Der Wunsch nach KEINEN Geschwistern

Hallo!
Mir geht das schon länger im Kopf rum und ich würde gerne eure Meinung hören. Wenn jemand sagt, er wünscht sich Geschwister bzw. hätte sich so gerne Geschwister gewünscht, ist das ja völlig normal,anerkannt, ok,... Aber wie ist es, wenn das Gegenteil gesagt wird?
Genau das ist bei einer Freundin der Fall. Ihre Kinder sind 18,20 und 22. Das mittlere Kind war immer etwas außen vor und anders als die beiden Geschwister. Meiner Meinung nach wurde sie, unter anderem deshalb, auch teilweise etwas benachteiligt und es wurde ihr übel genommen, dass sie nicht so dicke mit den beiden anderen war (...denn gleiches Geschlecht und kleiner Altersabstand).
Nun ja. Jetzt kam irgendwie das Thema auf und sie äußerte ihrer Mutter gegenüber, dass sie lieber Einzelkind wäre. Das hat sie dann auch begründet. Teils absolut nachvollziehbar. Ich glaube, das kann oder will sie in ihrere Position nicht ganz sehen. Für mich als Außenstehende war direkt klar, was sie meinte. Teils ist es natürlich einfach die Vorstellung, wie es ohne Geschwister gewesen wäre. Meine Freundin war total entsetzt und verletzt, hat auch heute absolut kein Verständnis. Sie findet es toll Geschwister zu haben und die beiden anderen Mädels sagen heute noch, dass sie sich eine größere Familie gewünscht hätten.
Ich kann sie auf der einen Seite verstehen. Ihre Geschwister sind ja da. Aber sie hat es ja neutral formuliert und auch erklärt wieso. Auf der anderen Seite denke ich, sie sollte einfach akzeptieren, dass sie aufgrund ihrer Erfahrung eine andere Meinung hat. Überraschend ist das ja auch eigentlich nicht.
Wie seht ihr das?

LG

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Finde das schwierig zu beurteilen. Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung. Ändern kann man in dem Fall eh nichts und so bleibt eben nur die Akzeptanz.

Dass die Mutter verletzt ist, verstehe ich nicht so ganz, aber gut, ich hab so etwas nicht gesagt bekommen und kann mich da nicht so hineinversetzen.

Ich finde es aber nicht schlimm, wenn jemand sagt, er wäre lieber Einzelkind gewesen. Ich bin Einzelkind und wurde oft von Freunden beneidet, weil ich eben allein war. Jetzt als Erwachsene beneide ich alle, die Geschwister haben. Ich hätte auch gern eine Schwester/Bruder, aber es ist wie es ist und es ist gut wie es ist 😉

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Ich kann mir vorstellen dass die Mutter sich einfach angegriffen fühlt und es nicht verstehen will.
Die Tochter wünscht sich ja ihre Geschwister nicht weg oder will ihnen was böses, sie hat ja nur gesagt, sie wäre gerne Einzelkind gewesen, so wie ich es verstanden habe. Das finde ich nicht schlimm.
Bei meiner Mutter war es eben andersrum, sie ist Einzelkind. Ihre Mutter wiederum hatte sechs Geschwister und oft gesagt, wie toll das war. Meine Mutter entgegnete häufig sowas wie "Das kann ich nicht beurteilen, ich hab ja keine Geschwister". Meine Oma war daraufhin immer super eingeschnappt, weil sie es als vorwurf aufgefasst hat, obwohl es gar nicht so gemeint war.
Denke bei deiner Freundin könnte es ähnlich sein. Ich denke auch dass es gesellschaftlich nicht so anerkannt ist sowas zu äußern, weil es leicht missverstanden werden kann. Es stehen nunmal existierende Menschen dahinter, anders als im entgegengesetzten Fall wo es nur hypothetische Wunschgeschwister sind.

