Ist ein Pflegekind wirklich so viel schwieriger?

Hallo zusammen,
wir überlegen schon länger, ein Pflegekind in unsere Familie (Mama, Papa, Kind) aufzunehmen.
Einen speziellen Grund dafür gibt es nicht - wir könnten vermutlich ohne Probleme leibliche Kinder bekommen.
Wir könnten uns aber sehr gut mit einem 2-10 jährigen Pflegekind vorstellen, wir haben genügend Liebe zu geben. Wir habe beide nicht das Bedürfnis, unsere Gene weiterzugeben, wir wollen einfach unser Herz öffnen und ein Kind in unsere Familie aufnehmen.

Wenn man aber nach Pflegekindern googelt, kommt eigentlich immer nur: "Du kannst nie wieder arbeiten. Die Kinder sind alle schwerst traumatisiert, aggressiv, werden nie im Leben einen Schulabschluss schaffen können. Die Beziehung der Pflegeeltern wird unter dieser Belastung eh zerbrechen. Ein Pflegekind ist eine zehnmal höhere Belastung als ein leibliches Kind.Ein Kita/Schulbesuch ist quasi gar nicht möglich und eine Übernachtung bei den (Pflege)großeltern schon gar nicht."
Das sind jetzt so die gängigen Klischees, welche wir beim googeln gefunden haben. Und da wäre meine Frage: Stimmen die? Muss einer von uns seinen Job aufgeben? Ist ein Pflegekind so viel mehr Belastung als ein leibliches Kind und eine Drogenkarriere quasi schon vorprogrammiert?

Ich möchte das eigentlich gar nicht glauben, bin aber nach unserer Googlesuche echt verunsichert.

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Hallo du.

Was stimmt ist, dass die meisten Pflegekinder ein Päckchen mitbringen. Die einen ein kleineres als die anderen. Darunter fällt ja auch schon der Bindungsabbruch zu den leiblichen Eltern.

Es gibt ein extra Forum für Pflegeeltern und Interessierte. Dort lese ich mich seit geraumer Zeit ein (wir sind fast am Ende unseres Bewerbungsverfahrenes).
Vlt wäre das ja auch was für euch.

Die Kinder kommen halt zumeist aus Familien die Schwierigkeiten haben. Sonst würden sie ja nicht in die Pflege gehen. Und dessen muss man sich immer bewusst sein. Auch, dass der Kontakt zu den Eltern bestehen bleibt. Man treffen hat usw.
Umso älter die Kinder sind umso mehr haben sie mitbekommen. ABER umso genauer weiß man auch schon, was sie so als Paket mitbringen.

Ihr könnt euch auch einfach bei eurem zuständigen Amt einen Termin geben lassen und euch beraten lassen.

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Hallo,

Google ist ein schlechter Berater bei diesem Thema ;-).


Einige von Dir aufgezählte Dinge sind in der Praxis oft eher unproblematisch, z.B. perspektivisch wieder (stundenweise) zu arbeiten, wenn ein Pflegekind sich zunächst mal gut in die Familie eingelebt hat und den Kindergarten/die Schule besucht. Auch ein Schulabschluss oder eine Übernachtung bei den Großeltern sind nicht kategorisch ausgeschlossen.

Die größte Herausforderung ist- und bleibt die ganze Zeit über- der "Rucksack", den jedes Pflegekind mitbringt. Trauma ist bei sehr vielen dieser Kinder ein großes Thema, das viel Raum (zeitlich und emotional) einnimmt in den Pflegefamilien. Am schwierigsten erscheint es oft, dass ein Kind sich vermeintlich gut eingelebt hat, man sich als Pflegeeltern die größte Mühe gibt und "alles" tut- und das Kind "trotzdem" teils extreme Rückfälle in alte Muster erleidet. Die dann oft auch noch "aus heiterem Himmel", ohne von außen auf den ersten Blick erkennbaren Grund. Dieses Gefühl, "immer wieder von vorn beginnen zu müssen" mit der Beziehungs-Arbeit- und jedes Mal wird es gefühlt etwas schwerer- ist oft eine harte Probe- für die Pflegeeltern ebenso wie für das Kind.

