Kindheit heute vs. früher

Hey,
Leider ist mir keine passende Überschrift eingefallen.
Mein Kleiner ist jetzt bald 7 Monate alt und ich merke immer mehr, dass ich mich mit ihm überhaupt nicht so verhalte wie ich gedacht hätte bzw wie ich vorher war.

Zur Erklärung: ich war schon immer sehr unerschrocken und draufgängerisch. Wir haben als Kinder fast nur draußen gespielt und weil ich in einem kleinen Dorf aufgewachsen bin wo es außer mir nur ein Mädchen gab, haben wir halt einfach auch viel mit den Jungs gespielt. Also auch mal getauft oder andere Dinge getan die nicht so typisch für Mädchen sind. Ich bin schon früh Motorrad gefahren, hab ein bisschen an meinem Auto geschraubt, hab Buden gebaut. Wir sind ohne Führerschein (Frisörtest) Mofa gefahren, später auch mal mit dem Auto ne Runde über abgelegen Straßen. Wir waren mit dem Fahrrad im 3 km entfernten Ort um Süßigkeiten zu kaufen, haben Buden gebaut und im Bach versucht Fische zu fangen, meistens mit den Händen 😂. Handy gab es natürlich nicht und wir kamen abends nach Hause wenn es dunkel wurde oder wenn sich mal wieder jemand verletzt hatte und ein Pflaster brauchte. In den Urlaub sind wir zu viert mit einem kleinen Opel gefahren, nicht angeschnallt und ohne 2000 Spiele. Wir haben uns irgendwie beschäftigt auf den 1800 km.

Worauf ich hinaus will: so etwas wäre heute für mich undenkbar wenn mein Sohn das machen würde. Ich hätte viel zu viel Angst dass etwas passiert. Es ist eigentlich schrecklich denn man nimmt den Kindern eine unbeschwerte Kindheit. Ich weiß überhaupt nicht wie unsere Eltern das damals machen konnten. Wie konnten sie entspannt ihre Dinge erledigen und wussten nicht wo die Kinder sind und ob alles in Ordnung ist? Wir hatten eine tolle Kindheit und es tut mir leid dass ich meinem Sohn wohl nicht das gleiche ermöglichen kann.
Oder wird man entspannter wenn sie älter werden?
Wie ist es bei euch? Habt ihr "Angst" um euer Kind? Wie viel Freiheit haben Kinder heute?

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Hi,

ich verstehe Dich gut und wahrscheinlich tun das hier die allermeisten.

Gleichwohl... das ist der Job!

Das bedeutet neben vielen anderen Dingen eben auch Mutter zu sein. Auszuhalten, dass man die Risiken kennt, auszuhalten, dass man jedes denkbare Unheil voraus ahnt und auszuhalten, dass das eigene Kind ein Recht auf eigene Erfahrungen und nicht nur auf gute, sondern auch auf eigene Verletzungen und eigene Rückschläge hat.

Als mein Sohn knapp 2 war, kam ich in die Kita und er stand freihändig oben auf so einer Plastikkinderrutsche, die im Sandkasten stand. Er eierte ganz schön. Aber noch bevor ich zu ihm fliegen und ihn da runter fischen konnte, griff eine seiner Erzieherinnen, die neben mir stand, meine Hand und sagte ganz leise: "Lächeln und winken, lächeln und winken!" Das hab ich gemacht. Er ist ohne zu stürzen da runter gerutscht.

Diese Szene steht mir bis heute so oft vor Augen! Wenn eines der Kinder fast 4 Meter hoch im Baum sitzt, wenn eines alleine mit dem Zug fährt, wenn eines alleine im See schwimmen will und dann stundenlang "weg" ist. Wenn sie alleine spazieren gehen oder nach Einbruch der Dunkelheit in der Stadt rum laufen. Und immer will ich laut aufheulen und rufen: "Stop! Ich bin noch nicht so weit!" Und anstatt dessen befolge ich den besten Rat, den ich je bekommen habe. "Lächeln und winken!"

Und ja, es geht auch schief. Bisher waren es zum Glück nur Platzwunden, schief geschlagene Zähne, verletzter Stolz und tiefe Verunsicherung. Nichts schlimmeres. Aber auch aus diesen Erfahrungen sind sie bestärkt heraus gegangen. Nur ich nicht so oder nur teilweise. Ich vertraue ihnen und ich zeige ihnen das. Aber manchmal moppere ich auch darüber wie es in Wahrheit ist. Ich werde nie soweit sein! Ich war noch nicht soweit als sie geboren wurde und ich bin heute nicht so weit. Sie sind mir immer einen Schritt voraus, von Anfang an. Seit ich sie geboren habe, wollen sie nur eins: sich (von mir und meiner Obhut weg) entwickeln. Sie wollen groß werden, eigenständig werden, sich und die Welt ausprobieren, erleben, dass sie selbstwirksam sind usw..

