werden das möchte ich selbst nicht.

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Wenn das Dein momentanes Gefühl ist, würde ich es dabei belassen. Sollte es danach sein, wirst Du irgendwann in der Zukunft, mit noch mehr Abstand zu den Ereignissen, eventuell die Gelegenheit finden, es anzusprechen. Wenn es für Dich absolut keine Bedeutung hat.

Gerade zu Beginn sollte man mit wirklich gravierenden Ereignissen gut dosiert umgehen. Immer vorausgesetzt, dass diese Ereignisse nichts mit der aktuellen Beziehung nichts zu tun haben oder Auswirkungen auf diese haben.

Das gilt nicht nur für solche Erfahrungen, wie Du sie machen musstest, sondern auch für Dinge wie bestimmte Lebensbrüche, die zu Beginn zu Missverständnissen oder Irritationen führen können.

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Ich würde es erzählen, denn das gehört zu dir. Wie soll dein Freund dich verstehen, wenn du ihm Dinge verheimlichst?

Außerdem: reagiert er schlecht, ist er nicht der Richtige für dich.

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Zu meiner Vergangenheit gehören auch sehr negative Ereignisse und ich würde mich fragen, ob ich den richtigen Partner habe, wenn ich ihm davon nicht erzählen könnte. Dabei geht es nicht um eine Verpflichtung, sondern um Vertrauen und darum, dass er mich als kompletten Menschen kennen sollte (und nicht nur die Sonnenseite oder die Oberfläche).

Muss aber dazu sagen, dass ich das in einer Beziehung auch brauche. Mir ist immer schleierhaft, wieso bei anderen Paaren häufiger Sätze kommen wie "das darf er/sie aber nicht wissen!" oder "darüber kann ich mit ihm/ihr gar nicht reden".

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Aber doch nicht gleich zu Anfang einer Beziehung. Ich finde, wenn man schon was berichten will, dann erst, wenn mich der andere erstmal so kennengelernt hat, wie ich jetzt bin. Alles andere ergibt sich dann im Lauf der Beziehung. Was ich meinem zweiten Mann nicht erzählt habe, hatte einfach keine Bedeutung mehr in der Ehe mit ihm. Man muss nicht ewig und immer wieder in seinen schlimmen vergangenen Erlebnissen wühlen. Erzählen KÖNNEN hätte ich alles, aber ich wollte einfach nicht mehr jedes widerliche Detail herauszerren. Diese Details nehme ich mit ins Grab und das ist auch gut so.
Anders wäre es, wenn die TE flashbacks hätte oder heute noch mit vielem zu kämpfen hätte, dann wäre ich auch für erzählen - aber auch nicht bei den ersten 10 Treffen.
Vor meinem zweiten Mann lernte ich auch Männer kennen, die gleich beim ersten oder zweiten Treffen ihre verkorkste Jugend oder ihre schlimme erste Ehe neben den Vesperteller packten - furchtbar. Man weiß ja garnicht, was man dazu sagen soll. Die wollte ich dann garnicht mehr näher kennenlernen.
LG Moni

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" Aber doch nicht gleich zu Anfang einer Beziehung."

Doch, auch zu Anfang der Beziehung oder sogar davor. Nicht, weil ich es muss, sondern weil man sich eben über unterschiedliche Themen unterhält und ich dann nicht so tue, als hätte ich davon keine Ahnung.

Ich nehme gar nichts mit ins Grab. Und das ist auch gut so. :-)

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Puh sowas ist schwierig.

Solltest du es in Erwägung ziehen zu sagen, dann sei dir bitte ganz sicher wie dein jetziger Partner einzuschätzen ist.

Ich hatte die schlimme Erfahrung gehabt, es meinem damaligen Partner erzählt zu haben das ich davor Gewalt erfahren habe etc.
Ich hatte großes Vertrauen in ihm, und das Gefühl, dass es mir gut tut den Ballast los zu werden bei ihm.
Das war ein Fehler.
Anfangs als er das erfahren hat war er empört darüber wie ein Mensch sowas einem anderen antun könnte etc.

Mit der Zeit (als Beziehungskrisen bei uns kamen) war er so unfair meine Vergangenheit da mit rein zu ziehen um mich absichtlich zu verletzen.
Ich konnte mir Sätze anhören (nur weil ich ihn bat bei der Erziehung unseres Kindes mit zu wirken) dass ich es damals verdient hätte geschlagen worden zu sein etc.

Er drehte den Spieß um und ließ die schädigende Person auf einmal positiv da stehen. Stellte sich auf deren Seite und fing sogar nach einer Zeit an mich zu schlagen (als ich mich trennen wollte).

