Pflegekind - war es die richtige Entscheidung?

Hallo,

Ich komme eigentlich aus dem unterstützten Forum, lese aber hier schon längere Zeit mit. Wir haben einen knapp 5 jährigen Sohn aus Kryo und wünschen uns schon lange ein Geschwisterchen. Leider waren 14 Embryotransfers bis jetzt nicht erfolgreich bzw. der letzte endete mit einem MA in der 11. Woche. Wir möchten noch unsere letzte Kryo machen und dann (bin bereits 41) wahrscheinlich mit der künstlichen Befruchtung aufhören.

Wir überlegen uns schon lange, ob ein Kind zur Dauerpflege auch für uns geeignet wäre. Bekannte von uns haben eins und die Kleine hat sich super entwickelt. Allerdings haben wir (außer unserem Sohn) keine pädagogische Vorbildung und haben schon Bedenken - ich vor allem, ob ich der Situation gewachsen bin (wenn das Kind traumatisiert ist o. ä.), mein Mann hat hauptsächlich Angst vor einer Rückführung. Wir haben bis jetzt noch nicht mit dem JA gesprochen, möchten aber in 2 Wochen einen Infoabend besuchen.

Mich würde interessieren, ob ihr mit allem gut klar gekommen seid, ob ihr es wieder machen würdet, ob ihr etwas anders machen würdet, ob es einer durchnittlichen Familie mit einem Kind überhaupt zuzutrauen ist. Ich denke, das JA schaut sich ja schon an, wem sie welches Kind geben. Würde mich aber sehr über eure Erfahrungen Erfahrungen freuen. Vielen Dank!

Liebe Grüße Meli

Würdet ihr wieder ein Pflegekind aufnehmen?

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Du wirst vermutlich gute wie schlechte Erfahrungen hören. Am Ende wird es für euch darauf hinauslaufen, mit welcher Einstellung und Motivation ihr das Thema angeht.
Grundsätzlich ist es gut, auch ein paar kritische Gedanken oder gar Befürchtungen zuzulassen, denn sie nehmen euch viel Blauäugigkeit und vorschnelle Handlungen. Trotzdem solltet ihr euch nicht durch unnötige Sorgen abschrecken lassen, etwa durch eine fehlende pädagogische Vorbildung.

Mein Rat: Besucht erst einmal den Infoabend. Jedes Jugendamt handelt unterschiedlich bzw. hat andere Ziele bei der Vermittlung von Pflegekindern. In unserem JA z.B. kam die Aussage, dass weit mehr als 90 % der Pflegekinder NICHT zurückgeführt werden, da die Bindung an die Pflegeeltern bereits zu groß ist.

Zur Traumatisierung: Natürlich haben die Kinder ihr Päckchen zu tragen, sonst wären sie keine Pflegekinder. Es hängt viel vom Alter bzw. vom Elternhaus ab, in welchem seelischen Zustand das Kind ist. Und es macht einen großen Unterschied, ob ein Kind z.B. über Jahre absichtlich misshandelt wurde oder ob seine Eltern einfach mit der Versorgung überfordert waren, ehe das Jugendamt eingreift. Schwer traumatisierte Kinder gibt man selten in Familien ohne entsprechende Ausbildung, denn die Gefahr des Scheiterns ist einfach zu groß.

Was hingegen zu einer Belastung werden "kann" (sowohl für euch als Pflegeeltern als auch für das Kind), sind die Besuchskontakte. Ihr müsst damit rechnen, dass ihr 1-2 x pro Monat im Jugendamt erscheinen und den leiblichen Eltern Zeit mit dem Kind gewähren müsst. Laut unserem Jugendamt hängt es vom Alter des Kindes ab, wie oft, wie lang und wie intensiv diese Kontakte sind. Bei kleinen Kindern wird man diese nie allein mit den leiblichen Eltern lassen - bei älteren Kindern kann man durchaus zulassen, dass das Kind mal 1-2 Stunden (oder auch länger, je nach Kontakt) allein mit seinen Eltern etwas unternimmt.

Hier steht und fällt alles mit eurer Einstellung gegenüber den leiblichen Eltern - und umgekehrt. Unsere Sachbearbeiterin sagte so schön, dass allein der gegenseitige Respekt sehr viel ausmacht. Denn es ist nicht nur für euch, sondern auch für die leiblichen Eltern eine schwer zu ertragende Situation.

