Mein Bild vs. Das Bild meines Bruders vom vater(lang)

Hallo, ich hoffe ich bin hier richtig... Zuerst zu meiner Person: ich bin Anfang 30, mutter eines kleinkind es, habe eine ältere Schwester und einen 10 Jahre jüngeren Bruder, unser Vater starb, als ich 17 war.
Also... Wie fange ich nur an?! Also, auf einer Geburtstagsfeier ist mir wieder mal eine Narbe am Knöchel meines Bruders aufgefallen, die er nur hat, weil ich mit 14 Jahren leichtsinnig war. Ich habe mich zum x-ten mal dafür entschuldigt, obwohl er schon lange nichts mehr davon hören will... Für mich hat diese Narbe einfach einen höheren Stellenwert, als für ihn. Für ihn ist es nur eine Narbe... Für mich ist es aber eine Erinnerung an den Tag, an dem ich mein urvertrauen in meine Eltern (vor allem meinen Vater) und Menschen im allg. gänzlich verlor...
Denn damals, vor nun fast 20 Jahren hat nach meinem empfinden meine "schlechte Kindheit" ihren Höhepunkt bekommen. Am Abend eben dieses Unfalls ist in mir etwas zerbrochen. Nämlich in dem Moment, als mein vater für alle hörbar durchs ganze haus brüllte: "wenn das nicht rückstandslos verheilt, schlag ich dich zum Krüppel!"
Ich bekomme noch heute gänsehaut, wenn ich nur dran denke. Es war so... erbarmungslos ehrlich. Ich wusste, er macht ernst. Anders als alles bisher dagewesene. Ich habe oft Ärger zuhause gehabt, bekam einen "arschvoll" nach dem anderen, wurde geschubst und geschüttelt, bedroht und beleidigt. Nie so, dass irgendwas zu sehen gewesen wäre... "Was sollen denn die Leute denken?!" meine toleranzgrenze war also sehr hoch, aber an diesem Tag wurde sie entgültig überschritten. Mit diesem einen Satz... Ich fing an mich zu verändern. Langsam aber stetig verlor ich meinen Frohsinn und mein Selbstbewusstsein. Zum Glück traf ich noch im selben Sommer meinen jetzigen Ehemann. Ein Jahr später zog ich zu ihm. (zu spät, mein altes ich ist unwiederbringlich verloren) Der Kontakt zu meinem Vater brach beinahe komplett ab. Es war gut so!
Weitere 2 Jahre später starb er nach in Folge einer aggressiven Krebserkrankung.
Und da beginnt mein Zwiespalt. Mein Bruder war sehr jung, als unser Vater starb. Er hat ein beinahe heroischen Bild von ihm (meine Mutter und Großeltern übrigens auch) . Für meinen Bruder ist das sicher gut so. Keine Frage, ich liebe ihn und möchte, dass es ihm gut geht... Aber wann immer über unseren Vater gesprochen wird, ist es für mich wie ein schlechter Scherz. Ich würde am liebsten schreien "nein, er war kein guter Mensch! Er hat mich zerstört! Und ihr alle habt es zugelassen!" aber das tue ich nicht. Ich tue das nicht, um meinen Bruder, dieses wundervolle sensible Wesen, zu schützen.
Mittlerweile frage ich mich aber häufiger, ob das richtig ist? Irgendwie sollte er doch wenigstens mal einen kleinen Einblick in die untiefen der familiären Geschichte bekommen. Es kann doch nicht richtig sein, ihm das zu verschweigen.?!andererseits, was soll das bringen? Nehme ich ihm was weg, wenn ich das strahlende Bild, was er von unserem Vater hat, zerstöre?
Das beschäftigt mich im Moment einfach sehrund ich komme zu keinem Ergebnis... Vielleicht könnt ihr mir mal eure Meinung, Erfahrung, eindrücke mitteilen?

Danke fürs lesen!

