Überfordert mit der Situation

Liebe Forengemeinde,

das folgende Thema bewertet jeder von euch wahrscheinlich ziemlich individuell, aber ich weiß momentan nicht weiter und denke eine andere (neutrale) Sichtweise wäre sinnvoll.

Ich muss leider etwas weiter ausholen, ich hoffe jemand liest bis zum Schluss..

2009 haben sich meine Eltern getrennt, die Scheidung folgte 2010. Ich blieb damals bei meinem Papa. 2011 lernte er seine jetzige Ehefrau kennen. Sie ist ein herzensguter Mensch, der mich stets durch alle Höhen und Tiefen meines Lebens begleitet hat. Sie ist mehr eine Mutter für mich als meine leibliche Mutter. Sie war meine Trauzeugin bei meiner Hochzeit und ist eine wundervolle Oma für meine Tochter. Außerdem liebt sie meinen Vater über alles. Ich habe ihn nie so glücklich mit meiner Mutter gesehen, wie in den letzten Jahren mit dieser Frau!

Ende April wurde bei ihr Krebs diagnostiziert. Eine so derart aggressive Form, dass man ihr leider nicht mehr helfen kann. Es gibt absolut keine Hoffnung und es wird in den nächsten Wochen mit ihr zu Ende gehen. Diese Nachricht hat mir regelrecht den Boden unter den Füßen weggezogen, mir fehlt jeglicher halt.

Ich versuche für meine Tochter, meinen Mann, unsere kleine Familie da zu sein, aber ich bin wie gelähmt. Mein Mann unterstützt mich wie er kann und ist für mich da, aber das wiegt nur einen Bruchteil dessen auf, was ich momentan an Verlustängsten durchleide. Meinem Vater geht es ähnlich, wenn nicht sogar viel schlimmer. Er bekommt nichts mehr hin (verständlicherweise). Also fahre ich 1 mal die Woche zu ihm und unterstütze ihn ein wenig. Da er seine gesamte Freizeit im Krankenhaus verbringt, kümmere ich mich um deren Haushalt und die Wäsche, zusätzlich zu dem was bei mir zu Hause eben anfällt. In der Zeit passt meine Schwiegermutter netterweise auf meine Tochter auf.

Ich funktioniere aktuell, aber ich habe das Gefühl, das meine Ehe und auch die Beziehung zu meiner Tochter unter der aktuellen Situation sehr leidet. Auch wenn mein Mann wirklich sehr verständnisvoll ist, sehe ich wie sehr es ihn mitnimmt, mir nicht wirklich helfen zu können.

Wie kann ich einen Mittelweg finden? Ich will meinen Vater einerseits die Stütze sein, die er aktuell braucht. Andererseits weiß ich nicht, wie lange ich und auch meine Familie das noch ertragen kann. Wobei uns das schlimmste ja noch bevor steht..

Gibt es einen Weg aus dieser Situation?

Danke fürs lesen und für Ratschläge
Schlumo

1

Wie sieht es mit einer Putzfrau aus? Die könnte sich um das Gröbste kümmern, sodass du deine Kraft für die emotionale Unterstützung deines Vaters nutzen kannst?

2

Danke für den Vorschlag.

Mein Vater hatte eine Haushaltshilfe über die Krankenkasse beantragt. Das wurde abgelehnt. Er wollte eine Putzfrau einstellen, allerdings wären das Kosten, die er aktuell nicht tragen könnte..deshalb habe ich mich angeboten. Ich würde mich schlecht fühlen, wenn ich das Angebot zurückziehe, finanziell könnte ich eine Putzfrau allerdings auch nicht stemmen, sonst hätte ich das gemacht! Ich überlege, ob ich vielleicht „nur“ alle zwei Wochen den Haushalt übernehme..

