Ich empfinde einfach keine Mutterliebe

Hallo.

Heute nagt wieder dieses schlechte Gewissen an mir, ich möchte einfach gerne mal Sichtweisen und Denkanstöße von außen hören.

Ich bin Erstlingsmama, an die 30, verheiratet. Mein Sohn ist fast 2.

Ich wollte immer Kinder, das stand fest. Dann klappt es sogar im ersten ÜZ. Mein Mann war von der ersten Sekunde an Superpapa. Er verbrachte und verbringt so viel Zeit mit dem Kind, nimmt sich auch mal frei für Ausflüge, bringt ihn ins Bett und füttert, Windeln waren nie ein Problem. Die beiden lieben sich heiß und innig.

Und dann steh ich da. Klar, ich denke, ich liebe meinen Sohn. Weil man das ja automatisch macht, nicht wahr? Aber im Grunde ist da nichts. Wir spielen, verbringen die Tage zusammen (er geht noch nicht in die Kita), gehen nach draußen, Spielgruppe, Freunde und Familie besuchen.
Aber im Grunde ist er einfach da und ich mache, was man als Mutter so macht. Ich habe nie das Gefühl gehabt, wirklich mit Leidenschaft und Herz bei der Sache zu sein. Wenn mich jemand fragen würde, ob ich meinen Sohn liebe, könnte ich nicht aus vollem Herzen "Ja" sagen.
So geht es mir allerdings mit jedem. Familie, mein Mann, die Haustiere. Ich habe das Gefühl, nicht "lieben" zu können.

Klar habe ich schon versucht, mich selber zu analysieren. Ich hatte eine gewaltvolle Kindheit, die in Flucht mitten in der Nacht im Schlafanzug endete, Frauenhaus, Flucht ins nächste Frauenhaus, als er uns gefunden hat. Meine großen Geschwister kamen auf die schiefe Bahn. Meine Schwester war sehr verhaltensauffällig, kam in eine Wohngruppe, da in die Drogensucht, Abbruch der Schule in der 7. Klasse, mit 13 auf den Kinderstrich, um Drogen zu finanzieren. Mein großer Bruder hat immerhin die 8. Klasse geschafft, auch Drogen, beklaute meine Mutter, wurde gewalttätig.
Und dann kam ich in der Rangfolge. Ich hatte immer das Gefühl, dass alle Augen auf mich gerichtet sind. Was macht sie? Rutscht sie auch ab?
Bin ich nicht. Ich hab mir den Ars*h aufgerissen, um in der Schule fast Bestnoten zu zeigen und den Lehrern zu zeigen, dass mein Nachname kein Grund ist, mich von vorne herein abzustempeln. Ich war immer brav, habe niemals Ärger gemacht, keine Partys, Hauptsache, meine Mutter muss sich nicht auch noch mit mir rumschlagen. Allerdings war meiner Mutter alles egal. Ich habe mit Absicht einmal eine 6 statt einer 1 in einer Klassenarbeit geschrieben und damit förmlich darum gebettelt, dass ich (negative) Aufmerksamkeit bekomme. Es kam keine Reaktion.

Ich wurde mit 16 retraumatisiert, das endete in der Psychiatrie, wo ich in den folgenden Jahren viele Aufenthalte hatte. Mit 19 habe ich versucht mich umzubringen. Es hat fast geklappt, ich wachte auf der Intensivstation auf. Das Abitur musste ich abbrechen, weil ich zu lange krank war.

Ja, ich habe Depressionen und PTBS. Aber hindert mich das an Liebe?
Ich hatte am Anfang der Schwangerschaft große Bedenken. Wenn ich nicht mal mit mir und meinem Leben klar komme, wie soll ich mich dann um ein anderes Wesen kümmern? Kann ich das? Kann ich ihm geben, was er verdient?

Heute sage ich: Kann ich nicht. Ich weine gerade schon wieder, weil mein Sohn eine Mutter verdient hat, die ihn liebt. Jemand besseren als mich. Im Grunde erfülle ich nur Grundbedürfnisse und tue, was man erwartet. Ich WILL ihn lieben und irgendwie mache ich das sicher auch. Aber... Keine Ahnung. 

Ich habe die Liste der Psychotherapeuten hier liegen. Ich traue mich nicht anzurufen. Dabei wäre das glaube ich dringend nötig.

Hat jemand ähnliche Gedanken/Gefühle seinen Kindern gegenüber? (Ich hoffe fast nicht, das wäre so schade)

Vielen Dank fürs Lesen.