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Das klingt schlimm für Dich und Du hast sicher viel unter Deinem Vater gelitten. Bei uns haben wir gerade eine ganz ähnliche Situation: Meine Schwester ist von Hass und negativen Gefühlen meinem Vater gegenüber geradezu zerfressen und kann überhaupt nicht verstehen, warum ich ihn öfter unterstütze (Mutter ist Pflegefall) und warum ich ihn nicht auch abgrundtief verabscheue.

Das liegt daran, dass ich eine ganz andere Beziehung zu ihm habe als sie. Sie kann es nicht nachvollziehen, es ist auch schwierig zu erklären. Der Knackpunkt ist wahrscheinlich, dass er sich mir wohl mehr verbunden fühlt und netter zu mir war - allerdings habe ich mir seinen Respekt auch verschafft, wenn es nötig war.

Meine Schwester sieht sich in der ewigen Opferrolle, was sicher teils berechtigt ist, aber andererseits auch nicht ihr ganzes Leben lang als Ausrede dienen kann, ihr Leben mal selbst in die Hand zu nehmen. Wir sind beide Mitte Dreißig...

Sie scheint tief getroffen von seiner Ablehnung, die sie aber auch selbst provoziert. Es ist ein Teufelskreis mit den beiden... ich habe damit aber nicht viel zu tun, denn meine Beziehung zu unserem Vater ist viel entspannter, auch wenn ich oft genervt von ihm bin.
Ich mache ihn aber nicht für meinen weiteren Werdegang verantwortlich.

Meine Schwester will auch, das ich immer auf ihrer Seite stehe - ich kann das aber nicht, da ich sie ihm gegenüber oft ungerecht finde. Sie fühlt sich aber schon immer unangemessen beachtet von ihm und im Stich gelassen. Vielleicht ist sie auch ein Mensch, der mehr Aufmerksamkeit braucht als ich, und die hat er ihr (warum auch immer) nicht geben können oder wollen.

So ähnlich verhält es sich wahrscheinlich mit Dir und Deiner Familie. Du hast Deinen Vater offensichtlich anders erlebt als sie, für Dich war es durch ihn eine schlimme Kindheit.
Dein Bruder hat ihn anders in Erinnerung.

Ich weiss nicht, was es Dir bringen könnte, deinem Bruder das Bild an seinen Vater zu ändern- ich denke, das kannst Du nicht. Wenn es Dir so sehr am Herzen liegt und Du Dir irgendwie Gerechtigkeit davon erhoffst, bin ich mir nicht sicher, ob das nicht nach hinten losgeht. Im schlimmsten Fall glaubt er Dir nicht und beschuldigt Dich, das Andenken des Vaters zu beschmutzen.

Ich denke, Du solltest völlig unabhängig von Deiner Familie Dein Trauma mit Deinem Vater in einer Therapie aufarbeiten, sonst wirst Du Dich einLeben lang davon verfolgt fühlen und ihn für Dinge verantwortlich machen, die Du heute selbst beeinflussen kannst.

Alles Gute!

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Das ist ja mein Dilemma, ich möchte ihm ja nicht meine Meinung uberstülpen, ganz und gar nicht! Mein Vater hat seinen Sohn ja sehr geliebt, das kann ich nicht weg reden oder bestreiten. Und es freut mich ja auch, dass mein Bruder diese Liebe erfahren hat, ebenso wie meine Schwester! Ehrlich!
Aber irgendwann wird ihm auffallen, dass ich nichts zum Gespräch beitrage, wenn es um unseren Vater geht... Soll ich dann lügen? Oder ein unklares "über tote sagt man nichts schlechtes" in den Raum werfen? Wird es nicht enttäuschende, je länger ich das mitspielen? Bin ich es ihm nicht schuldig, ihm einen kleinen Blick auf mein Bild zu gewähren?

