Warteschleife, Organisation und Anerkennung

Hallo,

Ich weiß selbst nicht was ich mir von diesem Post verspreche. Vielleicht muss ich es mir einfach von der Seele schreiben... Vorsicht, es ist sehr lang!

Kurz zu mir/uns: 38 Jahre alt, eine Tochter (15 Monate), schwanger in der 18. Ssw. Kind geht halbtags in die Kita, ich bereite mich gerade auf meine Dissertationsverteidigung vor. Mein Mann ist jede Woche 4 Tage auf Dienstreise, zur Zeit aber Corona-bedingt im Home office (bis September). Nach dem 2. Babyjahr werde ich mich beruflich umorientieren müssen, da es hier in der Region keine Jobs in meinem ursprünglichen Beruf gibt (bin zu meinem Mann gezogen). Das bereitet mir Sorge, aber ich freue mich auch auf die neue Herausforderung und schmiede Pläne :)

Zur Zeit fühle ich mich manchmal wie in einer Warteschleife: Ich warte auf meinen Verteidigungstermin, auf die Geburt (dauert ja noch ^^), auf den beruflichen Wiedereinstieg. Zuhause habe ich mich bereits jetzt schon (meiner Ansicht nach) gut organisiert, sodass ich mich auf das Leben mit 2 Kindern vorbereitet fühle, auch wenn mein Mann wieder auf Dienstreise geht (Omas sind vorhanden und eingeplant). Diese Art Organisation kenne ich aus Studium/Beruf. Privat bin ich sonst eher ein nicht so durchorganisierter, spontaner Mensch. So hat mein Mann mich auch kennengelernt.

Ich muss allerdings noch dazu sagen, dass wir seit der Geburt unserer Tochter auch privat recht strukturiert leben, da die Kleine eine feste Tagesstruktur zu brauchen scheint. Sie war 8 Monate lang ein klassisches Schreibaby und man hat uns in der Schreiambulanz dazu geraten. Es hat wunderbar funktioniert und sie entwickelt sich prächtig (wenn wir ihren gewohnten Tagesablauf annähernd einhalten).

Dadurch, dass mein Mann zuhause ist, bekommt er diese Struktur/Organisation nun komplett mit. Ich stehe morgens gegen 05:30 Uhr auf, dusche, mache unsere Tochter Kita-fertig, bringe sie hin, setze mich an meinen Schreibtisch und lerne, koche Mittag, gehe einkaufen, hole unsere Tochter ab, mache mit ihr Mittagsschlaf (^^), spiele mit ihr, bringe sie ins Bett. Mein Mann macht derzeit das Abendessen. Abends räume ich auf und mache meist noch Wäsche. Am Wochenende baut mein Mann an unserem Haus (er macht viel selbst) und ich kümmere mich um Haushalt und Kind. Zur Zeit also eine relativ klassische Arbeitsteilung.

Nun zum eigentlichen "Problem"... mein Mann wirft mir vor pedantisch und überorganisiert zu sein. Es nervt ihn, dass am Ende des Tages immer alles annähernd wieder aufgeräumt und (halbwegs) sauber sein muss. Obwohl er es meist nicht macht, sondern ich (er sitzt dann vor dem Fernseher). Ich bitte ihn halt manchmal abends noch die Katzenklos sauber zu machen oder die Küche nach dem Abendessen zu säubern (Arbeitsplatte abwischen usw.). Es nervt ihn wohl schon seit einer Weile und er meckert oft leise vor sich hin.

Vor einigen Tagen haben wir eine Serie geschaut (Little fires everywhere), in der eine der Hauptdarstellerinnen eine pedantische, überorganisierte, halbtags als Journalistin arbeitende (Über-)Mutter von 4 Kindern ist, die durch ihren Perfektionismus u.a. fast ihre ganze Familie zerstört (und noch einiges anderes). Mein Mann sagte nach einigen Folgen plötzlich: "Du bist genau wie sie!" Ich war so geschockt, dass er mich mit so einer Person verglich und konnte erstmal nichts entgegnen. An den nächsten Abenden machte er wieder Andeutungen in die Richtung.

Ich muss gestehen, dass mich diese Feststellung (?) von ihm tief getroffen hat. Besonders da ich es selbst nicht so sehe. In meinen Augen versuche ich die Dinge einfach nur gut zu machen und am Laufen zu halten. Dazu gehört auch meiner Ansicht nach ein Stück weit Tagesorganisation.