4

Bist du denn ganz allein, familiär gesehen? Oder gibt es noch andere Verwandtschaft, Tanten Onkel, Geschwister etc. die nicht auch helfen könnten?
Oder könnten gute Freunde helfen?

weitere Kommentare laden
3

Das ist ja furchtbar und tut mir sehr leid. Musst du denn derzeit "für deine Familie" da sein? Dein Mann scheint deine Situation zu verstehen, demnach ist es wohl verständlich, wenn du dich aus den Pflichten gegenüber deiner Kernfamilie zurückziehst. Du sagst ja selbst, dass der Oma deiner Tochter nur noch wenige Wochen bleiben. So blöd das klingt - aber die Zeit ist überschaubar. Versuche, diese letzten Wochen das zu machen, was dir gut tut. Vielleicht wäre es möglich, zeitnah nach dem Tod eine Mutter-Kind-Kur anzutreten? Dann hätten deine Tochter und du die Möglichkeit, die emotionale Nähe wieder aufzubauen. Sprich da auf jeden Fall schon jetzt mit deiner Hausärztin drüber, die Wartezeiten sind leider extrem lang.
Dein Text klingt sehr reflektiert und überlegt. Wenn du im echten Leben auch so reflektiert handelst, werdet ihr aus dieser -derzeit absolut bescheidenen - Situation auch irgendwann wieder gestärkt hinausgehen.
Ich wünsche euch alles Gute ❤

10

Danke für deinen Beitrag!

„Für die Familie da sein“ muss ich nicht in dem Sinne, ich habe eher die Angst, dass unser normaler Familienalltag zu sehr unter dieser Situation leidet.

Ja, mein Mann ist mir eine große Stütze und wirklich sehr Verständnisvoll. Als mein Vater mich letztens mitten in der Nacht anrief und kaum ein Wort rausbekam, hat er sofort gesagt ich solle zu ihm fahren und er übernimmt die kleine solange. Ich bin sehr dankbar für seine Unterstützung, weiß aber auch, dass mein Mann in den Dingen nicht so belastbar ist.

Eine Mutter-Kind- Kur wäre eine Überlegung wird. Allerdings möchte ich auch nach dem Ende für meinen Vater da sein.. wie lange sind da solche Wartezeiten? Hast du da Erfahrung?

Viele Grüße

6

Hallo,

fühl dich erst mal gedrückt. Du machst gerade eine schwere Zeit durch und die Erkrankung deiner Stiefmutter nimmt dich sehr mit. Trotzdem findest du noch die Kraft ihr und deinem Vater beizustehen.

Ich denke du solltest deinem Mann jetzt die Möglichkeit geben für dich da zu sein statt dir Vorwürfe zu machen. Es ist ja nicht so, dass du deinen Mann und deine Tochter völlig vernachlässigst. Lass dich von den beiden auffangen, denn dafür ist eine Familie da.

11

Danke für deinen lieben Worte!

Ich werde sie mir zu Herzen nehmen, ich glaube mein Mann könnte es noch weniger gebrauchen wenn ich ihn jetzt von mir wegstoße ..

12

Hallo.

Erstmal: Es tut mir schrecklich leid, was ihr alle (vor allem deine Stiefmutti) durchmachen müsst. #heul

Den einen Tag in der Woche würde ich weiterhin "opfern", um deren Haushalt einigermaßen auf Vordermann zu halten. Wird ja, wie oben schon geschrieben wurde, leider nur mehr eine überschaubare Zeit lang so sein.

Wie alt ist denn deine Tochter? Wie stark bekommt sie das alles mit? Habt ihr schon mit ihr drüber gesprochen, dass die Oma bald sterben wird?

LG

13

Hallo,

auch dir vielen Dank für deinen Beitrag!

Meine Tochter ist 7,5 Monate alt, dementsprechend bekommt sie von der ganzen Situation noch nicht so viel mit. Allerdings bekommt sie von mir deshalb auch leider weniger Aufmerksamkeit, wenn ich wieder ein tief habe.. sie ist momentan sehr fordernd, ohne Mama geht nichts.. was mir die ganze Situation noch schwerer macht..

