Auswirkungen von Adoption auf Kinder

Hallo,

wie glücklich sind eure Kinder über die Tatsache, dass sie adoptiert wurden? Oder auch in Pflege gegeben wurden?

Verstehen sie, dass es Gründe dafür gab und dass es nicht an ihnen lag, dass sie nicht bei ihren Eltern aufwachsen dürfen?

Kommt es auch vor, dass man keine Bindung zu einem Adoptivkind oder Pflegekind aufbauen kann und es dann "weitergereicht" wird? Auch wenn es bereits als Baby in die Familie kommt?

Kommen Neugeborene direkt in Ihre neue Familie oder vergeht bis dahin noch Zeit?

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Hallo und guten Morgen,

ich denke, Du wirst keine eindeutige Antworten bekommen können, da jede Situation und jedes Kind einfach anders ist.

Wenn bei Neugeborenen fest steht, dass sie in die Dauerpflege gehen, kommen sie bestimmt auch direkt zu potentiellen Dauerpflegeeltern. Oder sie kommen erst in eine Bereitschaftspflegefamilie, bis geklärt ist, wie es weitergeht. Das ist für das Baby natürlich nicht schön, da es dann ja einen erneuten Beziehungsabbruch hat und ein solcher immer Spuren hinterlässt. Bei uns gibt es auch die Möglichkeit der unsicheren Dauerpflege, d.h. das Kind kommt direkt in die Dauerpflegefamilie, es besteht aber die erhöhte Möglichkeit, dass es zu einer Rückführung kommt. Ob man das als kinderloses Paar mit vielleicht unerfülltem Kinderwunsch aushält weiß ich nicht. Oder das Kind kommt in eine Einrichtung, wenn keine Familienpflege zur Verfügung steht. Das finde ich den Supergau, da hier ja kein verlässlicher Bindungsaufbau möglich ist (wechselnde Betreuer).

Unsere große PT ist 8, sie ist damit aufgewachsenen, dass sie noch andere Eltern hat, mit denen sie sich regelmäßig (einmal monatlich) trifft. Wir sind von Anfang an sehr offen damit umgegangen, so dass es für sie total normal ist. Sie weiß, dass die Gründe nicht bei ihr lagen. Umso älter sie wird, umso mehr Fragen werden kommen. Wie es in der Pubertät wird, wissen wir noch nicht. Wir hoffen, dass die vorhandene Bindung und unsere Liebe zueinander uns auch durch diese Zeit tragen wird.

Es kommt bestimmt vor, dass Pflege-/Adoptiveltern und ein "neues Kind" keine Bindung aufbauen können. Manche Kinder haben soviele Bindungsabbrüche oder schlimme Erfahrungen hinter sich, dass sie es nicht mehr zulassen oder schaffen können. Im besten Fall findet man dann eine andere Ebene um zusammen zu leben.

Das kann ich aber aus persönlicher Erfahrung nicht berichten, unsere PK kamen mit 2 Jahren bzw. 8 Monaten zu uns und sind und fühlen sich als "unsere" Kinder. Und wir natürlich als ihre Mama und Papa. Sie haben eben auch noch eine andere Mama X und einen anderen Papa Y.

Da wirklich fast alle PK ihre bisherigen Erfahrungen und Bindungsabbrüche mitbringen bringt jedes auch seine eigenen Probleme/Päckchen mit. Das eine mehr, das andere ausgeprägter. Da kommt es auch vor, dass es zu einer Beendigung des Pflegeverhältnisses kommt. Manche Kinder können auch nicht in einem engen Familienverbund mehr leben, sie halten das nicht aus. Als Pflegefamilie sollte man sich vor der Entscheidung dafür wirklich bewußt sein, dass man unter Umständen sehr sehr viel aushalten muss. Uns wurde im Seminar erklärt, dass die Scheidungsrate bei Pflege- und Adoptiveltern erhöht ist.

Es gibt sehr viele tolle Bücher und Foren zu dem Thema, wo Pflegeeltern und Adoptiveltern von ihren Problemen, Erfahrungen und auch schönen Erlebnissen berichten. Da lohnt es sich auf alle Fälle, sich auch zu informieren.