Ein wenig riskant ist der Hintergedanke, dass man das Kind eventuell irgendwann adoptieren kann. Es ist natürlich möglich, aber nicht immer gewünscht. Wenn ihr diese Absicht hegt, solltet ihr vorsichtig sein bzw. euch intensiver mit dem Kerngedanken der Pflege beschäftigen. Pflegekinder sind erstmal Gäste bei euch - wie lange sie bleiben, weiß am Anfang niemand. Aber unser Jugendamt vertritt die Ansicht, dass eine gelungene Partnerschaft und Zusammenarbeit mit den leiblichen Eltern viel bewegen kann.

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Hallo Artemis,

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort.
Die Aussage von eurem JA wegen der Rückführung ist schon mal sehr beruhigend, ich hoffe, das ist bei uns auch so. Und ja, wenn das JA genau prüft, welche Familie mir welchem Kind "klar kommt", ist das auch schon mal gut. Das mit den Besuchskontakten weiß ich, wie wir damit dann in der Praxis klar kommen, weiß ich allerdings noch nicht. Im Moment denke ich, dass das jetzt nicht sooo das Problem ist, aber da täusche ich mich dann wohl... Über Adoptieren hätte ich jetzt erst mal nicht nachgedacht.

Danke, ja ich bin schon sehr gespannt auf den Infoabend!

LG Meli

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Hallo.

zur Infoveranstaltung zu gehen, ist richtig.
dann sieht man meisst etwas klarer.

unser kleiner kam mit einem Jahr in unsere familie. Umgänge gab es damals alle 3 monate. seit 2 jahren nicht mehr. wir sind vormund.
unser Jugendamt ist "pro Pflegeeltern"
es gibt auch andere Jugendämer, die auf teufel komm raus umgänge statt finden lassen wollen, die nicht wollen das pflegeeltern vormund werden...usw.

wir haben auch keine pädagogische Erfahrung. Wir haben ein leibliches kind

hier werden nur 0,3 Prozent zurück geführt

unser kleiner ist ein ganz normaler Junge. natürlich wird kein kind grundlos zum Pflegekind und von der eigenen mutter weg zu kommem, ein jahr in bereitschaft zu leben (wie bei unseren) geht nicht spurlos an einem kind vorbei. letzlich neigt man aber auch dazu jede "besonderheit" des kindes sofort auf sein pflegekind-status zu schieben.
das kind hat unweigerlich einen stempel. Ein grund, warum aus dem kiga die anderen mütter nichts davon wissen denn andere mütter zeigen schnell mit dem finger " der xxx hat dies und das gemacht" denn ein pflegekind MUSS es ja gewesen sein

ein Pflegekind hat immer eine andere leibliche Mutter, auch wenn diese nicht present ist.
Liebe und Bindung braucht Zeit. Ein leibliches Kind liebt man quasi vom ersten Moment über alles.

unser kleiner ist über 3 Jahre da und gehört ganz normal und selbstverständlich zur Familie. Er ist voll integriert.

Alles gute für euch

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Ich danke auch für die ehrlichen, netten Antworten.
Wie machen grade den Vorbereitungskurs und sind somit auf dem Weg zur Pflegefamilie. Unsere Tochter ist 9 JAhre alt.
ich freue mich total auf den Familienzuwachs. Verunsichernde Gedanken kommen auch mir. Aber ängste gehören sicher dazu.
Das gehört wohl sicher zu jeder großen Veränderung dazu.
So freue ich mich positives und schönes zu lesen:)#herzlich

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Hallo Feta,

Vielen Dank für die Antwort! Das hört sich ja richtig gut an bei euch und deinem JA. Ich hoffe, es ist bei uns auch so gut, bin schon sehr gespannt auf den Infoabend. Danke!

Liebe Grüße Meli

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Ich liebe meinen PS, aber ich würde es nicht noch einmal machen. Die Gründe kurz zusammengefasst: jahrelange Ängste, keine Handlungsfähigkeit, schwierige Herkunftsfamilie, die immer noch am längeren Hebel sitzt weil das Recht der Eltern über alles steht... Es gibt immer wieder Ärger, wir kommen kaum zur Ruhe

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Oh das tut mir leid 😔. Wäre ja echt schön, wenn man das vorher wüsste, wie die Familie so tickt. Vielen Dank für deine Antwort.

