Die Vorurteile meiner Mutter

Hallo liebe Community #winke

in letzter Zeit ist mir bewusst geworden, dass ich einige Vorurteile meiner Mutter einfach übernommen habe.

Erstens … Einzelkinder leider unter ihrer Rolle und werden egoistisch. Wenn andere nicht teilen wollten, hat sie immer gesagt: “Bestimmt ein Einzelkind.” Wenn sich ein Einzelkind daneben benommen hat: “Man merkt, dass der Einzelkind ist.” Und wenn sie erfahren hat, dass jemand keine Geschwister hat: “Oh nein, das arme Kind.” Deshalb ist für mich erst mal eine Welt zusammengebrochen, als klar wurde, dass unser Sohn Einzelkind bleiben wird.

Zweitens … wer seine Kinder vor dem dritten Lebensjahr in eine Fremdbetreuung gibt, ist eine Rabenmutter. Wenn meine Mutter erfahren hat, dass einjährige Kinder in die Kita gehen, hat sie direkt gefragt: “Warum haben die Eltern denn dann überhaupt Kinder bekommen?” Inzwischen finde ich diese Aussage unmöglich. Unser Sohn geht seit dem zweiten Lebensjahr in der Kita - und da ist mir aufgefallen, wie unpassend das Wort “Fremdbetreuung” überhaupt ist.

Drittens … Frauen sollten nicht Vollzeit arbeiten, bevor die Kinder auf der weiterführenden Schule sind, aber auf jeden Fall zum Einkommen beitragen, sobald die Kinder im Kindergarten oder der Grundschule sind. Für meine Mutter war das richtig und ich dachte lange, dass das der einzige richtige Weg sei. Dass für jede Familie etwas anderes funktioniert, muss ich euch ja nicht erzählen.

Viertens … Man kann in der Stadt keine schöne Kindheit haben. Ich selbst bin eher ländlich aufgewachsen. Wenn wir bei Freunden oder Bekannten in der Innenstadt waren, hat meine Mutter immer auf dem Weg dorthin und zurück demonstrativ nach Spielplätzen und Grünflächen Ausschau gehalten und dann gesagt: “Habt ihr gesehen? Hier gibt es nur einen Spielplatz und da saßen JUGENDLICHE UND HABEN GERAUCHT! Hier kann man die Kinder ja gar nicht alleine draußen spielen lassen. Wirklich nicht schön.” Auch über die Mehrfamilienhäuser hat sie sich aufgeregt: “Da müssen die Kinder ja immer leise sein. Das kann doch niemand von einem Kind verlangen.” Wegen solcher Aussagen hatte ich tatsächlich Bedenken, mit Kind in einer Großstadt zu leben. Muss ich erwähnen, dass es Parks und Spielplätze gibt, viele Kinder in der Nachbarschaft wohnen (anders als in meinem Geburtsdorf) und wir hier sehr glücklich sind?

Ich schreibe in grau, weil das die Vorurteile meiner Mutter sind. Ich möchte nicht über meine Mutter lästern. Sie ist liebevoll, hilfsbereit und wir haben ein gutes Verhältnis. Deshalb möchte ich hier nicht über sie herziehen. Was mich einfach schockiert hat, ist die Tatsache, wie lange ich gebraucht habe, ihre Ansichten zu hinterfragen.

Vielleicht habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Hattet ihr feste Vorstellungen, wie ein Leben aussehen sollte, die sich geändert haben? Vorurteile, die ihr ablegen konntet?

Ich bin gespannt #winke

1

Mir ist aufgefallen, dass ich den Text in der Vergangenheit geschrieben habe. Aber die Vorstellungen meiner Mutter haben sich nicht verändert.

2

Vorurteile hat doch jeder.
Wäre mir neu, wenn jemand ohne gleich zu bewerten durchs Leben geht.
Oft reicht nur ein Blick.
Wenn du nicht ihrer Meinung bist, dann sage es so und gut ist.
Musst ja nicht ihre Meinung teilen.
Und hattest du noch nie Vorurteile??

3

Achso, natürlich habe ich auch Vorurteile. Manche konnte ich auch reflektieren.
Z.b. Krippe, stillen, natürliche Geburt, Gläschen, Selbstständigkeit bei Kindern usw. War da auch festgefahren. Aber mein Weg ist mein Weg und der Weg von xy ist eben ein andere! Das sollte man halt auch akzeptieren können. Aber trotzdem bleiben so manche Vorurteile.

4

Doch. Ich hatte all die Vorurteile meiner Mutter, hab sie einfach unkritisch übernommen, bevor ich selbst in der Situation war, mir darüber Gedanken zu machen, wann mein Sohn betreut wird, wo er aufwächst, dass er Einzelkind bleibt etc. Darum geht es doch in dem Beitrag.

weiteren Kommentar laden
5

Grundsätzlich übernimmt man sicherlich häufig die Vorstellungen, Meinungen, Sichtweisen, Voruteile der Eltern, da man ja nichts anderes kennt. Je älter man wird und je mehr man selbst erlebt und auch andere Familien und deren Sichtweisen kennenlernt, kann man, wenn man kritisch und reflektiert genug ist, diese Sichtweisen natürlich hinterfragen und sich andere Meinungen aneignen.
Oder man macht es sich eben einfach, bleibt dabei und schiebt den Eltern die Schuld in die Schuhe für die eigene Engstirnigkeit. Das kennt ich bspw aus meiner Familie aus der Generation meiner Großmutter.