Ich bin sehr stolz auf die beiden, weil sie mich dann zärtlich eine Angsthäsin nennen und mir liebevoll, aber resolut erklären, dass ich da halt durch muss. Dein Sohn und Du werdet auch eine Beziehung führen und ihr werdet verhandeln. Und es wird nicht immer nach Deiner Nase gehen. Aber das hat alles noch Zeit und Dein Zwerg wird Dich da langsam aber bestimmt heran führen. Versprochen!

Liebe Grüße
die Landmaus

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Das hast Du toll geschrieben.
Als ich letztens am Kindergarten vorbei spaziert bin und alle Kinder draußen waren und auf den Geräten rum turnten, hab ich sie vor meinem geistigen Auge schon alle fallen sehen. Ich glaube das wird noch sehr schwer für mich falls er nach mir kommt 🙈

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Sehr toller Text! Den solltest du mal irgendwo einreichen!!!

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Deine Frage finde ich super und ich bin auf Antworten gespannt. Über solche Sachen denke ich nämlich auch nach.

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Ich bin viel lockerer als meine Eltern und lasse Vieles zu.

Da gibt es so nen Spruch:
Wir wollen, dass unsere Kinder das dürfen und erleben wie Pippi Langstrumpf, erziehen sie aber wie Tommi und Annika.

Ich erziehe meine wie Pippi Langstrumpf.
Pippi ist mutig, umsichtig, vorsichtig ohne ähnlich zu sein, löffelt die Suppe aber auch aus, wenn sie mal was eingebrockt hat, beherrscht Umgangsformung ohne überkandiedelt zu sein. Sie kann sich oft selbst helfen und wenn nicht, weiß sie, wo
sie Hilfe bekommt. Gut multiplizieren kann sie nicht....

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Musste gerade schmunzeln😃
Toll geschrieben!

Lg Thommy04

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Hallo!

Ich habe mir mit einem kleinen Baby auch noch nicht vorstellen können, wie es später ist. Warte mal ab, die Kinder fordern Freiheit und Selbstständigkeit ein (meistens).
Du wirst sehen, das deine Kinder, (sorry, habe zwei, daher Mehrzahl), groß werden und auch solche Dinge, wie du sie aufgezählt hast, bewältigen können. Dann kannst du üben los zu lassen, immer ein kleines Stück mehr.

Mein Erstklässler geht inzwischen allein zur Schule. Erst ein kleines Stück, dann immer etwas mehr, jetzt den ganzen Weg.

Du schaffst das schon;) erstmal mit 3 Jahren in die „ich kann das schon alleine Phase“ - und dann weiter :)

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Ich denke, das ist ein sehr Vielschichtiges "Problem", wobei der wichtigste Knackpunkt für mich ist, dass meine Eltern nicht so viel wussten:
1. Darüber, Was ich genau draußen gemacht habe... und
2. Was dabei alles passieren kann...
Wir sind heute viel zu informiert über Unfälle und Unglücke, als das man diese ausblenden könnte...
Hinzu kommt das Kontrollbedürfnis und die ständige Erreichbarkeit mit / durch das Smartphone. Bei uns gabs Anfang der 90er noch nicht mal Festnetz. Meine Eltern mussten sich auf mich verlassen und ich mich wiederum auch darauf, dass meine Eltern wissen, wo ich bin...

Man kann die Entwicklung nicht stoppen oder gar rückgängig machen aber eine unbeschwerte Kindheit versuche ich meiner Tochter dennoch zu ermöglichen. Das geht im Kleinkindalter los, wenn sie mit Oma und Opa unterwegs ist und dort einfach deren Regeln gelten. Zu viel Süßes? Gern! 😉 Wir sind viel in der Natur unterwegs und im Sommer ganztags im Garten draußen.... Spontan zu den Nachbarskindern? Gern. Mal vom Ast fallen? Passiert. Sand essen - wahrscheinlich eine einmalige Erfahrung.

Dennoch wächst unsere Tochter auch bewusst mit Medien auf und soll auch die Kommunikationstechnik kennenlernen. Ich verteufle das nicht, bin mir nur über deren Nutzen und Schaden bewusst...

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Hallo,

mein Sohn lebt solch eine Kindheit in Freiheit. Klar gibt es und gab es natürlich immer Absprachen, welche auch beschnitten werden können.