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Wir waren zu viert (großer Bruder, Schwester, Schwester, ich mit etwas größerem Abstand) und ich denke mir heute als Mama selber oft, „wie hat meine Mutter das nur geschafft??“
Friedefreude Eierkuchen war bei uns sicher nicht. Auch heute noch gibt es manchmal Konflikte zwischen uns Geschwistern (eigentlich nur wegen fehlender Kommunikation und fehlender Selbstreflektion). Aber ich möchte sie nicht missen, liebe und akzeptierte jeden mit seinen Macken, weil ich mir auch wünsche, akzeptiert und geliebt zu werden, wie ich bin (und nicht wie andere mich haben wollen).
Allerdings sage ich das aus der Position der jüngsten.

Meine nächstältere Schwester fühlt sich auch als „Mittleres Kind“ und ist nicht sehr glücklich darüber, wie ihre Kindheit verlaufen ist. Ich denke, zumindest auf mich als Nachzügler hätte sie als Kind verzichten können (musste sehr viel mit mir teilen und von mir ertragen). Sowas in die Richtung hat sie auch geäußert, aber ich verstehe sie da vollkommen.

Die wieder nächstältere Schwester hat aus meiner Sicht die größten psychologischen Baustellen, vieles wahrscheinlich aus dem Vergleich mit dem großen Bruder heraus (Thronfolgersyndrom). Das zieht sich bis in ihre heutigen Beziehungen und das macht sie sicher auch nicht glücklich.

Mein Bruder würde Verbrechen begehen für uns und Blut wird für ihn ewig dicker sein als Wasser. Auch wenn er es nie sagt und nur selten zeigt.

Das Leben ohne seine Familienbeziehungen kann man sich einfach nicht vorstellen. Zu sagen „ich wäre lieber Einzelkind gewesen“ ist Unsinn, denn die Beziehungen, die bestanden haben, prägen einen. Also hätten nicht bestandene Beziehungen einen ganz anderen Menschen aus ihr gemacht. Das kann man nur beurteilen, wenn man in der Position ist/war und das verbietet ja die Natur der Sache.
Anzuprangern, welche Probleme es gab und welche Probleme daraus entstanden sind, finde ich ganz richtig und wichtig, weil man nur so seine Biografie aufarbeiten kann. Und viele Konflikte, die man hat, basieren auf der kindheitlichen Prägung. Um diese Konflikte zu lösen, muss man an die Grundursachen rangehen und diese be- und verarbeiten. Einfach zu sagen „ich wünsche mir, es wäre alles ganz anders gewesen“ bringt einen ja kein Stück weiter...

Auf Seiten der Mutter dann mit Ablehnung der Tochterperspektive und völliger Verleugnung zu reagieren ist genauso Quatsch. Erstens hemmt es die Tochter in der Empfindung ihrer Vergangenheit und zweitens schadet es der Kommunikation und der Weiterentwicklung. Man macht als Eltern doch nie alles richtig. Und wie schön und toll ist es, wie erwachsen, dass das Kind kommt und solch unangenehme Themen anspricht. Nach dieser Ablehnung wird das wohl leider kein zweites Mal vorkommen.

Es ist nicht alles Gold was glänzt, aber am Ende steht die Familie füreinander ein (zumindest sollte sie das) und liebt einen, egal was („fast“ bedingungslos). Solche Arten von Beziehungen findet man außerhalb der Blutsverwandtschaft selten (aber zum Glück noch oft genug).

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"Nach dieser Ablehnung wird das wohl leider kein zweites Mal vorkommen. "
Das befürchte ich leider auch. Das Verhältnis ist nur noch weiter belastet.
Sie selbst ist vor fast 3 Jahren ausgezogen und seit dem deutlich aufgeblüht. Tolle Großeltern hat sie, sehr gute Freunde meiner Eltern, daher kennen wir die Familie auch, und bei uns ist sie auch immer willkommen. Ich werde mit meiner Freundin sicher auch nochmal das Gespräch suchen, aber auf der Ebene sind wir uns nicht sonderlich nahe. Das ist nicht so einfach.

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Ich denke wir alle wünschten uns manchmal unser Leben ohne den anderen. Mal wieder ganz frei Single sein ohne Mann. Mal wieder nur Frau sei ohne Kinder. Mal ein Einzelkind ohne Geschwister.

