Beide Vollzeit arbeiten Ausschlusskriterium?

Wir sind eigentlich die Pflegeleltern aus dem Bilderbuch...wenn da nicht unser Arbeit wäre.
Mein Mann arbeitet zu 100% im Homeoffice, ich zu 50%, die anderen 50% außer Haus. Wir sind sehr flexibel vom Job her, unser Pflegekind müsste aber definitiv bis 14 Uhr regulär in die Kita oder Schule evtl. auch bis 16 Uhr solange es sich noch nicht selbst beschäftigen kann (also 11:30 nach Haus kommen wäre kein Problem, wenn es sich neben meinen Mann an den Tisch setzen kann und Hausaufgaben machen. Es wäre theoretisch auch bei Krankheit etc. Immer jemand da. Es wäre auch kein Problem, für Therapien oder so vormittags später anzufangen oder so, ich könnte es auch bestimmt 1-3x/Woche ab 12 Uhr "bespaßen", zu Therapien etc., aber eben nicht jeden Tag. Stunden reduzieren ginge bei beiden relativ flexibel, wollen wir aber nicht wenn irgendwie möglich.

Ist die Arbeit Ausschlusskriterium, wenn sonst alles perfekt ist? Wir würden uns für ein Kind zwischen 3 und 14 bewerben.

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Hallo,

in welchem Bilderbuch hast Du denn das Bild der perfekten "Pflegeeltern" gefunden?
Bzw. das perfekte "Pflegekind"?

Habt Ihr Euch schon eingehend mit dem Thema beschäftigt? Warum Kinder zu Pflegekinder werden? Welche Probleme sie mitbringen, was sie alles erlebt haben?

Die wenigsten Pflegekinder sind in den ersten Jahren in der neuen Familie in der Lage, sich alleine zu beschäftigen oder sich gar ruhig irgendwohin zu setzen. Viele schaffen keinen Kindergartenbesuch, sind in der Schule auffällig. Brauchen sehr viel Zuwendung, Geduld, Anleitung, Grenzen, Liebe. "Bespassung" brauchen die wenigstens, es geht sehr lange darum, Grundbedürfnisse zu befriedigen, die lange lange Zeit unbefriedigt waren.

Was ist denn perfekt bei Euch? Zimmer, finanzielle Möglichkeiten? Das ist sehr gut und notwendig, reicht aber bei weitem nicht aus. Und wieviel Zeit ein Kind braucht, um in der Familie anzukommen, inwieweit es mit seinen Traumata (und die hat jedes Pflegekind) zurecht kommt und leben kann, ob es überhaupt Bindung aufbauen kann, vielleicht doch FASD hat oder sonstige Schädigungen sieht man leider nicht von Anfang an.

Pflegekinder sind nicht mit leiblichen Kindern vergleichbar. Pflegekinder laufen nicht einfach mit. Vielleicht nach vielen Jahren.

Bei uns ist es definitiv ein Ausschlussgrund. Und das aus vielen Gründen. Hier wird vorausgesetzt, dass man mindestens ein Jahr in Elternzeit geht. Im ersten Jahr sollen die Kinder am besten nicht fremdbetreut werden, damit eine Bindung aufgebaut werden kann.

Es gibt sehr viele Bücher zu dem Thema und das Jugendamt berät auch sehr gut.

Liebe Grüße

Delenn

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Hallo


"in welchem Bilderbuch hast Du denn das Bild der perfekten "Pflegeeltern" gefunden?
Bzw. das perfekte "Pflegekind"?"

Aus meinen eigenen Erfahrungen weiß ich, dass unsere Familie für das JA der absolute Idealfall ist. Damit meine ich nicht, dass wir Perfekt für jedes Kind passen würden, sondern dass wir die idealen Voraussetzungen haben.

"Habt Ihr Euch schon eingehend mit dem Thema beschäftigt? Warum Kinder zu Pflegekinder werden? Welche Probleme sie mitbringen, was sie alles erlebt haben?"

Ja. Mehr als uns lieb ist.

"Was ist denn perfekt bei Euch?"

Wir sind jung, schon lange verheiratet, Studium seit mehreren Jahren abgeschlossen, auf Lebenszeit verbeamtet. Wir haben seit 3 Jahren einen abgeschlossenen Kinderwunsch, verdienen beide sehr gut, haben Infrastruktur, viel Unterstützung aus unseren Familien, Haus und Garten, ich habe lange als pädagogische Fachkraft mit Pflegekindern zusammengearbeitet, mein Mann war selbst ein Pflegekind und kennt diese "Perspektive", wir sind beide zeitlich flexibel und haben nicht den Anspruch "Mama und Papa" für ein Kind zu sein, sondern als Heinz und Heike mit leiblichen Eltern und dem JA zusammen zu arbeiten. Wir wollen kein kleines Baby, sondern ein größeres Kind aufnehmen, Geschlecht, Nationalität etc. egal.

"Pflegekinder sind nicht mit leiblichen Kindern vergleichbar."

Das weiß ich aus meiner beruflichen Erfahrung, da ich selbst in der Familienhilfe gearbeitet habe. Wenn wir ein leibliches Kind kriegen wollen würden, würden wir ja eins zeugen und uns nicht beim JA bewerben 😅

"Bei uns ist es definitiv ein Ausschlussgrund."