Zu deiner erfahrung: Natürlich habe ich mich auch schon gefragt, ob es einfach eine sache der Perspektive ist. Ich bin ein sehr reflektierter Mensch und hinterfragen vieles. Natürlich ist mir bewusst, dass ich als freigeist, meinen herrischen Vater in besonderem Maß gefordert habe, keine Frage. Aber nichts rechtfertigt sein Verhalten und das lasse ich mir auch nicht (mehr) einreden! Zumal ja teile der Familie bestätigen, dass es da ein erhebliches Ungleichgewicht gab!
Meine Schwester zb hat mir schon mehrfach gesagt, dass mein Vater mir gegenüber unfair war, das hat sie schon damals so empfunden, hat aus Angst aber geschwiegen-was ich absolut verstehe! Sie sieht bei sich eine gewisse Mitschuld, was mir leid tut, denn sie kann ja nun gar nix dafür!
Auch meine Mutter hat, wenn auch zähneknirschend, eingeräumt, dass da einiges schief gelaufen ist. Aber sie dachte, es wäre für mich nicht so schlimm...
Das es "nur" an mir liegt, kann ich also nicht gelten lassen...

Aber, dein Hinweis ist sehr gut und spielt sicher eine Rolle... Es ist eben in der Natur des Menschen, dass jeder Dinge anders fühlt und wahrnimmt. Doch das macht gewisse Dinge nicht weniger schlimm...

Eine Therapie habe ich schon hinter mir. Nur deswegen, kann ich überhaupt über das alles nachdenken...

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Vielleicht würde es der TE schon helfen, wenn sie wüsste, dass ihre Familie zumindest offen sagt, dass die Handlungen des Vaters gegen sie NICHT OK waren.

Egal, wer nur Opfer, Täter, Schuldiger ist... Die TE war damals ein Kind, ihr Vater hat seine Tochter (aus welchen Gründen auch immer) schlecht behandelt. Dass zumindest könnte die Familie zur Kenntnis nehmen.

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Mit einem Wort, Traumatherapie.

Ich glaube nicht, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine Konfrontation ein Sinnvolles Ergebnis bringt. Weder mit den damaligen Mittätern durch Unterlassung, noch mit deinem Bruder. Dazu bedarf es ein wenig Selbstbewusstsein und ein dickeres Fell um die Reaktionen verarbeiten zu können. Aber ein guter Traumatherapeut kann dich dafür genügend stabilisieren, ein bißchen etwas mit dir aufarbeiten, damit es dir besser geht und dir bei einer Konfrontation mit deiner Familie bei diesem Thema helfen. Auch damit es für deinen Bruder kein Drama wird.

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Eine Therapie habe ich bereits gemacht und dadurch eine gewisse innere Stabilität gewonnen, die es mir ja schon erlaubt hat, mit meiner Mutter zu reden. Das war nicht besonders erfolgreich, aber immerhin hat sie Fehler eingeräumt, das war schon sehr hilfreich. Meine Schwester war ohnehin immer ein Ansprechpartner weswegen ich, im Gegensatz zu vielen anderen, immer jemanden zum Reden hatte.
In der Therapie ging das dann natürlich sehr viel tiefer. Es war zeitweise wirklich hart, aber mein Mann hat mir dadurch geholfen. Heute kann ich zu mir stehen und weiß, dass ich gut bin, so wie ich eben bin. Und niemand hat das Recht mir das Gegenteil einreden zu wollen.
Auch die Eigenschaften, denen mein früherer Frohsinn gewichen ist, gehören nun zu mir und daran ist nichts schlimmes. Ich trauere dem alten ich nicht mehr nach, lasse es aber als meine Vergangenheit in meinem Bewusstsein. Alles in allem ist es nun also so, dass ich im allgemeinen gut mit der Vergangenheit lebe. (Klar, schwache Momente gibt es und die erlaube ich mir ganz bewusst). Aber dann kommen eben die Geburtstage oder was weiß ich, und ich sitze da und schweige... Das ist nicht meine Art... Das ist (im Moment) das einzige, was mir Kopfzerbrechen bereitet... Ich weiß nicht mal, warum mir das so wichtig ist....
Ich weiß ja, daß meine Beziehung zum Vater nichts mit der meines Bruders zu ihm zu tun hat, aber irgendwas bereitet mir da Unbehagen. Dieses Schweigen fühlt sich falsch an.

