Ich möchte endlich ankommen

Hallo liebe Urbianer!
Ich hatte eben ein Gespräch mit meinem Mann, dass mich im Nachhinein etwas verunsichert hat. Vielleicht könnt ihr etwas Klarheit reinbringen.
Zu mir: Ich hatte eine nicht sehr angenehme Kindheit (Schulden, Alkohol, körperliche+psychische Gewalt, Vertuschung). Meine Vergangenheit ist außerdem geprägt von chaotischen, toxischen Beziehungen und Freundschaften. Nach mehreren therapeutischen Maßnahmen kann ich heute ein normales Leben führen und bin sehr dankbar, dass mir das so möglich ist.
Ich bin damals sofort zuhause ausgezogen als es mir finanziell möglich war und war dann erstmal in einer WG in einem anderen Ort. War erst ganz witzig aber irgendwann ging alles menschlich den Bach hinunter. Also ausgezogen in meine eigene Wohnung, Ortswechsel. Habe dann nach ein paar Jahren meinen Mann kennengelernt. Zusammengezogen, Ortswechsel. Beruflich umorientiert, Hochzeit, Kind. Dann der Breakdown: Traumatische Geburt, Kampf mit Depression, extreme Umzufriedenheit mit Wohnsituation, Finanzielle Probleme, Ehe am Ende. Wir haben uns berappelt. Umzug in seine alte Heimat brachte Distanz zu meiner Familie. Das hat mir auch sehr gut getan. Neue Kontakte, Neuer Job, Finanzen wieder im grünen Bereich, Neuanfang. Nur die Wohnsituation ist unterirdisch, war nur übergangsweise gedacht. Jetzt finden wir aber weder Immobilie noch Grundstück und wollen doch so gern hier bleiben.
Mein Mann äußerte nun, dass er Bedenken hat, wenn wir eine Immobilie kaufen dass ich dort auf längere Zeit wieder nicht glücklich sein kann. Er sagt, ich wäre rastlos. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, dass er Recht haben könnte. Ich möchte so gerne ankommen, mich zuhause fühlen. Aber dann sehe ich nur noch die negativen, störenden Kleinigkeiten im Alltag, die werden immer mehr und dann kotzt mich alles nur noch an. Ich hänge mich an Kleinigkeiten auf, will nur noch weg.
Habt ihr eine Idee, wie ich endlich Ruhe finden kann und zufrieden bin mit dem wie es ist? Wir als Paar und auch ich allein haben soviel erreicht, aber es scheint nie genug zu sein, ich muss immer weiter....
Danke fürs Lesen!

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Hm, bis auf deine Kindheit klingt das doch alles ganz "normal", also deine Umzüge und berufliche Änderungen.
In der Tat, so lange man keine Verpflichtungen hat, kann man munter die Zelte hinter sich abbrechen, warum denn auch nicht? Ich habe keine Ahnung wie oft ich umgezogen bin, Jobs gewechselt habe. Ich brauchte das einfach und fertig.
Das Rastlose steckt auch in mir, gerade kurz nach der Geburt kam es noch einmal extrem durch. Aber hier wäre es Wahnsinn gewesen, das aufzugeben, was wir gefunden hatten. Ein Eigenheim? Für mich unvorstellbar damals. Tja, was soll ich sagen, im Grunde habe ich meinem Mann seinen Lebenstraum versaut, er wollte immer ein Eigenheim.
Als ich dann so weit war, war der Drops gelutscht, die Immobilienpreise durch die Decke gegangen. Ich habe im Nachhinein oft gedacht, hätte er doch einfach sein Ding durchgezogen. Denn was ich da noch nicht sehen konnte....das Kind selber veranlasst mich dazu, die Füße still zu halten. Und auch dazu, einfach mal Umstände auszuhalten und zu erkennen, das die Welt nicht untergeht, wenn ich mal durchhalte, im Gegenteil. Versteh mich nicht falsch, man soll nicht in um jeden Preis aushalten, aber auch du nennst es ja jetzt "Kleinigkeiten", die dich unruhig werden lassen.
Ja, diese Unruhe bleibt, diese Rastlosigkeit. Es ist ein Bestandteil meines Lebens, mehr nicht mehr. Dann sehe ich meine Tochter an, sie hat im Gegensatz zu mir Wurzeln, eine Heimat. Ich muß mir ganz oft bewußt machen, was wir hier eigentlich haben und das diese Unruhe einfach nur in meinem Kopf ist.
Und schlußendlich ist da noch mein Mann, er holt mich runter, er übernimmt die "Führung" wenn es mit mir wieder durch geht, er hält mich aus. Und er zeigt mir ganz klar Grenzen auf, wenn ich zu motzig werde. Un ddas obwohl ich ihm seinen Lebenstraum versaut habe (was er übrigens ganz anders sieht).

Ich merke, das ich mit jedem Jahr ruhiger werde. Letztes Jahr hatte ich sogar, das erste Mal etwas "Schnappatmung" bei dem Gedanken, das unser Vermieter Eigenbedarf anmelden könnte oder das Haus verkaufen will....solche Gedanken hatte ich noch nie.

Wir wissen, das die Unruhe in meinem Kopf auch zu "Fehlzündungen" führen kann, wenn es ganz hart kommt. Von daher haben wir einen Deal gemacht, der mich zusätzlich ruhig hält....das Kind bleibt bei ihm. Es ist nur ein Deal, nichts handfestes, aber auch das hilft mir.

Den letzten großen Einschlag hatte ich kurz vor der Einschulung des Kindes, obwohl eigentlich war es nur ein kleines Strohfeuer. Das Haus entrümpeln, neue Farbe an den Wänden, Zimmer im Haus tauschen haben da gereicht um aus einem "Oh Gott, ich muß jetzt 4 Jahre hier aushalten!" ein "Ach, die Zeit wird auch umgehen." werden zu lassen.