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Wenn du dich dafür entscheidest, wirst du mit der Unsicherheit Leben müssen. Sei es Diagnosen wie fas, Trauma, ADHS, Behinderungen etc die sich erst mit der Zeit herausstellen werden und auch damit, dass die le immer Besuchskontakte oder Rückführung fordern können. Es gibt sicher genug Fälle in denen es gut läuft, wir erleben es anders. Viele Dinge die auch unser Jugendamt nicht voraussehen konnte.

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Hallo Meli,

Ich habe für "ja, mit Einschränkungen" gestimmt.

Unsere PT ist absolut großartig und für uns ebenso unser Kind wie unsere leiblichen Kinder. Damit möchte ich keine "Besitzansprüche" anmelden, sondern meine damit "lediglich", dass sie in unseren Herzen ist ♥.
Wir haben gefühlt einen ständigen Wechsel der Ansprechpartner, sowohl Vormund als auch Jugendamt, da braucht man einen laaaangen Atem...

Meine Einschränkung wäre das Alter des jüngsten Kindes.
Mein Sohn war 4,5 Jahre, er ist ein sehr geduldiger und lieber Bursche. Meine PT beansprucht meine Aufmerksamkeit nahezu zu 100%, insbesondere im ersten Jahr war es sehr sehr hart für meinen Sohn (uns alle). Jetzt wird er bald sieben, und leider bekommt gerade er die Ausraster von Madame manchmal sehr schmerzhaft zu spüren :-(. Das liegt unter anderem mit daran, dass er noch immer viel in meiner Nähe spielt, so wie PT auch. Ich passe zwar auf wie ein Luchs (anstrengend!), aber manche Attacken sind nicht vorhersehbar, und das tut mir natürlich sehr sehr leid für meinen Drops. Meine anderen Kinder sind schon ein bisschen älter und beschäftigen sich gerne auch alleine oder sind unterwegs, somit aus der Schusslinie... Aus dieser Erfahrung wäre es für meinen Sohn besser gewesen, er wäre auch eher 8 gewesen bei Aufnahme des Pk. Auf jeden Fall über die erste Klasse hinaus, denn auch da hätte er mehr Unterstützung und Aufmerksamkeit verdient.
Unsere PT wurde uns als "vermutlich ganz gesund" vermittelt (was wir aufgrund ihrer Biographie mit Vorsicht genossen haben), inzwischen hat sie einen Pflegegrad.

So, das in aller Kürze 😅, hier kommen jetzt die nächsten ins Bett.

Dir ganz viel Kraft für eure Entscheidungsfindung!!!

Ps:
Schau doch mal, ob Du in Austausch kommen kannst mit PF bei Dir in Ort. Dann kannst Du vorsichtig anfragen, wie euer JA so "tickt"

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Hallo Hasendompteur,

Vielen Dank für deine Antwort. Hm das war ja auch bisschen meine Befürchtung bzw. etwas, was ich eben nicht möchte, dass das Pflegekind dann aggressiv gegenüber unserem Sohn ist. Also dass unser Sohn erst mal bisschen zurückstecken muss, ist ja erst mal klar. Dass das Pflegekind aber wirklich 100% beansprucht, ist schon heftig... Wäre ja schön, wenn man das etwas im Voraus wüsste - aber "Anfänger-Pflegekinder" werden ja wahrscheinlich eher nicht vermittelt 😏. 2 oder 3 Jahre warten, bis unser Sohn 7 oder 8 ist, möchte ich eigentlich nicht. Wie alt war denn deine Pflegetochter, als sie zu euch gekommen ist?

Vielen Dank für die Antwort und liebe Grüße,
Meli

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Hallo,


eine wichtige Voraussetzung, um sich auf das ganze Thema "Pflege-Eltern/~Kinder" einlassen zu können ist, mit dem eigenen, biologischen Kinderwunsch abgeschlossen zu haben.

Dass das bei unerfülltem Kinderwunsch nicht so leicht ist, ist mir durchaus bewusst. Ein Pflegekind darf jedoch kein "Ersatz" für ein eigentlich ersehntes leibliches Kind sein. Viele Paare, die kein (weiteres) eigenes Kind bekommen können, werden Pflegeeltern. Schwierigkeiten sind allgemein, in diesen Kontexten jedoch besonders häufig "vorprogrammiert".

Ein Pflegekind kann aufgrund seiner Biografie niemals die Hoffnungen und Erwartungen von Pflegeeltern erfüllen, vor allem dann nicht, wenn der Wunsch nach einem leiblichen Kind- so wie auch bei Euch- noch so "akut" ist.

