Einschätzung, psychische Probleme?

Guten Morgen und noch fröhliche Weihnachten!

In der Familie gibt es ein Problem, dass uns alle beschäftigt.
Ein junger Mann (ich nenne ihn jetzt mal X) ist 24 Jahre alt. Seine Kindheit war insgesamt behütet, er hat liebe Eltern und eine ältere Schwester. Leider waren sich seine Eltern bei der Erziehung nie einig (nur bei ihm), was dazu führte, dass er schnell verzogen war. Sein Vater ließ ihm alles durchgehen. Er respektiert diesen heute nicht, nimmt ihn nicht ernst etc. Von ihm wurde verlangt zu studieren, obwohl er das nicht wollte und sein Abi auch sehr schlecht war. Er fing dann gezwungenermaßen mit dem Studium an. Seine Schwester hat erfolgreich studiert und arbeitet jetzt auch. Der Vergleich ist immer da. Er hatte quasi nie Freunde, war schon als Teenager an Silvester immer allein daheim. Die einzige mit der er überhaupt mal über sich redet ist seine Schwester. Er gratuliert niemandem zu Geburtstag, selbst wenn er auf der Feier ist. Er ignoriert Anrufe und WhatsApp-Nachrichten.

Nun zum eigentlichen Problem:
Er wohnt noch Zuhause. Seit einiger Zeit duscht er täglich mindestens zwei Stunden am Stück, um sauber zu werden. Er muss ein Praktikum machen, doch er weigert sich (warum, weiß keiner) Auto zu fahren und im Zug hat er Angst sich anzustecken (Corona), so dass ihn seine Eltern hinfahren. Er zieht sich noch mehr zurück als sowieso schon. Seine Mutter hat Angst, dass er depressiv wird. In der Familie sind alle besorgt, doch er redet ja mit keinem und professionelle Hilfe lehnt er strikt ab.

Keiner weiß, was man da tun kann? Hat hier vielleicht jemand einen Rat, weil ihr es selbst erlebt habt (bei euch oder anderen) und weiß was mit ihm sein könnte und vor allem wie man ihm helfen kann?

Viele Grüße

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Wie steht er denn zu diesen Themen? Hat er ein Problem? Wenn nicht, braucht er keine Hilfe.
Über beratungsstellen z. B. können die Angehörigen Hilfe finden.
Alles Gute

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Hey!

Wie meine Vorposter schon schrieben: ihr bzw. du als Schwester könnt da nicht viel ausrichten, denn der Antrieb muss von ihm kommen.
Du kannst natürlich mit ihm sprechen und schauen, wie hoch sein Leidensdruck ist. Ggf kann man ihn so zu einer Therapie überzeugen.

Worauf ich noch eingehen möchte: Dein Text klingt so, als ob du die Ursache seiner Probleme darin siehst, dass er verzogen sei. Davon gehe ich nicht aus.
Solche Kinder ecken dann meist ordentlich an, aber kommen dann irgendwie durch die Rückmeldungen in Schule und Gesellschaft noch irgendwie in die Spur. Er scheint da etwas "resistenter" zu sein. Vielleicht steckt da noch etwas anderes hinter- Sozialverhaltensstörungen mit oppositionellem Verhalten als Beispiel. Das soll nun keine Diagnose sein, sondern nur aufzeigen, dass da auch etwas krankhaftes und kein Erziehungsfehler hintersteckt. Gründe: es zieht sich seit frühester Kindheit durch sein Leben und betrifft anscheinend sämtliche Lebensbereiche. Das ätzende bei solchen unbehandelten Störungen ist, dass sie auf Dauer zu Depressionen oder Suchterkrankungen führen können, weil der Zustand für die betroffenen unerträglich ist, wenn sie ständig überall anecken und stets als "das verlogene Gör" gelten und niemand sieht, dass sie nicht anders können.

Aber letztlich muss der Impuls von deinem Bruder ausgehen.

Liebe Grüße
Schoko

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Das "verzogene Gör" gelten.

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Hallo, danke für deine Antwort. Nee, so war es nicht gemeint. Ich wollte nur die Vorgeschichte aufzeigen, denke aber nicht dass er nur "verzogen" ist.
Und er hat eine Schwester, aber das bin nicht ich.

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Und was sagt er zu alldem? Ihr werdet ja sicher mal mit ihm gesprochen haben?

