Kinderwunsch nach stiller Geburt

Hallo Frau Ferber!

Wir haben bereits 2 Kinder (4 und 5) und wünschen uns seit 2 Jahren sehnlichst ein Drittes. Da ich ein Homonstörung habe, weiß ich, dass der Weg zu einer Schwangerschaft sehr beschwerlich ist. Für das erste Kind hatten wir über 2 Jahre geübt. Letztendlich waren war in einer Kiwu-Praxis. Unser Zweiter kam überraschend aber sehr gewünscht 17 Monate später.
Jetzt bin ich letzten Sommer nach vielen Strapazen und zwei Krankenhausaufenthalten endlich wieder schwanger geworden. Wir wollten schon fast aufgeben und dann geschah dieses Wunder. Es ging mir in der Frühschwangerschaft sehr schlecht (Übelkeit) und als es mir endlich besser ging, erhielten wir die niederschmetternde Diagnose. Unser Kind war schwerkrank, nicht überlebensfähig. Wir entschieden uns gegen einen Abbruch. Ende September hatte das Herz unserer Tochter aufgehört zu schlagen. Ich musste sie still zur Welt bringen.
Medizinisch ist alles wieder OK. Wir dürfen wieder üben. Und der Kinderwunsch ist immer noch da. Er ist sogar so viel stärker geworden. Ich weiß, wir haben 2 Kinder und wir sind sehr dankbar dafür. Aber trotzdem fehlt da noch jemand. Niemand will das verstehen und jeder sagt, seid doch glücklich mit dem was ihr habt. Das sind wir ja auch, aber man kann so einen tiefen Wunsch nicht einfach so ausschalten.
Wir wollen es nochmal probieren. Aber ich habe Angst, riesige Angst, dass es nicht mehr klappt, dass die stille Geburt meine Letzte sein wird. Ich weiß, dass kein Kind unsere Tochter ersetzen kann, aber eine weitere erfolgreiche Schwangerschaft würde uns etwas mit unserem Schicksal versöhen.
Jetzt bin ich leider gerade 39 geworden. Natürlich würde ich gerne erstmal Zeit haben um zu trauern. Gleichzeitig habe ich diese Zeit nicht, da meine biologische Uhr tickt. Ich werde eh schon sehr schwer schwanger und kann es mir rein biologisch nicht erlauben zu warten. Also üben wir schon wieder und es ist sehr anstrengend. Die Enttäuschung, wenn es wieder nicht geklappt hat ist kaum auszuhalten. Nächste Woche haben wir den ersten Termin in der Kiwu und ich habe Angst, dass ich das alles nochmal durchmachen muss. Aber letztendlich wird kein Weg daran vorbei führen. Ich will kämpfen, aber ich merke, dass meine Kraft schwindet.....die letzten Jahre hat dieser Kinderwunsch so viel Raum eingenommen. Ich will einfach wieder leben und nicht in dieser Warteschleife gefangen sein. Aber noch mehr möchte ich endlich wieder schwanger sein.
Sorry für den langen Text......
Jesmila

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Liebe Jesmila,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Zuerst einmal: Es tut mir unendlich leid zu lesen, was Sie durchmachen mussten!!! Ich verstehe Ihre Trauer, Sorge und den Spagat, den Sie hier täglich psychisch wie physisch schaffen müssen. Dafür von Herzen: Viel Kraft!

Wie genau kann ich Sie denn unterstützen? Worauf hätten Sie gerne eine Antwort von mir? Ich möchte Ihnen gerne zur Seite stehen, wenn ich weiss, welches Thema Sie gerade am Meisten umtreibt und beschäftigt. Wollen Sie mich das wissen lassen?

Viele Grüße,
Ihre Franziska Ferber

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Danke für ihre Anwort.

Was mich am meisten beschäftigt?
Das wieder "schwanger werden wollen". Das Auf und Ab und das "nicht entspannt sein können". Leider kann ich nicht einfach meinen Kopf abschalten. Alles dreht sich um meinen Zyklus. Dazwischen die Trauer um unser Kind, und zwei Kinder, die auch ihre Mama brauchen, einen Job, einen Nebenjob und mein Mann, der auch leidet.
Ich werde diesen Weg nochmal gehen, wohlwissend, dass es ein schwerer Weg sein wird. Ich weiß, dass ich keine Garantie habe, dass unser Wunsch in Erfüllung geht. Keine Garantie, dass eine erneute Schwangerschaft gut ausgeht.
Aber ich würde es bereuen, wenn ich es jetzt nicht versuche.
Was kann ich tun, damit ich dieses schwere Zeit durchstehen kann?
Wie kann ich diesen Zwiespalt ertragen, zwischen Kinderwunsch und Trauer?
Gerne würde ich einfach mal ein paar Tage mit meinen Mann wegfahren. Wir hätten das nach all dem Leid bitter nötig. Aber wohin mit unseren Kindern?
Die Großeltern sind alt und nehmen die Kinder nur für max. eine Übernachtung.