Viele Pflegeverhältnisse entwickeln sich über die Jahre gut und tragfähig, ebenso viele scheitern jedoch "auf halbem Weg" (oft in der Pubertät bzw. Richtung Volljährigkeit).

Anstatt "wild zu googlen" ;-) solltet Ihr Euch zunächst unverbindlich durch Euer zuständiges Jugendamt oder einen freien Träger beraten lassen. Um Pflegefamilie werden zu können, bedarf es dann in der Folge einer entsprechenden Ausbildung. Während der man sich selbst als Paar/Familie klar werden kann, ob man sich dieser Aufgabe tatsächlich gewachsen fühlt bzw. das Jugendamt/der Träger schaut, ob man wirklich geeignet ist als Pflegefamilie.

Fachliteratur kann auch hilfreich sein, da sollte man allerdings auch nicht zu viel durcheinander lesen oder alles, was man "in die Finger bekommt".

Ich hoffe, das hilft Euch ein wenig weiter!?

Viele Grüße!

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Hallo!

Das Problem ist: Diese Frage lässt sich schlicht nicht pauschal beantworten.
Fakt ist: Die wenigsten Pflegekinder sind dies, weil die Eltern plötzlich verstorben sind.
Will sagen: Das JA hat entschieden die Kinder können nicht mehr bei den Eltern leben. Das hat in aller Regel auch seinen Grund.
Letztlich gibt es da das volle Spektrum von "Die Pflegekinder leben normal in der Familie wie die anderen auch" bis "Die Pflegetochter bringt den Pflegevater durch Falschbeschuldigung in den Knast".
Letzteres ist nicht nur Medial gepusht, sondern kenne ich aus (fast) aus der eigenen Bekanntschafft. Dort haben es die Eltern in letzen Moment geschaft die "Reißleine zu ziehen", bevor die Pflegetochter mit wilden Behauptungen die Existenz der ganzen Familie zerstören konnte.

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Hallo.

Natürlich liest man im internet das geballte "schlechte"
Es schreibt ja selten jemand "alles toll und gut"

Unser Pflegekind ist 5
Er hatte vor uns schon 2 abbrrüche (LM, Bereitschaft) sowas geht natürlich nicht spurlos an einem Kind vorbei.
Er stellt oft immer wieder in frage ob man ihn lieb hat, ob man sein "freund" ist.
Macht sich gedanken "wenn du alt bist, stirbst du ...und was ist dann mit mir???"
Oder er stellt überlegungen an "wenn ich sterbe...dann bin ich nicht mehr bei dir und du liebst mich nicht mehr!?"
Er brauch oft die Bestätigung das wir ihn ganz doll lieb haben.
Grundsätzlich ist er etwas verhaltensauffällig und anstrengend. Er hat aber natürlich auch viele gute seiten (emphatisch, liebebedürftig,lustig, tierlieb, wissbegierig..."

Er geht gern zu den Großeltern und schläft gerne da.

Bewusst muss man sich machen, das kein Kind ohne Grund ein Pflegekind wird. Das Kind eine Geschichte mitbringt. Das Kind hat eine leibliche Mama. Egal was vorgefallen ist und ob kontakt besteht.
Ein leibliches Kind hat einen "problemlosen" start. Pflegekinder sind oft schon in der Schwangerschaft z.b Drogen ausgesetzt, ihre Bindung wird unterbrochen.

Hier gehen alle Kinder ab 2 in Einrichtungen weil es zu wenig potentielle Pflegeeltern gibt. Das ist traurig

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Mein Bruder ist ein Pflegekind. Er hatte es nicht leicht und hat es uns auch manchmal nicht leicht gemacht. Aber er ist ein toller Mann geworden. Mittlerweile verheiratet, hat Kinder, ein Eigenheim und einen super Job.
Hat seine Ausbildung top abgeschlossen.
Er brauchte Unterstützung in manchen Bereichen. Zb war er auch in einem I-kindergarten und bekam Logopädie.
Aber im großen und ganzen ein normales Kind.