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Als Angehörige würde ich mich beraten lassen. Wo, würde ich bei Caritas Diakonie mal fragen. Also ob diese Stellen kennen, wo man sich in der Umgebung hinwenden kann.


Alles andere:
hätte man schon reagieren müssen, als er noch nicht volljährig war.
Da schon Kinder-/Jugendarzt fragen etc.
Jetzt ist er volljährig, kann selbst mitentscheiden.
Für ihn gibt es ja kein Problem, weil alle alles mitmachen und springen, wenn er was braucht.

In erster Linie müsste er selbst die Veränderung wollen. Diese braucht er aber nicht zu wollen, da das Äußerliche ja für ihn übernommen wird.
Wie es innen drin aussieht, müsste er selbst etwas sagen. Ob er da Unterstützung möchte oder nicht.

In zweiter Linie ist es an den Eltern ihre eigenen Grenzen zu definieren.
Wird es ihnen zu viel, dann müssten sie es ihm sagen oder nicht mehr tun.
Dass das zur Rebellion führt, ist klar. Dass er sich dann umstellen müsste, was mit Frust einhergeht ist, auch klar.
Allerdings könnte er so an den Punkt kommen, dass er dann umdenken MUSS.
a) er findet selbst Wege
b) er fragt andere Personen
c) er zieht sich noch mehr zurück
Bei c) wäre dann die Frage bis zu welchem Punkt er das als Erwachsener gerne tun kann oder ab wann Selbstgefährdung anfängt und andere berechtigt sind, ihm auch gegen seinen Willen Unterstützung zukommen zu lassen.

So lange niemand direkt betroffenes etwas ändert, wird auch keine Veränderung stattfinden.

Wenn es für die Eltern in Ordnung ist, alles mitzumachen
oder die Angst größer ist, dass sich etwas verändern könnte und sie deswegen weiter machen wie bisher,
dann wird er auch so weiter machen.

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Als "Nicht-Angehörige" habe ich gelernt, dass es sinnlos ist Zeit und Energie zu investieren in solche Situationen. Es ist fast immer dieselbe Nummer: da war ein Kind immer schon auffällig, hätte Abklärung und Hilfe benötigt, aber die Familie hat sich irgendwie "durchgewurstelt", dann ist das "Kind" volljährig, die Situation spitzt sich zu, und nun "soll man helfen". Nun KANN man nicht mehr helfen, die Eltern könnten höchstens den Bedienservice einstellen, der 24 jährige könnte zum Schluss kommen, dass er sein Leben in die Hand nehmen muss.
Meistens handelt es sich um Störungen der sozialen Interaktion, des Sozialverhaltens, oft verbunden mit Autismus usw. Man HÄTTE reagieren können und sollen, VOR Volljährigkeit, hat man aber nicht.

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Helfen kann mab wohl am besten, indem man ihn in seine Eugenverantortung entlässt und ihm allenfalls Adressen an die Hand gibt, an die er sich wenden kann.

Warum sollte er denn etwas ändern, wenn seine Eltern ihn weiter unterstützen und alle sein Verhalten tolerieren?

Ich weiß, wie hart das klingt. Ich hab einen manisch depressiven Bruder, um den meine Familie jahrlang herumgeschlichen ist. Er wollte nie zum Arzt, drohte in depressiven Phasen ständig mit Selbstmord und hat auch etliche halbherzige Selbstmordversuche begangen.
Wir alle mussten am Ende unserer Kräfte sein, ihn fallen zu lassen.
Er ist dann in der Psychiatrie gelandet, hat sich selbst eingewiesen. Jetzt ist er seit Jahren medikamentös eingestellt. Es geht ihm ganz sicher nicht gut, aber besser.

Ich war irgendwann an dem Punkt, dass ich ihm die Knarre in die Hand gedrückt hätte und gesagt hätte: Na, dann mach doch endlich.

In letzter Konsequenz ist jeder erwachsene Mensch für wich selbst verantwortlich. Und wenn er "verzogen" wurde, wird er das nie gelernt haben. Ohne Eigenverantwortung, kein Selbstwert, ohne Selbstwert leichte Beute für Depression und Ängste.
Gebt ihm seine Eigenverantwortung endlich. Manchmal bewirkt das kleine Wunder, manchmal entscheiden sich die Menschen für ihren Untergang. Aber es ist ihre Entscheidung.