Gestartet sind wir in den Pfingstferien als er vier 1/4 Jahre war auf dem Campingplatz in Frankreich, wo er alleine auf dem Spielplatz war. Im Sommer in Tarifa an der Düne ein Haufen Kinder verschiedener Nationalitäten, bei Sonnenuntergang steuerten sie ihre Wohnmobile an. danach durfte er sich bei uns in der Siedlung frei bewegen. Mit fünf rauf ins Dorf einkaufen, da dort auch die Bushaltestelle ist, war dies eine gute Übung vor dem Schulstart. Ab der Einschulung sprangen immer mehr Kinder selbständig durch die Gegend. Im Herbst ( 4. Kl.) hatte er Schuluntensilien in der Schule vergessen, da habe ich ihn die fünf Kilometer mit dem Rad hingeschickt. Wie soll er lernen das ich nicht immer parat stehe? Im Sommer geht es in die weiterführende Schule in die Kreisstadt, 18 km entfernt in eine Schule mit 1000 Schülern da muss er dann auch zurechtkommen. Und meiner Meinung nach geht dies am Besten, wenn er da nicht vollkommen unvorbereitet hinkommt. So werden wir sicherlich Stadtübungseinheiten starten ab Mai.


LG Reina

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Hallo
Es wird sich mit jeder Generation etwas ändern. Manches war früher sicher besser, manches nicht. Dann hat man wenn man erwachsen ist einfach nochmal eine andere Sicht, manche eben gerade wenn sie Kinder haben.
Dein Kind ist ja noch recht klein. Warte einfach mal ab wie es ist, wenn er nicht mehr das kleine Baby ist. Er wird viel lernen und gerade in den ersten Jahren unzählige Entwicklungsschritte machen.
Passieren kann viel, aber das Leben ist kurz. Geht das Kind zB. alleine zum Bäcker, gibt es etliche Dinge die passieren könnte. Aber es fängt ja schon damit an, dass man nicht ein völlig unvorbereitet Kind vor für Tür schubst und sagt mach mal und schau wie du klar kommst. Vieles wird im Alltag mitgenommen, einiges kann man gezielt erklären und üben,... und dann fängt man klein an.
Auch dann könnte noch irgendetwas passieren. Aber das Risiko kann/muss man eingehen.
Bis es soweit ist, wirst du auch deutlich mehr Verantwortung an dein Kind abgeben. Jetzt seid ihr als Eltern alleine dafür verantwortlich „dass alles in Ordnung ist“. Aber wird das Kind älter, wird es immer mehr selbst dafür sorgen können dass im Bereich des Möglichen „alles in Ordnung ist“ bzw. entsprechend zu reagieren wenn etwas ist.

LG

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Hallo,
ich bin Mutter ein3s 13jährigen und eines 3jährigen. Ich selber bin ähnlich wie du aufgewachsen und wohne nun in einer Großstadt. Ich finde es oft schade, dass meine Jungs bestimmte Erfahrungen nicht machen, die ich als Kind gemacht habe. Aber das ist nicht unbedingt nur der veränderten Zeit geschuldet sondern wahrscheinlich dem krassen Unterschied zwischen Stadt und Land geschuldet der meine und ihre Kindheit trennt. Allerdings habe ich für mich fest gestellt, dass ihre Kindheit deshalb nicht weniger schön ist, was ich tatsächlich mitunter befürchtet habe als mein grosser noch klein war.
Klar, die Rahmenbedingungen sind andere, aber sie erleben eben ihre Kindheit in ihrer Zeit und mittlerweile sehe ich auch viele schöne Dinge die hier in der Stadt möglich sind.
Einfach macht es mir, dass unsere Stadt sehr sehr grün ist und die Stadtteile fast wie kleinstädte sind. Mit Teilchen, riesigen Parks, die wie Wälder sind, freibädern die mit dem Rad err3ichbar sind.
Ja, meine Jungs haben per de weniger Freiheiten als ich damals. Ich steuere aber auch auf meine Art dagegen. Aber sie haben auch ganz andere Möglichkeiten. Kino zu fuss in 10mminuten erreichbar, Vereine, bademöglichkeiten im Sommer, andere Angebote im Winter.... und Natur gibt's trotzdem. Entweder in ein3m der schon erwähnten riesigen parkwäldern oder aber bei unseren vielen Ausflügen.wir sind viel in Dr Natur, leben günstig, dass wir viel in kurzer Zeit erreichen können. Mit dem Rad kann man kilometerweit radeln, am Fluss entlang. Ausserdem wohnen wir in einem Haus mit 12 Wohnungen und 13 Kindern. Wir haben einen riesigen Innenhof, verwachsenen Garten, indem die Kids alle gemeinsam spielen. Von Frühjahr bis Herbst Rennen die draussen rum und spielen die Spiele, die ich auch als Kind geliebt habe. Bauen Buden, klettern, Bolzen, spielen fange und verstecke. Und sooo oft holen wir dann abends für alle Pizza, 5 Minuten von hier zu fuss, und essen die alle im Garten, die Kinder fragen schon seit 2 Wochen wann es wieder losgeht.
Mein grosser fährt seit 2,5 Jahren alleine mit der Bahn zur Schule. Durch die halbe Stadt. Zu ausflügen.... macht er alles alleine. Er kennt sich mitunter besser im bahnnetz aus als ich. Klar hat er ein Handy, aber man darf es nicht verteufeln und die Vorteile sehen. Ich persönlichmöchte gerne wissen wenn er sich verspätet. Unsere Eltern hatten diese Möglichkeit schlichtweg nicht. Also hinkt da auch der Vergleich. Was nicht möglich war, würde auch nicht vermisst. Ausserdem waren gefahren für unsere Eltern auch weniger präsent wie für uns. Durch die Medien, die digitale Vernetzung haben wir das Gefühl es lauern überall gefahren. Unseren Eltern ging es einfach nicht so. Die grösste Gefahr ich ich als Kind dachte, die es gibt, ist Munition aus dem Weltkrieg. Gefühlt würde ich alle 3 Monate belehrt Munition etc. Nicht anzufassen, wenn ich drüber stolpere. Oder tollwut. Ist mir so im Kopf, dass ich tatsächlich heute noch Wildtiere ggü skeptisch bin#schein