Schlimm auch, dass kaum einer unser Leid wahrnehmen will. Der Kinderwunsch, wenn man bereits 2 Kinder hat wird oft nicht ernstgenommen. Und niemand kann verstehen, dass wir uns nach diesem Schicksalsschlag noch ein Kind wünschen. Ich hätte auch nie gedacht, dass dieser Wunsch nochmal so stark sein kann.

Ich würde gerne mit Freunden darüber reden, über den Wunsch nach einem weiteren Kind. Aber das wird als Luxusproblem abgetan. Warum ist ein Drittes bzw. Viertes Kind weniger wichtig als ein Erstes?
Ach ja und ich soll mich entspannen und nicht drüber nachdenken....haha....diese Sprüche kommen natürlich genau von denen die spätestens im 3. Zyklus schwanger geworden sind.

LG
jesmila

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Liebe Jesmila,
Danke für Ihre Nachricht!
Sie sprechen Themen an, die ich immer und immer wieder erlebe: Frauen, die schon Kinder haben und dann eine Fehlgeburt oder noch belastender eine stille Geburt hatten, werden nicht im gleichen Maß unterstützt, weil sie schon Kinder haben. Sie sind - falls es Ihnen etwas hilft - damit nicht alleine. Aber das ändert natürlich nichts an Ihrem Erleben, Ihrer Trauer, Ihrer Enttäuschung, Ihren Wünschen und Sehnsüchten. Und die haben Sie völlig zu Recht. Ein Kind ist gegangen - und da ist es doch wirklich unerheblich, ob es Ihr 1., 3. oder in anderen Fällen 10. ist. Erlauben Sie sich die Trauer.

So leicht es sich sagt, aber ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie annehmen können, was ist. Ja, Sie haben 2 Kinder. Und ja, Sie mussten ein Kind gehen lassen. Und Sie schreiben es ja auch: Sie haben eigentlich 3 Kinder von denen 2 Ihr Leben bereichern. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie eine Möglichkeit finden, das anzunehmen und zu leben. Vielleicht haben Sie die Chance für Ihr Himmelskind (durften Sie es denn begraben?) einen Ort der Trauer zu schaffen? Einen Ort, den Sie ganz bewusst aufsuchen können und an dem Sie sich erlauben, in einer anderen Welt für eine gewisse Zeit zu sein? Wäre das eine Möglichkeit, sich selbst aber auch Ihrer Familie die Chance zu geben, zu zeigen, dass wenn Sie sich dort aufhalten, in Ruhe gelassen werden wollen und einfach eine Seite eine Weile für sich haben, wo niemand an Sie Anforderungen stellt und Sie sich ganz auf sich konzentrieren können....?
Ich denke, es ist wichtig, dass Sie sich erlauben zu leben. Und dass Sie, wenn Sie nicht an Ihrem Himmelskind-Ort sind, sich aber auch der Familie und ihrem aktiven Leben zuwenden können. Deshalb rate ich Ihnen zu diesem Zufluchtsort, den Sie bewusst aufsuchen aber eben auch bewusst wieder verlassen können.

Und wenn Sie ihn verlassen haben, wünsche ich Ihnen und Ihrer Familie, dass Sie sich ganz dem Leben zuwenden können. Ich wünsche Ihnen, dass Sie dann immer wieder Paarzeit aber auch Familienzeit ganz bewusst aktiv gestalten, um dem Kontrollverlust, den Sie mit Ihrer Tochter aber eben auch dem jetzigen Kinderwunsch erleben, bewusst etwas entgegen zu setzen. Wichtig ist, dass Sie nicht alles "Durcheinander" mischen, was Sie täglich an Emotionen erleben. Daher meine Frage an Sie, ob Sie meinen, dass es möglich wäre, ganz bewusst diese Inseln zu schaffen. Inseln für die Paarzeit, Inseln für die Familie, Inseln für die Trauer und Inseln für den Kinderwunsch. Und wenn in der einen Insel ein Thema für eine andere auftaucht könnten Sie probieren, sie aus dem Moment zu verdrängen auf die Zeit, wenn Sie die passende Insel aufsuchen werden, zu vertagen. Wäre das ein denkbarer Weg für Sie mit Ihrer Freude aber auch Leid umzugehen?
Wenn ja, dann finden sich bestimmt Möglichkeiten, wie Sie bspw. eine kleine Reise mit Ihrem Mann unternehmen können. Vielleicht haben Sie ja eine befreundete Mutter eines Freundes Ihrer Kinder, mit der Sie einen Deal ausmachen können á la "1 Wochenende nimmst Du die Kinder; ich mache das gleiche für Dich?".

Liebe Jesmila, ich wünsche Ihnen von Herzen viel Kraft aber auch eine gehörige Portion Lebensfreude und Zuversicht!
Alles Gute,
Ihre Franziska Ferber