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Das du schon eine Therapie hattest ist gut. Und auch dass du soweit gekommen bist. Klang im ersten Post für mich sehr akut und "aktuell", deswegen habe ich auf eine Traumatherapie verwiesen. Jetzt klingt es schon viel ruhiger und reflektierter. Könnte es einfach sein, dass der Trigger, also die Narbe noch nicht "entschärft" ist und es dich deswegen heute so ins Trauma gerissen hat? Oder es ein blödes Triggerndes "Zusammenspiel" von mehreren Dingen gegeben haben?

Und was die Konfrontation mit den anderen angeht. Wie wäre es mit einem Gespräch, mit deinem Bruder beim Mediator? Oder du könntest auch, wenn das Thema Vater aufkommt sagen, dass du ihn anders erlebt hast, dass dich das Thema verletzt und dann darum bitten, dass sie nur ohne dich über ihn reden? Wäre dass eine Lösung für dich?

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Vlt. bist du einfach ein überempfindlich Mensch. Ich bin auch 30. Ich weiß, dass meine Familie mich über alles liebt, aber wenn jemand mir auch so etwas gesagt hätte, wäre es mir Wurst wie Käse. Wenn Menschen sich ärgern, sagen sie manchmal Sachen, die doof sind. Ich habe z.B. zu meinem Mann, damals noch Freund im Streit mal gesagt:" Ich hoffe, du wirst von Auto erfasst oder dir fällt ein Blumentopf auf den Kopf" , da war er richtig verdutzt und meinte, ich wünschte ihm den Tod, für mich war es aber nur ein Kraftausdruck, mehr nicht. Einmal, als meine Schwägerin zu Besuch war und es nicht aufgeräumt war, mein Mann aber auch keinen Finger krumm gemacht hat, hab ich auch gesagt:" Warum hast du nicht aufgeräumt bevor sie kam, ich hasse euch echt beide". Dann stand sie auf, hat geweint, ist dann gegangen und meinte, nie hätte jemand so etwas Böses zu ihr gesagt. Aber es war auch nur ein Kraftausdruck und ich liebe meine Schwägerin von ganzem Herzen. Es gibt einfach Menschen, für die Worte nicht so eine riesige Bedeutung haben, wie Taten. Bei uns war es normal in der Familie z.B. im Streit zu sagen:" Wenn du ... machst, dann brauchst du nicht mehr Heim zu kommen" oder " Ich schlag dich grün und blau"," besser wärst du nicht geboren", usw...trotzdem wurde nie die Hand erhoben. Das waren nie mehr, als Kraftausdrücke im Streit, für die man sich dannach entschuldigt hat. Niemals habe ich und hätte ich wegen so etwas nur ansatzweise die bedingungslose Liebe meiner Eltern/Großeltern angezweifelt. Ich weiß, dass jeder von ihnen ihr letztes Hemd für mich geben wird und mich immer bis zum letzten Atemzug unterstützt. Ja, ich komme aus einer anderen Kultur, wo man da vlt. impulsiver ist mit dem was man sagt.

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Nun, es war eben kein daher gesagte kraftausdruck. Sowas war und ist bei uns ganz und gar nicht üblich und daher durchaus etwas, was Bedeutung hat... Zudem sind zu oft Taten gefolgt, als das man soetwas als haltlosen Satz in rage abtun könnte. Ich wurde schon vorher häufig von ihm bedroht und konnte sehr wohl unterscheiden, was ernst gemeint war und was nicht. Diese Äußerung war ernst gemeint!
Entschuldigungen? Sorry, kenne ich erst von meinem Mann. Mein Vater hätte sich dazu nie und nimmer herabgelassen!