Unsere Mitmenschen machen unser Leben ja nicht immer nur schöner. Das ist doch ganz normal. Trotzdem ist doch die Frage wie viel Raum man solchen Gefühlen gibt und ob man das dem anderen sagen muss. Denn die anderen sind nun mal da, haben ein Existenzrecht und begrenzen uns zu recht.

Und noch etwas muss man meines Erachtens unbedingt bedenken. Man kann den guten Einfluss eines Menschen nicht nur daran messen wie schön es mit ihm war. Manchmal sind es doch gerade die Herausforderungen, die (so man denn nicht gänzlich an ihnen scheitert) unsere Persönlichkeit voranbringen. Das spiegelt sich in zahlreichen Studien wieder, die den positiven Einfluss von Geschwistern belegen, gerade weil man sich streitet, Kompromisse ein gehen muss, die Aufmerksamkeit der Eltern teilen muss und Rücksicht nehmen muss.

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"Ich denke wir alle wünschten uns manchmal unser Leben ohne den anderen. Mal wieder ganz frei Single sein ohne Mann. Mal wieder nur Frau sei ohne Kinder. Mal ein Einzelkind ohne Geschwister. "
In einem gewissen Rahmen, ja. Aber ob und wie ich mit wem in einer Partnerschaft lebe usw., liegt völlig an mir selbst. Mit Geschwistern verhält es sich für mich völlig anders.
Wenn man es völlig positiv sehen will, denkt man natürlich so, wie du es im letzten Absatz beschreibst. Aber so einfach ist das in der Realität nun leider nicht.

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Ich kann sehr gut verstehen, dass ihre Mutter verletzt ist.
Ich bin sehr vorsichtig, was ähnliche Äußerungen in Bezug auf meine Eltern angeht. Ich bin quasi Einzelkind (ich habe einen Halbbruder, aber der hat bei seiner Mutter gelebt) und hab mir immer mehr Geschwister gewünscht. So direkt reibe ich es meiner Mutter nicht unter die Nase, weil ich weiß, dass für sie nach mir Schluss war (sie wollte immer 2 Kinder, wusste aber nach mir, dass sie doch kein 2. mehr will).
Wenn ich sage, dass ich gerne mehr Geschwister hätte oder eine engere Beziehung zu meinem Bruder beim Aufwachsen, dann wünsche ich mir mehr von etwas, was es nicht gab.
Das kann verletzen, klar, aber es bleibt sehr hypothetisch.

Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass eines meiner Kinder sagt, es hätte lieber weniger oder gar keine Geschwister... Ja, welches willst du denn wegstreichen? Und findest du sie wirklich so schrecklich, dass du dir wünschst, sie würden nicht existieren?
Wenn sie es sagen würden, dann würden sie sich weniger von etwas wünschen, was sie haben. Dann richtet es sich gegen existierende Menschen.
Dann geht es nicht mehr nur um die reine Anzahl an Kindern im Haushalt, dann ist man ganz schnell auf einer persönlichen Ebene.

Als involvierte Person ist es da ganz schwer, rational zu bleiben.

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Ich habe das schon häufig von Kindern gehört, wenn sie von ihren Geschwistern genervt sind besonders, wenn es viele sind.
Sie wünschen sie meistens nicht ernsthaft weg, aber es gibt immer Momente, wo sie sich hassen.
Optimal wäre es dann, wenn sie sich auch ganz allein zurück ziehen können und nicht gezwungen sind, nahe beieinander zu sein.

Aber ich verstehe nicht, warum die Mutter verletzt ist.

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Der Wunsch Einzelkind zu sein, kann durchaus vorkommen und ist völlig ok.

Dass sich die Mutter durch die Begründung angegriffen gefühlt hat, kann ich durchaus nachvollziehen.
Damit wurde ausgesprochen, was in der Erziehung schief lief.

Gab es noch mehr Gründe, außer weil sie die Mittlere war?
Wurde sie anders erzogen, weil sie ein Mädchen war? Andere Erwartungen?