Das Problem ist... seit er es gesagt hat kann ich nachts kaum noch schlafen, habe Bauch- und Kopfweh und mache mir ständig Gedanken wie ich die "Organisation" besser vor ihm verbergen kann. Dann wiederum komme ich mir echt bescheuert vor und denke "lass ihn reden"...

Puh, das ist echt lang geworden... und ich vergieße ein paar Tränen beim Schreiben, weil ich mich irgendwie unverstanden fühle (ein Gefühl, das ich bei meinem Mann sonst nicht habe). Vielleicht reagiere ich auch über (Schwangerschaftshormone lassen grüßen)... aber das Ganze schlägt mir auch aufs körperliche Wohlbefinden.

Gestern habe ich mit einem guten Freund darüber geredet und der meinte "du musst einfach mal für ein paar Tage raus, weg, nicht immer da und präsent sein"... aber schwanger und mit (sensiblem) Kind weiß ich nicht wie ich das bewerkstelligen könnte.

Vielen Dank fürs Lesen!

Lg, LittleFires

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Die Frage die sich mir stellt ist ja: wie sprichst du mit ihm? Wie reagierst du wenn er was anders macht, deinen Ablauf durcheinander bringt?


Im Endeffekt bringt es aber nichts, was wir hier schreiben. Sprich mit deinem Mann. Er soll mit Andeutungen aufhören und klar sagen, was ihn stört.

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Dann fahr doch einfach Mal für ein paar Tage weg und lass die Grosse beim Vater, Kind geht ja eh in die Betreuung und der Vater ist zu Hause. Du kannst dich in der Zeit runterfahren und er merkt wie wichtig deine Organisation ist und das es ohne nicht klappt. Also lass ihn Mal ein paar Tage ( mit nur 1-2) alleine und schau was passiert.
Viel Glück
Visilo

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Hallo du,
bei dir kommen sicher einige Dinge zusammen. Die „Warteschleifen“ machen -mindestens unbewusst-nervös. Das Kümmern um eure Kleine, die viel Struktur braucht, ist anstrengend. Deine Schwangerschaftshormone kommen dazu.
Dein Mann vermisst evtl zurzeit seinen üblichen Alltag. Homeoffice stellt einen auch vor Herausforderungen. Vielleicht ist auch er angespannt und reagiert daher unsensibel.

Ich verstehe dich total, hatte schon ähnliche Situationen mit meinem Mann. Ich brauche Struktur und Ordnung, wenn ich gestresst bin, er nicht unbedingt. Das sorgt manchmal für Konflikte. Beim Schaffen dieser Ordnung kann ich grimmig und unentspannt werden, weil ich mir fast selbst damit auf den Nerv gehe. Du schreibst, du bist eigentlich der spontane, nicht durchgeplante Typ? Vielleicht bist du am Ende des Tages auch so unentspannt, dass dein Mann auf diese Stimmung reagiert hat mit seinem Spruch?

Ich würde zweierlei machen.
1. Sprich mit ihm, wie sehr dich der Vergleich verletzt hat und warum du zurzeit nicht so „locker“ bist, wie er dich kennt. Sicher wird er dich verstehen. Hör auch ihm zu, was ist für ihn unangenehm? Was wünscht er sich?
2. Besprich die Organisation mit ihm. Bloß nichts verstecken, das ist doch Quatsch. Es ist euer Alltag, nicht nur deiner und der eures Kindes. Wenn deinem Mann eine lockere Stimmung Abends wichtig ist, muss er die Grundlage dafür legen und wichtige Dinge mit dir erledigen. Ihr könnt aber natürlich Kompromisse dazu finden, was wichtig ist...(Ich finde zB saubere Katzenklos abends auch wichtig, könnte aber eine etwas unaufgeräumte Küche bis morgens lassen, wenn er sich dann darum kümmert...)

In Beziehungen ist es normal, dass die Beteiligten unterschiedliche Bedürfnisse und Empfindungen und Prioritäten haben. Das wird später bei deinen Kindern auch so sein! Und manchmal verletzt man sich gegenseitig damit, nicht immer absichtlich. Es hilft wirklich nur, darüber zu reden.
Alles Gute!

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Ihr seid der klassische Fall von "trefft euch in der Mitte".
Du solltest ein Stück weit runter fahren und dein Mann ein Stück weit hoch.
Das wäre doch ein guter Kompromiss.