Ich bin derzeit in therapeutischer Behandlung deswegen.
Leider traue ich mich bis heute noch nicht meinem jetzigen Ehemann all das zu erzählen, aus Angst, dass er vielleicht so etwas auch irgendwann mal machen könnte.
Ich vertraue ihm sehr, aber das habe ich bei meinem Ex damals auch.

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Diesen Aspekt hatte ich gar nicht bedacht: Dass das Gesagte im Streit und im Zorn gegen einen verwendet wird. Es muss nicht immer so extrem verlaufen wie Dir. Es reicht schon, dass man in der Hitze einer Diskussion tatsächlich auf diese Ereignisse als vermeintliches Argument zurückgreift um damit einen Zusammenhang zwischen dem Verhalten jetzt (Streit, vielleicht unfaire Wortwahl) und der Vergangenheit herzustellen.

Vielleicht auch aus Hilflosigkeit weil einem der Partner im Streit so fremd erscheint und man vielleicht wirklich glaubt, da bestehe ein Zusammenhang. Unfair ist es jedoch trotzdem.

Ist mir persönlich auch schon passiert, das man in einer heftigen Auseinandersetzung unüberlegte Sätze sagt und das Wissen um die Vergangenheit des Partners mit verwendet.

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Ja dem muss ich dir zustimmen

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Ich würde es zu einem passenden Zeitpunkt erzählen, wenn es sich ergibt und sich in dem Moment richtig anfühlt, es zu erzählen, aber ich würde es nicht von mir aus thematisieren. Es ist ja keine Hepatits o.ä. was der andere wissen MUSS. Wenn Ihr Euch besser kennt, du ihm vertraust, ihn einschätzen kannst, wie er darauf reagiert, dann kannst du es ja mal erzählen, wenn Ihr z.B. eh gerade ein ernstes Gespräch über Vergangenes führt. Oder wenn es z.B. mal Streit gibt oder Missverständnisse wegen eines Verhaltens, das du an den Tag legst, weil du durch das damals geprägt wurdest, dann würde sich auch anbieten, ihn aufzuklären, warum du jetzt so und so reagierst, damit er dich einfach besser versteht und Rücksicht nehmen kann. Aber ohne Anlass würde ich es nicht erzählen.

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Ich würde es so machen, wie es sich richtig für dich anfühlt.

Mein Partner hat sehr früh erfahren, dass ich vergewaltigt worden bin. Da waren wir noch nicht mal richtig zusammen. Es hat sich im Gespräch einfach ergeben.
Dafür hat er mir genauso früh erzählt, dass er als Kind sexuell missbraucht wurde. Wir haben ein paarmal drüber gesprochen und dann war es auch gut.

Ich hatte nie das Gefühl, ich müsste es ihm erzählen oder ich müsste noch warten.

Wenn ein "muss" mitschwingt, dann lass es. Du *darfst* es ihm erzählen. Du darfst es auch bleiben lassen. Es ist deine Geschichte. Du bestimmst, wer sie wann - und ob überhaupt - zu hören bekommt.

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Ich glaube Du tust gut daran Dich von Deinem Bauchgefühl leiten zu lassen.
Im Moment gibt es ja keinerlei Bedarf darüber zu reden. Sollte sich dann irgendwann Deine innere Stimme melden, daß "es raus muss", dann erzählst Du es.

Wenn Dich Dein Gewissen plagt, dann wirst Du es so oder so erzählen müssen, weil es für Dich dann Heimlichtuerei wäre, wenn Du nichts sagen würdest.

Dem steht entgegen, daß das für ihn vermutlich nicht unbedingt das Wichtigste an Dir ist.

Er liebt Dich aus der Gegenwart heraus.

Mein Ansatz wäre: ich kann nichts falsch machen, egal ob ich es ihm sage oder nichts sage.

Wenn es dann dazu kommt, wird es richtig sein.

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danke für deine Meinung. In meiner Therapie ging es viel darum im Hier und Jetzt zu leben und ich habe auch endlich das Gefühl dort angekommen zu sein. Wie gesagt natürlich bestimmt der Mensch der ich in meiner Vergangenheit war das Hier und jetzt mit. Aber das Leben ist doch ein Fluß und jede neue Erfahrung prägt den Menschen ebenfalls mit und ich will mich einfach nicht reduzieren lassen auf diese eine Gewaltbeziehung, ich bin mehr als das. Du und andere habt mir sehr geholfen bei meiner Entscheidung, ich werde erst dann was sagen wenn der richtige Zeitpunkt da ist ich habe nichts zu beichten denn ich habe kein Vebrrechen begangen.