Deshalb mein (ebenso fachlicher wie auch emotionaler) Rat: schließt für Euch zunächst perspektivisch die eine Lebensphase (Wunsch nach/Versuch einer weiteren Schwangerschaft) ab und lasst einige Zeit vergehen. Eure Erfahrungen werden nie in Vergessenheit geraten, sie werden Teil Eures Lebens sein. Trotzdem- oder gerade deshalb- solltet Ihr Euch nicht in das "Projekt Pflegekind" stürzen, so lange das Andere noch so präsent ist.

In einem potentiellen Bewerbungs-Verfahren ist das ohnehin Thema und KANN durchaus ein Ausschluss-Kriterium sein. Denn es ist nicht so, dass ein Kind für Eltern gesucht wird, das Sehnsüchte und Erwartungen erfüllt. Sondern "spezielle" Eltern für ein möglicher Weise ebenfalls sehr "spezielles" Kind.

Deine Bedenken, ob man einem Pflegekind dauerhaft gerecht werden kann (vor allem ab der Pubertät) sind ebenso reflektiert wie berechtigt. Mal etwas "flapsig" ausgedrückt stehen neun von zehn Pflegefamilien mehr als einmal- vor allem ab dem Alter- vor immensen, teilweise kaum zu kompensierenden- Herausforderungen. Zeitgleich muss man seinen leiblichen Kindern- nicht erst dann, sondern dauerhaft- ebenfalls verlässlich gerecht werden. Da sind die hier von einer Userin beschriebenen körperlichen Übergriffe im (frühen) Kindesalter ein vergleichsweise eher geringes Übel.

Das ist jetzt alles wenig euphorisch, jedoch die (überwiegende) Realität.

Ich wünsche Euch auf jeden Fall alles Gute #blume!

Liebe Grüße,

Kathrin

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Hallo Katharina,

Vielen Dank für deine ehrliche Antwort. Ja, das war wirklich nicht genau das,, was ich hören wollte.. 😄. Aber danke. Ich könnte mir vorstellen, dass es auch stark auf das Kind und seine Geschichte ankommt - ich könnte mir z. B. vorstellen, dass ein Kind, das z. B von einer Mutter, die einfach nicht mit dem Leben zurecht kommt, "einfacher" ist als eins, das z. B. bereits Gewalt erfahren hat. Und dass das Pflegekind kein Ersatz sein soll, ist schon klar, ebenso, dass auf keinen Fall mehr ein Versuch unternommen wird, wenn wir uns für ein Pflegekind entscheiden haben. Ich habe jetzt such schon sehr viel dazu gelesen und freue mich sehr auf den Infoabend. Ob es tatsächlich für uns in Frage kommt, weiß ich trotzdem noch nicht. Danke!

Liebe Grüße Meli

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Du hast es sehr gut auf den Punkt gebracht!

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Ich kenne 2 Familien mit folgender Konstellation:erstes Kind adoptiert. 2. Kind Pflege.
Bei der ersten Familie lebt das PK seit mehreren Jahren in der Familie. Die Besuchskontakte sind sehr aufreibend für alle, da es große Unzuverlässigkeiten und nicht gehaltene Venrsprechen bspw.gibt. es Bedarf oft längerer Vor- und Nachbereitung der PE,die besänftigen,auffangen und trösten müssen.
Aktuell wollen die LE aber eine Rückführung und setzen alle Hebel in Bewegung. Eine belastende Situation für alle, auch die große Schwester, die ihren Pflegebruder ebenfalls nicht verlieren will. (Was natürlich nach der Zeit nicht mehr einfach so passiert, aber es ist eben auch nicht ausgeschlossen, zumal dieses JGA recht Pro LE eingestellt ist)
Aber wie schon geschrieben, es ist eben eine Pflegesituation und immer zu einem gewissen Grad unsicher.
Im zweiten Fall scheiterte die Aufnahme des PK wegen diverser Faktoren. Die PE mussten die Pflege zum Schutz des Adoptivkinds beenden.
Sie haben aber nun den Versuch noch einmal gewagt und sind PE eines anderen Kindes geworden.dieses mal scheint zumindest der Start besser zu laufen.
Wir haben uns gegen die Aufnahme eines PK entschieden,aber ich denke man muss für sich sehr gut abwägen ob dieses Modell von Familie passt.
Viel Erfolg