Wenn solche Aussagen bei euch üblich sind finde ich das tatsächlich befremdlich. In Hinblick darauf glaube ich nicht, dass ich "überempfindlich" bin, sondern eher ihr sehr unsensibel... Aber da wären wir wieder bei der Frage der Perspektive ;-)
Ich fände es jedenfalls nicht schön wenn zb dein Kind meinem Kind derartiges sagt, weil in meiner welt eben Worte sehr wohl Bedeutung haben! Vielleicht mal drüber nachdenken, nicht böse gemeint!

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Finde es auch nicht normal derartiges als kraftausdruck zu benutzen 🙄

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Hallo stormywormy,

Das was du schilderst hört sich wirklich schlimm an. Auch dass es dich nach so vielen Jahren immer noch so hart trifft.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Geschwister ihre Eltern immer unterschiedlich wahrnehmen.
Auch krass unterschiedlich und auch, wenn sie nur wenig unterschiedlich alt sind.

Vielleicht könnte es dir helfen, zu akzeptieren, dass dein Bruder euren Vater anders wahr genommen hat und sich anders erinnert. Mit Sicherheit hätte er eine andere Erinnerung an ihn, wenn der Vater länger gelebt hätte.

Du kannst die Vergangenheit nicht ändern und wenn du nicht akzeptieren kannst. Dass dein Bruder diese andere Wahrnehmung hat klärst du nicht das Verhältnis zum Vater sondern gefährdet die Beziehung zum bei der.

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Das letzte Wort sollte "Bruder" sein.

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Ich habe mir deinen Text jetzt einige Male durchgelesen. Und irgendwie finde ich diese gesamte Familiensituation nicht normal.

Ich meine...wie oft spricht man denn über jemanden, der schon ewig Tod ist? Jede Familie, die ich kenne spricht vielleicht im ersten Jahr nach dem Tod noch dauerhaft über die Person, aber spätestens nach 4-5 Jahren redet man doch kaum darüber.

Für mich liest es sich so, als würdet ihr bei jedem Treffen über den Vater sprechen. Und dann so Hinweise, dass die Mutter die Redensführerin ist...einiges akzeptiert hat, es bei den Großeltern aber schwierig ist..

Sorry...klingt für mich alles andere als gesund. Was müssen denn die Großeltern nach so vielen Jahren noch ständig über einen toten sprechen. Warum ihr alle?

Offensichtlich haben alle deinen Vater als lieben netten Menschen wahr genommen- nur du nicht. Warum?

Wo waren alle, als du verhauen wurdest?
Wurde Deine Schwester auch körperlich misshandelt?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, teilt sie dein Bild deines Vaters?
Was hat deine Mutter gegen die falsche Erziehung unternommen?
Wie hat der Vater die gesamte Familie behandelt?

Für mich klingt alles irgendwie unlogisch.

Wenn Mutter und Schwester alles mitbekommen haben...warum hat dir keiner geholfen?
Wenn sie nur zugesehen haben, sind sie ebenso schuldig.
Warum hast du dann noch Kontakt zu diesen Menschen?

Oder sehen sie es als nicht so schlimm, wie du es vielleicht wahr genommen hast? War es vielleicht die gängige Erziehung, die die meisten mitgemacht haben, wo einem bei Verfehlungen der Hintern versohlt wurde?

Wer fängt immer mit dem Thema toter Vater an? Verlass dann einfach den Raum. Oder wenn es bei dir ist...sag, du möchtest das Thema wechseln.

Und bring das Thema auch nicht mehr auf den Tisch, indem du dich für die Narbe entschuldigst.
Sorry, aber das ist nicht normal. Für deinen Bruder hat sie keinerlei Bedeutung und du entschuldigst dich zum xten mal.

Für mich gibt es nur wenige Lösungsansätze...