Liebe Grüße
Delenn

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Magst du vielleicht schildern, inwiefern sich der Rucksack eurer Kinder bemerkbar macht? Welche Verhaltensweisen führst du auf die Vorerfahrungen zurück? Vor allem bei dem Kind, was bereits mit 8 Monaten zu euch kam würde mich das total interessieren. Es war ja noch sehr klein und kam vermutlich direkt aus der Bereitschaftspflege?
Ich bin so neugierig, weil ich solche Infos aus 1. Hand gerade für Bewerber sehr wichtig finde. Außerdem haben wir auch seit 6 Monaten ein kleines Pflegekind und bisher zeigt es ganz normales kleinkindliches Verhalten. Ich frage mich manchmal, wann sich der Rucksack bemerkbar macht. Würde mich freuen, wenn du dazu was erzählen magst.

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Hallo,

zu den Folgen zählen z.B.: Hautprobleme, Atemprobleme (durch Passivrauchen), permamentes Händewaschen und Kontrolle des Kühlschranks (ob noch etwas zu Essen da ist). Massive Trennungsängste. Fehlende Impulskontrolle.
Die Kleine lebte die ersten vier Monate auf mir. Ließ sich nicht ablegen, sobald ich es versuchte, schrie sie bis zum Erbrechen. Wir sind/waren Bereitschaftschaftsfamilie für sie, jetzt darf sie bleiben (Dauerpflege). Wickeln ist ein absoluter Kraftakt. Schlafen nur mit Körperkontakt (auf mir drauf, sobald ich mich bewege, ist sie wach). Sie hat aber auch viel hinter sich, wir mussten viele Untersuchungen machen lassen, um körperliche Schäden auszuschließen.

Was noch kommt, wissen wir nicht.

Aber: Beide Mädels sind die tollsten und liebsten Mäuse, die ich mir vorstellen kann. Beide haben tolle Eigenschaften, Ideen, Energie, Lebenswillen..... Wir sind unsagbar dankbar und stolz, dass sie zu unserer Familie gehören.

Herzlichen Glückwunsch zu Eurer kleinen Maus!

Liebe Grüße
Delenn

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Hallo,
ich selbst bin ein, mittlerweile erwachsenes, Adoptivkind, dass direkt nach der Geburt adoptiert wurde.

Ich fasse einmal kurz zusammen, wie meine Erfahrungen zu dem Thema aussehen:

Meine Adoptiveltern waren für mich vom ersten Tag an immer selbstverständlich meine geliebten Eltern. Das ist ja auch normal und so zu erwarten, weil ich ja nur diese Eltern habe und vorher oder neben ihnen keine anderen hatte. Wieso sollte ich es auch anders sehen ?
Von Natur aus gäbe es ja auch keinen Grund, es als Kind anders zu sehen.

Das änderte sich jedoch im Laufe der Jahre dadurch, dass meine Eltern immer wieder erwähnten, dass ich ja nicht ihr leibliches Kind sei und quasi nur 'dazugekommen'.
Mir wurde immer nahe gelegt, dass ich ja dankbar sein müsste, jetzt bei ihnen zu sein, da ich ja sonst nichts hätte oder nichts wäre etc. ...

Auch wurde immer wieder so getan, als sei ich wenig wert, problematisch, minderwertig und müsse dankbar sein, dass die anderen, also meine Adoptiveltern und mein Umfeld, mich überhaupt duldete und akzeptierte, obwohl ich ja eigentlich gar nicht dazu gehörte.

Ich erlebte im Alltag ständig mit, dass andere Leute meine Eltern immer wieder darauf hinwiesen, dass Adoptiv-Kinder ja quasi Kinder 'zweiter Wahl' seien und man ihnen viel Kraft durch die schwierige Zeit wünschte, bis sie ihr Problemkind groß gezogen hätten.

Meinen Eltern wurde immer wieder eingeredet, dass ich als Adoptivkind ja schlechtere Gene hätte als sie und ich deshalb ja die Anforderungen nicht erfüllen könne, die sie an mich stellen würden und der Frust und die Enttäuschung ja so vorprogrammiert sei.