Ich bin selbst mal gern jemand der 5 gerade sein lässt. Hab ich einen anstrengenden Tag hinter mir, ist es mir ehrlich gesagt egal ob der Haushalt top ist oder nicht.
Ich bin da wohl eher wie dein Mann gepolt und gönne mir dann wenigstens einen ruhigen Fernsehabend für die Seele.
Würde mein Mann mir dabei reinpfuschen, wäre ich auch grummelig und er darf es selber machen, wenn es ihn stört.
Es ist ja nicht so, dass dein Mann eine faule Socke ist.
Wenn mein Mann kaputt von der Arbeit ist, kann er machen was er will. Nur weil ich noch Energie für den Haushalt habe und etwas bestimmtes erledigen will, muss er es nicht auch.
Es ist ja nicht jeder Tag gleich.

Wenn dir das ganze so nah geht und du es doch nur sauber haben willst, dann solltest du vielleicht wirklich mal überdenken, ob dein Mann vielleicht recht hat.

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Mein Mann kam vor ein paar Tagen an und sagte: "Ey, da kommt ne neue Serie...ich glaube du bist verfilmt worden!" Bin aber noch nicht dazu gekommen reinzuschauen, jetzt bin ich wirklich gespannt.
Hier ist es auch so, mein Mann kann mit meiner Strukturiertheit (gibt es das Wort so überhaupt#kratz) auch nix anfangen. Hängen wir zu viel aufeinander (ist ja bei euch durch HO auch gerade so), dann prallen wir da auch aufeinander.

Vielleicht hat dein Freund recht, zieh es einfach durch...das wirkt Wunder. Mach es aber nicht, um deinem Mann eins reinzuwürden. Tu es nur für dich!

Mein Mann schätzt mein Organisationstalent eigentlich nur bei Umzügen oder Urlaubsreisen, ansonsten findet er das ziemlich strange. Wir akzeptieren aber unsere unterschiedlichen Handlungsweisen (manchmal bin ich echt erstaunt wie er sich so "kopflos" organisiert) und haben da einen Weg gefunden, das beide damit Leben können. Da ich erst mit dem Kind so wurde brauchte es auch seine Zeit, bis wir uns da arrangiert hatten.

Ob es bei dir jetzt die Hormone sind oder da mehr hinter steckt, das kannst nur du selber rausfinden. Aber sprich auch noch mal mit ihm, vielleicht fühlt er sich aktuell von dir "überrollt", da er ja sonst die Woche über nicht da ist.

Vielleicht hätte ich auch erst antworten sollen, nachdem ich die Serie angeschaut habe;-).

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Ihr solltet euch mal hinsetzen und darüber sprechen. Anscheinend versteht er nicht, warum du so organisiert bist. Bisher war er jede Woche 4 Tage auf Dienstreise... wenn man nur drei Tage zuhause ist, bekommt man vom Alltag halt auch weniger mit. Dann passt das schon, wie der andere es macht. Man ist ja nicht direkt betroffen.
Nun ist er im Homeoffice und erlebt diesen Alltag. Für ihn ist es bestimmt eine Umstellung, wenn man sich vier Tage die Woche nur um den Job und sich selbst kümmert oder wenn man plötzlich zuhause ist und sich um den Job kümmert und anteilig am Familiengeschehen teilnimmt.
Setz dich hin und sag ihm, was du denkst.
Ich finde dieses, „wenn es dir wichtig ist und ihm nicht, mach du doch“ immer suboptimal! Man muss eben auch Dinge machen, die einem nicht passen. Ist halt so, wenn man erwachsen wird und einen Haushalt hat. Ich kann ja auch nicht zu meinem Mann sagen, „dir Ist es ja wichtig, dass wir finanziell gut aufgestellt sind, also geh du doch dafür arbeiten“. So funktioniert das Leben eben nicht.
Man benutzt etwas, dann räumt man es danach wieder weg. Man bereitet essen zu, danach räumt man die Küche auf. Für mich gäbe es da keine Grundlage für Diskussionen. Mein Mann würde es auch nicht stören, wenn die Küche bis zum nächsten Tag so stehen bleibt. Kommt mir aber nicht in die Tüte. Ich mag es nicht, wenn ich morgens erstmal das Chaos vom Vortag erledigen muss, bevor ich Frühstück zubereiten kann. Und das hat nicht mal was mit unserem Kind zutun, was Struktur braucht.
Es erwartet ja keiner, dass man abends zwei Stunden putzt. Aber das man abends eine gewisse Grundordnung hinterlässt, bevor man sich aufs Sofa legt, ist kein Ding der Unmöglichkeit. 30 Minuten hier durchgehen und alles sauber machen und alles wegräumen kostet nicht viel Mühe. Gerade diese Struktur verschafft uns mehr Zeit füreinander und als Familie, eben weil immer alles sauber und erledigt ist. Das weiß auch mein Mann. Er hat am Anfang auch mit den Augen gerollt, weil ihn gewisse Tätigkeiten nicht so wichtig waren. Aber er hat irgendwann doch gemerkt, dass ein Haushalt, wo alles regelmäßig gemacht wird doch langfristig weniger Arbeit macht, als am Wochenende einen Tag nur fürs putzen zu verschwenden. Seit er den Sinn dahinter verstanden hat, ist Ruhe im Karton. Abends bleibt immer genug Zeit für ein Film oder sonstiges. Ab Spätestens 20:30 sind wir nämlich durch mit allem. Man kann ja 5 grade sein lassen und abends um 21 Uhr muss keiner die Fußleisten putzen, aber man muss nicht immer alles liegen lassen, bis sich alles so Tummelt, dass man nicht weiß, wo man anfangen soll und dann noch genervter ist und noch weiter anfängt zu schieben...
eine gute Freundin von mir ist so. Bei ihr muss man drei Tage vorher anrufen, wenn man sie besuchen möchte. Dann flippt sie aus, weil ihr der Zustand der Wohnung total unangenehm ist, sie aber nicht weiß, wo sie anfangen soll. Ihr fehlt jegliche Disziplin eine Struktur zu halten.