Schade, aber habe ich schon erwartet. Dass einer von uns 2-3 Monate zuhause bleibt ja- langfristig auf keinen Fall. Ich habe beruflich zwar einige Pflegefamilien getroffen, wo beide Eltern Vollzeit gearbeitet hat, aber das war immer Verwandtenpflege. So richtig war ich im Thema auch nicht drin, da ich hauptsächlich mit den Herkunftsfamilien gearbeitet habe und die Pflegefamilien nur bei Gerichtsterminen oder Umgang getroffen habe. Schade.
Trotzdem danke für die Antwort 😊

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Hallo,

Eure Startvoraussetzungen klingen ja wirklich toll :-).

Bei uns werden auch keine älteren Kinder zu kleinen LK vermittelt, damit das Pflegekind auf jeden Fall das jüngste Kind in der Familie ist.

Vielleicht wäre ja das Thema Erziehungsstelle was für Euch. Da muss ein Elternteil eine pädagogische Ausbildung haben. Meist erfolgt dann auch eine Anstellung über einen Träger in einem normalen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis.

Liebe Grüße
Faza

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Achso: Unser Sohn ist 3. Müssen wir dann noch warten, bis er 5 ist, um ein 3-jähriges aufzunehmen, oder wäre es evtl. Auch möglich einen 8-jährigen aufnehmen wenn unser Sohn eben erst 3 oder 4 ist?

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Hallo,

gerade bei einem so jungen leiblichen Kind wäre es kontraproduktiv, ein (etwas) älteres Pflegekind in eine Familie zu vermitteln.

Erfahrungsgemäß wäre es perspektivisch schwer bis unmöglich, beiden Kindern eine adäquate Entwicklung zu ermöglichen/beiden gerecht zu werden.

Die Jugendämter/Pflegekinder-Dienste setzen nicht ohne Grund voraus, dass das aufzunehmende Kind einige Jahre jünger ist als das (jüngste) leibliche- und davon abgesehen auch, dass ein Elternteil zunächst für eine ganze Weile nicht berufstätig ist- bzw. nicht in dem von Dir beschriebenen Umfang.

Es ist etwas VÖLLIG Anderes, im beruflichen Kontext mit Pflegekindern zu arbeiten, als sein Leben "rund um die Uhr", 365 Tage im Jahr, mit einem Kind mit entsprechender Biografie zu teilen. Dass Ihr beide dermaßen an Euren Jobs im gewohnten Umfang "festhalten" wollt, solltet Ihr dringend überdenken! Ein Pflegekind ist nicht in der Lage, sich Eurem Alltag anzupassen in der Form, es wird nicht den größten Teil des Tages "einfach so mitlaufen". "Umgekehrt" könnte "ein Schuh daraus werden".

Viele Grüße,

Kathrin

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Hallo, in unserer Stadt wird auch gefordert, dass einer von beiden für ein Jahr Elternzeit nimmt und das Kind in dieser Zeit nicht fremdbetreut wird.

Liebe Grüße

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das wird sehr schwierig, die kinder haben meistens einen sehr hohen betreuungsbedarf, dann gibt es eventuell noch treffen mit den leiblichen eltern, für die man flexibel sein müsste und termine im jugendamt.
zumindest für die ersten 1-2 jahre müsste jemand in elternzeit gehen :-)

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Im März ist unsere keine Maus zu uns gezogen. Das Jugendamt hat gleich beim ersten Gespräch gesagt, dass die Kleine erst mit drei in die Fremdbetreuung darf/soll.

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Zum Glück gab es schon diplomatische Antworten. Dann spreche ich mal ohne Weichspüler, pro Kind.

Oh, wow. Das ist ja ein trauriges Beispiel dafür, wie man zwar "jahrelang" in dem Bereich beruflich Erfahrungen hat sammeln können, und doch nicht alle Facetten begriffen hat. 🤷‍♀️
Da sehe ich auch keine "Bilderbuchkriterien" erfüllt. Satt und sauber ist das BASISPROGRAMM. Der Rest klingt nach vorprogrammierter Bindungsstörung. Ein traumatisiertes Kind, das weiter funktionieren muss, hat keine Chance auf Heilung. Was diese Kinder alle brauchen ist unter anderem ZEIT und VERLÄSSLICHKEIT. Das AUSHALTEN von Traumareaktionen. Da ist oft nichts mit funktionier du mal und lauf nebenher mit. Ist doch kein Hund. Noch dazu in der genannten Altersgruppe.
Bitte seht von diesem Vorhaben ab.

Ich bin offen für viele Konzepte und Lebensentwürfe, aber das ist das unreflektierteste, was ich seit wirklich langer Zeit im Kontext "Pflegekind ja/nein" habe lesen müssen.

Ihr könnt bestimmt in einem anderen Bereich viel Gutes tun und euch entsprechend eures Zeitplans engagieren.

Tut mir leid, wenn ich euch da nicht nach dem Mund rede. Ich kann aber zumindest für alle Ämter und Träger, mit denen ich zu tun habe, sagen, dass diese Haltung ein Auschlusskriterium ist.

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Hallo,

das ist toll geschrieben und entspricht zu 100% den Tatsachen!

Viele Grüße,

Kathrin