Ich musste für mich erkennen, das ein Umzug nur einen Bruchteil der Probleme löst, den Rest muß ich trotzdem selber ändern. Und ganz oft geht das auch ganz leicht, wenn an es will.

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Hi,

ich hab selbst mehrere Jahre Psychoanalyse benötigt bis dieses Gefühl mich stückchenweise verlassen hat. Vorher 8 Umzüge in 11 Jahren, Arbeitsstellen nie länger als 2 Jahre. Dann musste ich weiter. Ich hab mich oft gefühlt wie Mary Poppins, die eben nur bleibt, bis der Wind sich dreht. Ich glaube nicht, dass es für mich einen anderen Weg gegeben hätte, um da raus zu kommen.

Alles Gute

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Du bist ein paar mal gestolpert und hingefallen. Bist aber jedes Mal wieder aufgestanden. Du gibst nicht so schnell auf.
Genau das solltest du dir komplexer Weise vor Augen halten, wenn ihr eine Immobilie gefunden habt. Gib nicht auf wofür du so lange gekämpft hast, nämlich sesshaft zu werden und dich heimisch zu fühlen.
Bis jetzt hast du deine Zelte immer wieder abgebaut und neu aufgeschlagen. Zum Teil war es sicher erforderlich, gar keine Frage.
Verabschiede dich von dem Gedanken, dass alles perfekt sein muss. Es gibt kein perfektes Haus oder gar eine perfekte Familie. Du sagst selbst es sind oft Kleinigkeiten, die dich stören. Eigentlich doch gar nicht der Rede wert, oder? Solche Dinge lässt man laufen oder beseitigt sie ohne gleich die Flucht zu ergreifen.
Besinne dich auf das was du hast. Du hast nämlich ganz schön viel erreicht. Du hast gekämpft als es notwendig war, aber jetzt darfst du dich gern mal auf deinen Lorbeeren ausruhen.

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Hast du eine Therapie zu der du dann wieder gehen kannst?

Ja, das kenne ich von Freunden/Bekannten.
Die Ursache liegt dann oft in der Kindheit.
Von konkreten Triggern (die sie selbst erst herausfinden müssen) über den Perfektionsmusanspruch an sich selbst, über psychische Probleme (die sich Schubweise zeigen), über Flucht statt ausgeliefert sein , über .... kann so vieles sein.

Einigen hat eine Therapie geholfen, zu der sie in Krisen immer wieder neu gehen können.
Nicht durchgehend, sonst würde da die Flucht ergriffen, sondern immer dann, wenn die Kleinigekiten zu zu großen Dimensionen werden.

Herausfinden, was die Ursache ist (unter dem Deckmantel der Kleinigkeit)
Ersatzhandlungen
Flucht nach vorne
Auszeitenfluchten (weg, aber wieder kommen)
sich selbst Unglück schaffen (weil das paradoxerweise gebraucht wird um glücklich zu sein) in kleinen Bereichen, um das große Glück zu erhalten - mit therapeutischer Begleitung!

Die Befürchtung deines Mannes ist durchaus berechtigt.
Könntet ihr Notfallpläne überlegen bei Immobilienkauf? Also wenn du wieder deinen Umzugsschub bekommst, dass z.B. er mit den Kindern dort wohnen bleibt, ihnen ein konstantes Umfeld bietet und du wieder kommen kannst?

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Ich denke, wenn du das noch nicht machst, das du dir Hilfe holen solltest, es ist ja auch nicht toll für euer Kind wenn ihr ständig umzieht und es sich neue Freunde und Umfeld suchen muss, dir macht das ja auch irgendwo zu schaffen du rennst ja irgendwie vor allem was unangenehm ist davon oder? Ich denke das du dir da helfen solltest um anzukommen.

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Hallo,

jetzt hast Du in Deinem Leben schon so viel erreicht, bist immer wieder aufgestanden! WOW, kann man da nur sagen! Was steckt in Dir für Kraft!! #klee

Richte Deinen Blick mehr auf das Positive. Was muss man sich an Kleinigkeiten aufregen? Es sind nur Kleinigkeiten!
Im Internet gibt es schöne Anleitungen wie man seinen Blick auf die kleinen POSITIVEN Dinge des Lebens lenkt und so glücklicher/ zufriedener wird.
Wenig Aufwand, viel positive Auswirkung.

Sei stolz auf Dich und schau Dir immer wieder an, was Du tolles hast!
Liebe Grüsse und alles Gute!

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Ich bin auch so. Mein Lebenslauf liest sich wie ein Wirbelwind. Bisher fanden das alle immer sehr abenteuerlich und es wurde positiv empfunden aber mich persönlich stört es auch. Dauernd Job wechseln, umziehen. Ich bin direkt nach dem Abi ausgezogen und seither 14 Mal umgezogen (in 13 Jahren). Einerseits will ich endlich ein richtiges zu Hause. Eine Wohnung die ich so einrichten kann wie ich will, Wände streichen etc ohne zu wissen dass ich sie in 10 Monaten überstreichen muss etc. Aber andererseits beruhigt es mich wenn ich denke, in einem Jahr ziehen wir wieder um dh wenn es auf Arbeit Krach gibt dann ist es nicht so schlimm, muss nur noch bis nächsten Sommer durchhalten.
Für mich ist es das weglaufen vom negativen, was einfacher ist als es einfach Mal durchzustehen. Ich glaube wenn man es einmal geschafft hat zu bleiben, obwohl man laufen will dann merkt man dass es nicht so schlimm ist und es wird hoffentlich einfacher ...?