Und Frust spürten meine Eltern auch täglich. Fraglich nur, ob es wirklich von mir kam, oder von ihnen selbst oder den Leuten, die ihnen das täglich einredeten und so den Familienfrieden störten.
Ich selbst habe meinen Eltern nie einen Grund zur Enttäuschung geliefert: Ich war stets anständig, tolerant (wohl zu tolerant mit dem Umfeld), hielt mich an alle regeln und erfüllte meine Pflicht. Ich versuchte sogar ständig, immer alles richtig zu machen und Fehler zu vermeiden, da mir ja früh klar war, welchen schwierigen Stand ich hatte.

Zum Beispiel ließen sich meine Eltern ständig einreden, ich sei schlecht in der Schule gewesen und könne die Ansprüche meiner Eltern nicht erfüllen. Meine Eltern glaubten das und spielten das Spiel mit, obwohl ich zu den besten in der Schule gehörten.
In Wirklichkeit absolvierte ich das Gymnasium, während die meisten aus dem Umfeld, besonders die, die meine Eltern bearbeiteten, lediglich auf der Hauptschule waren. Meine Eltern selbst ebenfalls ......

Dies lässt sich vom Prinzip her auf viele anderen Lebensbereiche übertragen.

Was ich sagen wollte: Ich glaube, dass ein Adoptivkind im Regelfall von Natur aus immer seine Adoptiveltern als seine geliebten Eltern sieht.
Das Verhältnis wird dadurch gestört, dass die Eltern, die sich ja der Adoption bewusst sind, verunsichert sind, Komplexe o.ä. haben und sich dies anmerken lassen.

Tut mir Leid, dass ich das hier so schreiben muss, aber was ich selbst als Adoptivkind in meinem Dorf und in der Gesellschaft erlebt habe, ist mehr als diskriminierend und verachtenswert.

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Hallo,

erst Mal muss ich loswerden, dass ich es ganz schrecklich finde, wie du deine Situation erlebt hast oder noch erlebst! Ich hoffe sehr, du konntest dir Hilfe suchen oder tust es jetzt noch!

Ich bin selbst ebenfalls adoptiert, bin direkt nach der Geburt zu meinen Adoptiveltern gekommen und inzwischen selbst Mama einer kleinen Tochter.

Ich kann allerdings von ganz anderen Erfahrungen berichten. Meine Eltern (=Adoptiveltern) sind von Anfang an sehr offen mit dieser Thematik umgegangen und haben meiner kleinen Schwester und mir immer alle Fragen beantwortet (sie ist ebenfalls adoptiert, von anderen leiblichen Eltern).
Wir hatten niemals das Gefühl weniger wert zu sein, ganz im Gegenteil.
Da meine Mutter keine Kinder bekommen kann, waren wir wirkliche Wunschkinder und das haben wir immer gespürt. Auch unsere Großeltern und anderen Verwandten haben uns immer zu 100 % akzeptiert. Ich habe mich niemals unerwünscht gefühlt.

Viel mehr Probleme hatten sowohl meine Schwester, wie auch ich mit unseren Wurzeln! Die Frage nach dem "Warum" und dem "Woher" hat uns beide besonders in der Pubertät und in jungen Erwachsenen jahren mit voller Wucht getroffen und sehr beschäftigt. Wir hatten das Glück, dass wir die Möglichkeit hatten mit einer Betreuerin (Psychologin) zu sprechen und unsere Geschichten (die sehr unterschiedlich sind) aufzuarbeiten.
Ich hatte lange das Gefühl, von der Seite meiner leiblichen Eltern ungewünscht zu sein. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dankbar sein zu müssen, dass ich nicht abgetrieben wurde.
Bis jetzt ist das Verhältnis zu meiner leiblichen Mutter sehr sehr schwierig, sie hat ihre erste leibliche Enkelin bisher nicht gesehen, was mir immer noch fast das Herz bricht.

Ich denke, Adoptivkinder haben ebenfalls ihre Päckchen zu tragen, in verschiedenster Weise. Das Gefühl des "nicht gewollt seins" führt wohl oft dazu (laut meiner Betreuerin), sich selbst sehr oft zurückzunehmen, die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, weil man ja "dankbar" sein muss überhaupt hier zu sein.

Vielleicht liest das hier niemand mehr, aber ich musste es mir von der Seele schreiben!
Vielleicht hilft es zukünftigen Adoptiveltern.