Wenn du sagst, dass es dir bewusst geworden ist und dein Leben auch anders aussieht als nach den Vorstellungen deiner Mutter und du glücklich bist, ist ja alles super.

Ich habe mir mein Leben basierend auf den Lebensläufen meiner Eltern auch etwas anders vorgestellt. Letztendlich ist es dann doch etwas konservativer geworden könnte man sagen. Zumindest in einigen Bereichen. Worüber aber weder ich noch meine Eltern unglücklich sind.

Ich finde solange man weiß, warum man eine bestimmte Meinung hat und die bestenfalls auf eigenen Erfahrungen beruht und man selbstkritisch genug ist sich selbst auch mal zu hinterfragen, ist es auch vollkommen in Ordnungen Sichtweisen der Elternbzu übernehmen oder auch nicht.

6

Hallo,

die Hauptvorurteile meiner Mutter:
- Eltern sind faul, wenn das Kind nicht mit einem Jahr windelfrei ist.
- Eltern machen etwas falsch, wenn das Baby nicht durchschläft.
- Babys schlafen überhaupt rund um die Uhr, zumindest ist das das "Normale".
- Einzelkinder sind verwöhnt / arm dran.
- Homosexualität entsteht durch falsche Erziehung.

Letzteres habe ich schon als Jugendliche "über Bord" geworfen, die Vorurteile und Ansichten zu Stillen und Stillabständen, (Durch-)Schlafen und Windeln erst mit der Geburt meines ersten Kindes.

Natürlich sind Vorurteile normal, schlimm wird es dann, wenn man nicht bereit ist, sich mit deren Wahrheitsgehalt auseinanderzusetzen.

LG

7

Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, und fand es als Kind schon sehr beengt.
Meine Mutter war immer der Meinung, Kinder gehören zur Mutter und Mütter sollen nicht arbeiten, bis die Kinder erwachsen sind.
Mir war schon als Kind klar, dass das nicht mein Weg ist.
Ich habe studiert, bin nach der Geburt direkt wieder Vollzeit arbeiten gegangen, mein Ex hatte Elternzeit und mit 6 Monaten kamen die Kinder in die Kita.
Ich habe mich später von meinem Mann scheiden lassen und bin ohne die Kinder ausgezogen und sie beim Vater gelassen .
Meine Mutter war so entsetzt, dass sie zwei Jahre nicht mit mir gesprochen hat.
Dann lebe ich jetzt in einer Partnerschaft, ohne verheiratet zu sein.
Werde ich auch nie wieder tun.
Ich bedauere ihre Engstirnigkeit, es ist nicht schön , so eine Person als Mutter zu haben.

9

Ich bin Einzelkind und hatte laaange vorurteile bei Geschwisterkindern, denn aus meiner Erfahrung sind diese oft zerstritten als erwachsene und als kind mussten sie teilen und wollten nicht...
Naja meine Tochter wird bald große Schwester 🤣 mal sehen wie wird dass Handhaben

10

Nun, in Kindersachen ist meine Mutter ganz okay. Sie hat da ihre (abweichenden) Meinungen, aber lässt mich machen. Sie hat es selbst gehasst, wenn von überall Tips und Bevormundungen kamen.
Ansonsten... Joa... Schwierig.
Sie hat viele Vorurteile bestimmten Personengruppen gegenüber. Eigentlich wirft sie alles in einen Pot, was sich irgendwie unter einem Begriff zusammenfassen lässt. Männer, Hausfrauen, Fahrradfahrer, Skifahrer, Musiklehrer, Künstler, Schüler, Verkäufer, Leute die um 8 einkaufen, Leute die Sprachnachrichten schicken, solche die Schnittblumen kaufen, Frauen in weissen Hosen, etc.
Sie differenziert wirklich nie, es ist immer eine absolute Aussage zu einer Personengruppen. Je älter sie wird, desto mehr verstärkt sich das noch. Manchmal mag ich mich gar nicht mehr mit ihr unterhalten und sage ihr auch oft genug, dass ich mir den Schmarrn nicht länger anhöre.
Ich habe tatsächlich die Eigenschaft, auch vorschnell Leute in Schubladen zu stecken. Aber ich bemühe mich immer, wieder einen Schritt zurück zu treten und meine Vorurteile beiseite zu schieben. Inzwischen hilft da schon der Wunsch, nicht so zu werden wie meine Mutter.

11

Seitdem ich selbst Kinder habe, ist mir aufgefallen, wie stark ich meine eigene Erziehung und den Erziehungsstil meiner Mutter reflektiere und hinterfrage, wobei sie da nicht immer gut abschneidet, was mir früher nie aufgefallen ist.
Auf der anderen Seite hat sie mich stark geprägt und ich habe auch Dinge übernommen, die sie gemacht hat, obwohl ich die gar nicht mag, zum Beispiel sich vor anderen zu schämen, wenn sich die Kids daneben benehmen, zu laut sind etc. Rational weiß ich, dass Kinder nun mal so sind, aber da hat mich ihre Erziehung geprägt.
Ich dachte immer, dass ländlich wohnen für Kinder am besten wäre. Jetzt wohnen wir in der Großstadt und finden es toll!
Nach dem 1. Kind dachte ich, dass ich ganz schnell wieder in meinen Beruf zurück kehren müsse, weil man einfach nicht so lange zu Hause rumhocken kann (und darf). Nach meinem 2. habe ich 3 Jahre Elternzeit beantragt, weil es für mich anders nicht gepasst hat 😊