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Dieses penible Art bzgl. Ordnung, Organisation etc. kenne ich auch.
Man merkt auch gar nicht, dass man evtl. andere extrem damit stresst, okay, man merkt es schon, kann aber nicht nachvollziehen, dass sie es nicht zwingend so brauchen.

Dein Mann meint es sicher nicht böse, wenn er dir das sagt, aber so weißt du, wie er es sieht oder empfindet. Ist doch ganz gut, wenn man mal gespiegelt wird.

Stresst dich dein Verhalten eigentlich?
Mich hatte es lange sehr gestresst, wurde auch mal richtig schlimm.
Mein Mann holt mich ab und zu immer wieder zurück auf den Boden, das ist auch gut so.

Eine gute Struktur und Organisation ist gerade mit Kind und Job natürlich wichtig, das ist klar.
Und ich hasse es auch, wenn abends nicht wieder alles sauber ist usw. man will ja wieder sauber und mit Status "0" in den Tag starten.
Aber manche Dinge können wirklich warten.

Hast du noch genug Zeit zum Entspannen?
Kannst du entspannen, wenn du weißt, dass noch 3 Teller in der Küche stehen und das Katzenklo erst morgen früh sauber gemacht werden würde?
Wahrscheinlich nicht, mir fällt so etwas auch schwer.

Überlege dir einfach mal, ob du genug zur Ruhe kommst, wann du zur Ruhe kommst, unter welchen Bedingungen und wie viel Zeit du dafür überhaupt hast.

Manchmal muss lernen, alle Fünfe gerade sein zu lassen und zu sagen "Heute nicht mehr"

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Ich habe die Serie gesehen und bin selber auch auf jeden Fall eine ähnliche Reese Witherspoon. ;-) Anders kann man die vielfältigen Erwartungen der Gesellschaft gar nicht erfüllen und ihr "Gegenpol" in der Serie tut ihrem Kind auch nicht gut durch ihren egozentrischen "alles geht" Stil.

Bei mir herrschen auch Struktur und Ordnung, sonst funktioniert hat nichts mehr. Mein Mann weiß das mittlerweile sehr zu schätzen, nachdem ich ein paarmal auf Klassenfahrt war. ;-)

Du bist unfreiwillig in die Hausfrauenrolle bei einem Mann getappt, der undankbar und nicht wertschätzend ist. Ihr müsstet vielleicht mal reden.

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Also ganz ehrlich wenn diese Struktur euer ehemaligen Schrei-Tochter geholfen hab besser klar zukommen wäre mir egal was dein Mann denkt. -Euer Kind profitiert davon mit weniger schreien und deine/eure Nerven auch. Wenn dein Mann das icht verstehene will dann zweifel nicht an dir sondern geh euren Weg weiter.

ICh selbst hab einen Autisten als Kind der auch viel Struktur braucht. HIer lass ich mich auch von anderen Leuten nicht beeinflussen!

Ela