1. Du wurdest Misshandelt und gedemütigt und alle haben nur zugesehen...dann frage ich mich, warum du noch kontakt hast.


2. Die anderen haben es als nicht so schlimm wahr genommen und wurden ebenso behandelt...dann solltest du einfach etwas härter werden. Die anderen fragen, wie sie damit umgehen


3. Dein Vater hat alles nur heimlich gemacht, so dass niemand etwas davon weiß... dann wird es schwer, die anderen davon zu überzeugen, das ein liebevoller Vater nur eins seiner Kinder misshandelt hat.


Ich würde wohl an deiner Stelle irgendetwas symbolisch für den Vater noch einmal beerdigen und das Thema dann ruhen lassen.

LG hoeppy

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Wenn ich mir diese vielen Fragen von durch durchlese, dann klingt das für mich, die ja gar nicht die TE ist schon sehr beklemmend und beschuldigend. Für viele Fragen wird die TE gar keine Antworten haben könen.

Hast du irgendwelche Erfahrungen mit dem Thema Gewalt in der Familie (auch seelische)?

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Was hast Du Dir beim Verfassen dieses Beitrages nur gedacht?

Er ist kein bißchen empathisch, die vielen Fragen erfordern ja eine Rechtfertigung der TE. Was soll ihr Dein Beitrag bringen? Was soll der Ratschlag, sie solle härter werden? Das ist, wie wenn man einem Depressiven sagen würde: "Jetzt hab Dich nicht so, draußen scheint doch die Sonne."

Denk doch lieber etwas nach, bevor Du drauf los schreibst!

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Ihr seid jetzt alle erwachsen. Lass den anderen IHR Bild von deinem Vater, du hast dein eigenes Bild. Neben all den schlechten Seiten (die dir hauptsächlich im Gedächtnis geblieben sind) hatte dein Vater bestimmt auch gute Seiten. Diese sind den anderen im Gedächtnis geblieben, sein Verhalten den anderen gegenüber war vielleicht auch anders. Ich vermute, es steckt Selbstschutz dahinter, ihn "gut" in Erinnerung zu behalten.

Es klingt, als würde es dir gut tun, das Erlebte aufzuarbeiten mit jemandem. In dem Zuge würde ich auch das "andere Bild" mal ansprechen, das andere von deinem Vater haben und wie man auch fachlicher Sicht damit umgeht.

Alles Gute!

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Ich finde nicht, dass du deinen Bruder aufklären solltest. Du hast deine Erfahrung mit deinem Vater, er seine.

Ich habe etwas ähnliches mit meinem Opa. Er starb vor langer Zeit, da war ich 14. Ich hatte in Erinnerung, dass da eben ein Mann war, der einen Schlafanfall nach dem anderen hatte, aber gütig in seinem Sessel saß.

Als ich erwachsen wurde erfuhr ich, dass er ein ziemliches Arschloch war und meine Mama geschlagen hat, meine Oma gedemütigt, selbst als er ein Pflegefall war. Meine Oma hat ihn trotzdem bis zu seinem Tod gepflegt. Allein, weil er sich geweigert hat, in unsere Nähe zu ziehen, wo ihn meine Mutter auch mit gepflegt hätte. Trotz allem. Je älter ich werde desto mehr verstehe ich dieses Ganze nicht. Wie kann man sich so behandeln lassen? An meinen Opa habe ich keine schönen Erinnerungen mehr. Live Eindrücke sind verschwommen, Berichte sind eher weniger schön. Und er hat mir nie etwas getan!
Er war zu mir ein toller Opa!
Also ich sehe keinen Grund warum du deinen Bruder seine Erinnerungen nehmen solltest.

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Hallo,

Meine Schwester und ich (sie ist 7 Jahre älter) haben auch komplett unterschiedliche Kindheiten erlebt, wenn man uns erzählen hört. Ihre war schwer, von Schimpfereien, ab und an Schlägen und schlechten Dingen geprärgt, meine von viel Freude und Liebe.