Immerhin wurde ihr, dem Kind übel genommen, dass sie nicht so dicke war mit den Geschwistern. Das ist nicht ohne.

Daher die Frage. hätte die Mutter ihr andere Dinge übel genommen, wenn sie Einzelkind gewesen wäre? Hätte sie dann wirklich mehr positive Aufmerksamkeit bekommen?

Der Wunsch Einzelkind zu sein, drückt ja auch aus, dass ihr was gefehlt hat.
Die Frage ist daher durchaus, ob sie es als Einzelkind bekommen hätte?
Oder ob sie dann die volle .... was auch immer (Wut, nicht beachten, hinten anstehen) auch abbekommen hätte.

Warum trifft es die Mutter?
Selbstschutz, weil sie nicht zugeben will, dass was schief gelaufen ist? Nach außen hin eine Familie, nach innen unterschiedliche Liebe.

Gesteht sie es sich selbst ein, hätte selbst gerne mehr Zeit und Kraft für alle Kinder gehabt, liebt ihre Tochter sehr? Dann besteht immer noch die Möglichkeit jetzt Zeit mit der Tochter zu verbringen.
Ich kenne Menschen, die sich zwischendurch gewünscht hätten Einzelkinder zu sein, ihre Geschwister lieben und vermissen würden.
Und Menschen, die froh sind ihre Geschwister los zu sein (regionale Trennung).
Und eine, die gerne Einzelkind geblieben wäre. Vorher ignoriert und gehasst, ab Geschwister weiterhin gehasst, was durch den direkten Vergleich voll aufgefalllen ist. Mutter fühlt sich angegriffen, als es ausgesprochen wurde. Das missratene Erwachsene Kind hätte ja noch nie was recht gemacht. Sie könne froh sein, dass die Mutter sie behalten hätte.

Gab es denn äußere Gründe, warum es so lief?
3 Kinder waren zu viel?
Schicksalschläge - und Familie war froh, wenn die Kinder wenigstens miteinander spielten. Keine Zeit, darauf zu achten, dass....
Also irgendwie: alle bekamen nicht viel Aufmerksamkeit von den Erwachsenen. Nur dass es ihr mehr auffiel, weil sie "übrig" war und die beiden anderen sich gemeinsam hatten?

Waren die beiden anderen pflegeintensiver, so dass nach Notwendigkeiten zuerst geschaut wurde und die Gesündeste, ruhigste auf der Strecke blieb?
- In dem Fall kann man offen darüber sprechen, eingestehen, dass es doof gelaufen ist, aber auch Beziehung aufbauen. Die erwachsene Tochter erwachsen ernst nehmen und auf Erwachsenenebene einen Neuanfang machen -

Oder war da eben auch was anderes? Etwas inneres. Egal ob Geschwister oder nicht, sie wäre auch sonst außen vor geblieben?
Wie stellen sich Mutter und erwachsene Tochter künftigen Kontakt vor?
Können sie eine Ebene finden?

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Ich wünsche mir oft andere Geschwister. Ich wünsche mir Geschwister. Nur nicht meine. Die würde ich gerne manchmal tauschen. Das ist ok so. Wir passen überhaupt zusammen. Ihnen geht es genauso. Wir nehmen uns das nicht übel. Dafür haben wir Freunde.

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Geschwister sind halt kein Garant auf eine innige Beziehung. Das muss man akzeptieren. Trotzdem ist es schwer zu beurteilen, wie das Leben ohne/mit Geschwistern wäre, wenn man es nicht kennt.

Denn auch sie wird genau wegen ihrer Geschwister der Mensch sein, der sie ist. So ist das nun mal😊

Und letztlich bekomme ich ja mehrere Kinder, weil ICH mehrere Kinder will und nicht, weil die Kinder Geschwister wollen. Zumindest wäre das optimal.

Dass man als Eltern enttäuscht über so eine Aussage ist, verstehe ich aber. Da muss man halt reflektieren 🤷‍♀️ Vielleicht ist halt doch auch was „schief“ gelaufen und die Mittlere wurde nicht optimal unterstützt und akzeptiert, wie sie ist.