14

Ach so.... sie ist noch so klein..... Ja, da hilft noch kein Erklären.

Klar merken die Kleinen, dass Mama traurig (und somit anders drauf) ist. Aber ich bin sicher, dass sich das nicht negativ auf eure Bindung zueinander auswirkt.

Wünsche euch viel Kraft! #liebdrueck

weitere Kommentare laden
20

Hallo schlumo, das klingt wirklich sehr sehr schlimm.
Bei uns war es ähnlich, als es mit meinen Papa zuende ging. Ich glaube, einen Mittelweg gibt es da kaum. Man funktioniert, reagiert auf das was kommt und das Ganze nimmt einfach sehr viel Raum ein.

Weißt du ob es bei euch ein Pallliativnetzwerk gibt? Die haben uns so sehr geholfen. Bei uns arbeiten dort Ärzte, Pflegedienste, Ehrenamtliche und Trauerbegleiter zusammen und sind auch rund um die Uhr erreichbar. Man hat für jedes Anliegen einen Ansprechpartner und die Hilfe, die man in dieser Situation benötigt. In ersten Linie geht es zwar darum, das sterben zu hause zu ermöglichen, aber selbst wenn sie in der Klinik bleibt, kann man sich da mal schlau machen. Die Trauerbegleiter sind toll. Es gibt sicherlich in jeder Stadt auch unabhängige.

Ich wünsche euch auf jeden Fall ganz viel Kraft für die kommende Zeit. Lass deinen Mann deine Stütze sein und versuche jetzt nicht, das Familienleben so zu gestaltet, als wäre alles normal. Das ist es einfach nicht.

23

Hallo summergale,

das mit deinem Vater tut mir sehr leid!

Puh, ein Palliativnetzwerk gibt es glaube ich in den entsprechenden Kliniken. Mein Vater ist vom „Fach“ bzw als Pfleger tätig. Er müsste sich da eigentlich auskennen. Das wäre zumindest eine Möglichkeit und die Tatsache, dass sie ihre letzte Zeit zu Hause in ihrer vertrauten Umgebung verbringen finde ich sehr schön!

Danke für deinen Ratschlag und deine lieben Worte, auch wenn meine Antwort etwas verspätet kommt. 🙏🏼 Es war wieder sehr viel los die letzten Tage..

Viele Grüße und noch mal lieben dank!

21

Wow, das tut mir sehr leid.
Es ist natürlich, dass dich diese Situation so mitnimmt und überfordert bei eurer Bindung. Zumal du ja auch noch deinen Vater unterstützt.

Zu der Entlastung dort hast du ja schon weiter oben Ratschläge bekommen, aber wie sieht es mit der seelischen Entlastung aus?
Hast du eine Freundin, mit der du regelmäßig darüber reden kannst? Oder wäre eine örtliche Beratungsstelle (oder die Telefonseelsorge) eine Option für dich?

Arbeitest du? Weil wenn ja und wo es dir so schlecht geht, wäre es vielleicht besser und ratsam, wenn du dich mal für eine Woche krankachreiben lassen könntest, um wieder Kraft zu tanken.
Vielleicht wäre auch eine Überweisung für einen Therapeuten eine gute Idee? Da wird nämlich sicher noch einiges an Trauer auf Dich zukommen.

Ich hoffe, dass Du da die Unterstützung findest, die Du benötigst und wünsche Dir viel Kraft!

22

Hallo,

Danke für deine lieben Worte und Ratschläge,. 🙏🏼

Ich habe schon länger darüber nachgedacht, mit einer Therapeutin zu sprechen. Nicht, weil ich meinem Mann nicht zutraue, dass er mich nich trösten kann, aber auch wegen einiger Dinge aus meiner Vergangenheit, die ich in dem Zusammenhang aufarbeiten könnte.

Arbeiten tue ich derzeit nicht, da ich in Elternzeit bin.

Vielen Dank!