Ich glaube mittlerweile, dass beide Bilder nicht komplett der "Wahrheit" entsprechen, sondern die Realität irgendwo in der Mitte liegt. Meine Schwester hat vor allem die schlechten Zeiten in Erinnerung und ich vor allem die guten. Das hat, denke ich, weniger mit der ungleichen Behandlung zu tun als mit unserer Persönlichkeit. Jeder Mensch geht mit Krisen unterschiedlich um. Ich habe insofern Glück, als dass ich vergessen (und vergeben) habe, und auch heute, ich bin über 40, sage, das ist nicht mehr wichtig. Es war nicht einfach mit unseren Eltern, aber das zählt heute nicht mehr (weil es keine "dramatischen" Sachen waren, sie haben Fehler gemacht, weil sie es nicht besser wussten und kannten, aber sie waren nie grausam zu uns (auch wenn ich immer mal wieder den "Hintern voll" bekam...)).

Wir reden immer mal wieder über die Eltern, und können mittlerweile akzeptieren, dass wir nicht die gleiche Sichtweise haben. Ganz ehrlich, meine Schwester tut mir manchmal ein bisschen leid, denn sie ist irgendwie in dieser Schleife hängen geblieben, Das meine ich nicht als Vorwurf, sie ist einfach so. Aber sie hat viele Therapiestunden gebraucht, während das für mich nie ein Thema war.

Was mich auch etwas gewundert hat in deinem Text: du erzählst von der Narbe (deren Entstehung mittlerweile ja wirklich sehr lange her ist) und dass du dich heute noch regelmässig dafür entschuldigst. Das finde ich ein bisschen übertrieben. KInder/Geschwister fügen sich manchmal Verletzungen zu, aus Übermut, bei einem Unfall. Das gehört zum Leben. Du kannst dieses Erlebnis, das für deinen Bruder nicht mehr wichtig ist, nicht vergessen, weil du danach bedroht wurdest von deinem Vater. DAs hat aber nichts mit dem Unfall zu tun, sondern mit einem Vater, der sich nicht beherrschen konnte. Meine Schwester hat mich auch mal verletzt, solche Sachen passieren, und meine Mutter hatte wohl auch die wüstesten Drohungen ausgestossen. Sie hatte Angst, dass ich nicht mehr gesund werde, und hat wirklich über ihr Ziel hinausgeschossen. Aber das ist heute, 40 Jahre später kein Thema mehr, meine Schwester entschuldigt sich nicht (warum auch?) und ich werfe es ihr auch auf keinen Fall vor.

Langer Rede, kurzer Sinn, ich würde jedem seine persönlichen Erinnerungen und Gefühle lassen. Dein Bruder war noch sehr klein, als der Vater starb, da darf er ruhig die kindliche Liebe zu ihm behalten.

LG und viel Kraft

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Schön geschrieben! Vor allem das über deine eigenen Eltern, dass sie Fehler gemacht haben und es damals eben nicht besser wussten #pro

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Dein Beitrag hat mich nachdenklich gemacht. Ich muss seitdem daran denken, wie unterschiedlich meine Kindheit und die meiner 9 Jahre jüngeren Schwester verlaufen ist.

Ich musste schon sehr früh sehr viel Verantwortung für sie übernehmen, war in der Rolle einer zweiten Mutter, musste viel zu früh selbständig werden. Das war im Nachhinein betrachtet doch ziemlich ungesund und hat mich stark überfordert. Auch wurden mein älterer Bruder und ich "verhauen" (nicht besonders schlimm aber schlimm genug, dass ich mir daran erinnere), während meine Schwester gar keine Gewalt erfahren musste.

Nun sind wir mittlerweile alle erwachsen und ich habe mal mit ihr über unsere Eltern gesprochen und was ich an deren Erziehung falsch fand. Sie konnte das kaum nachvollziehen, hat ein ganz anderes Bild von ihnen. Ich habe es dann sein gelassen, will ihr das Bild, was sie hat, nicht zerstören. Es würde mir und ihr nichts bringen.