Gib dein bestes, Versuch deinem Kind die Freiheit zu lassen, die es sich verlangt.

Lg

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Ich bin auch so aufgewachsen wie Du! Da ich immer ein freiheitsliebener Mensch war (auch schon als Kind), hätte das heutige Geglucke der Mütter mir viel genommen von dem, was ich früher alles hatte.
Ich habe versucht, meiner Tochter so etwas auch zu ermöglichen. Was mir nur sehr wichitig war, sie sollte nicht allein draußen an den Entensee, zum Kioak usw. Wenn eine Freundin dabei war, hatte ich keine Angst, da konnte wenigstens immer jemand Hilfe holen.
Das eine ist das Geglucke, das andere die äußeren Einflüsse. Videospiele, Handys usw. spielen heute eine wichtige Rolle. Das war früher GsD nicht so.
Frag doch mal Deine Mutter, warum sie früher keine Angst um ihre Kinder hatte. Ich glaube, das Gesellschaftsbild war ein anderes.

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Das mit dem Gesellschaftsbild ist glaube ich genau das ... ich denke auch früher gab es gluckende Mütter. Ich weiß von einigen Schulfreundinnen die nicht mit in die Stadt durften ... vor 30 Jahren. Aber irgendwie schaffen es 2 "Helikoptermütter" immer 4 "leichtsinnige" in ihren Bann zu schlagen. Weiß nicht wie ich es sagen soll. "Vorbild" ist oft der aktivere Elternteil, und beim Thema Überbehüten ist eben der Behütende der Aktive?

Ich hab hier das Glück in einer Gegend zu wohnen in der 50% der Häuser inzwischen von den "Kindern" von damals übernommen wurden ... und was soll ich sagen ... wir halten unsere Werte gegenseitig noch hoch, die Kinder von damals sind die Elterngesellschaft von heute, unterstützt von den Grosseltern die ja die Eltern von damals sind ... hier ist noch vieles einigermaßen so wie es war. Vermutlich weil wir "die Mehrheit" sind und immer einer sagt "denk doch mal dran, wir damals ..." wenn einer schwache Nerven kriegt.

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Hallo

meine ist gerade 6 Monate und das erste Mal krank. Die Nacht war für mich der Horror, weil sie niesen musste, schlecht schlief und natürlich gnatschig ist.
Aber beim nächsten Schnupfen bin ich schon etwas entspannter, ich weiß was kommen wird, dass es gut ausgeht und es noch zahlreiche schlimmere Krankheiten kommen werden.

Nicht nur die Kinder lernen das Leben, aondern auch wir Eltern. Und es ist ja Gott sei Dank nicht so, dass sie mit 3 plötzlich am Fahrrad ins nächste Dorf zum Eis essen radeln. Sie machen ja auch kleine Schritte in die große Welt. Da gehts mal um alleine rutschen und nicht mit dem Mofa irgendwo rumheizen. Man wird sich daran gewöhnen und die eigene wiedergewonnene Freiheit vielleicht sogar genießen?

Jetzt geben wir ihnen mal die Wurzeln damit sie nacher ihre Flügel ausbreiten können.

lg lene