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Hallo,
unabhängig von deiner Vergangenheit, die ich aufgrund der schweren Umstände als Laie gar nicht analysieren oder beurteilen möchte und kann, glaube ich, dass Liebe durchaus ein leises und kein lautes Gefühl ist.

Man muss nicht überborden vor Liebe, muss es nicht in die Welt schreien und glauben zu sterben, wenn der andere mal nicht da ist.
Liebe bedeutet für mich in erster Linie, sich umeinander zu kümmern, füreinander zu sorgen, dem anderen zuzuhören und Gutes zu tun, auch mal seine eigenen Wünsche und Begehren zurückzustellen und einfach gerne mit dem anderen Zeit zu verbringen. Jemandem, den man liebt, wünscht man nichts Schlechtes und versucht, Schaden von ihm fernzuhalten.

Es gibt viele Facetten der Liebe und ich glaube, allein schon weil du dich gut um dein Kind kümmerst und ihm zuliebe normal am Alltag und Leben teilnimmst und ihm altersgerechtes "Programm" bietest, das ihn glücklich und zufrieden macht, zeigt, dass du ihn liebst. Man muss das nicht immer so deutlich benennen können. Manchmal merkt man es bloß im Umgang miteinander.

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Oh, wow. Danke. Ich hatte gerade aufgehört zu weinen und fang jetzt wieder an 😢
Danke! Deine Worte tun sehr gut und ich denke, du hast Recht.

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Ein super Beitrag!! Genau das denke ich auch. Hätte es aber nicht so gut ausdrücken können.

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Hey!
Du hast eine heftige Geschichte und sicher beieinflusst das Geschehene noch deine heutigen Emotionen. Ich selbst habe so etwas wie du nicht erlebt, aber kann auch nicht sagen, dass ich meine Söhne jeden Tag spürbar liebe oder denke wie sehr ich sie liebe. Manchmal komme ich mir auch komisch vor, wenn andere schreiben "ich liebe ihn/sie abgöttisch" o.ä. Ich finde vieles an meinen Jungs witzig, liebenswert aber auch nervig und muss mich manchmal zusammenreißen mich bei bestimmtem unangepassten Verhalten nicht zu schämen. Mir macht auch nicht alles Spaß, was ihnen Spaß macht und manchmal ist bei einer drohenden Erkältung mein erster Gedanke auch nicht "Mein armes Kind", sondern "Streeeeeßßß!". Dennoch würden sie mir wahnsinnig fehlen und wenn sie traurig sind (nicht aus Frust, sondern wegen einer emotionalen Verletzung o.ä.), bekomme ich selbst einen Kloß im Hals.
Wie schon geschrieben wurde: Liebe kann durchaus sehr leise sein.
Dass du denkst, du liebst niemanden, schiebe ich darauf, dass du dich nie auf jemanden verlassenkonntest und immer stark sein musstest. Das verdrängt Verletzbarkeit. Aber es heißt nicht, dass du nicht liebst. Du hast einfach gelernt, alleine klar zu kommen und niemanden zu brauchen. Hol dir Hilfe, wenn es dir nicht gut geht. Aber sei nicht so streng mit dir.
Liebe Grüße!

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Danke für deine Antwort und deine Sicht auf die Jungs! 😊

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Alleine dass du dich reflektierst zeigt schon, dass du Gefühle hast!
Wir haben auch eine sehr heftige Vergangenheit und es ist manchmal stressig. Wenn mein Mann auf 24-Stundendienst ist und ich mal wieder gesundheitlich angeschlagen bin und eigentlich nur Ruhe brauche, dann bin ich heilfroh wenn die Kinder im Bett liegen und ich den Tag geschafft hab. Manchmal frage ich mich auch warum ich mir das angetan habe (2Kinder), aber trotzdem sind die 2 das wichtigste in meinem Leben.

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Huhu...
Deine Zeilen berühren mich sehr und mir tut das alles unendlich leid!!!
Ich würde Dir wirklich ganz dringend raten Deine Vergangenheit aufzuarbeiten und vor allem Deine aktuellen Gefühle zu bearbeiten. Gefühle und Empfindungen sind niemals falsch oder negativ.

Du bist ganz bestimmt keine schlechte Mama, aber ich glaube Du hast gelernt Dein Herz zu verschließen - aus Angst vor noch mehr Verletzungen - und Du „funktionierst“ sozusagen nur und hast Angst wirklich zu fühlen!!!
Du hast Furchtbares mitmachen müssen und
hast es trotzdem geschafft zu überleben - das zeigt wie stark Du bist!!!
Und Du willst für Deinen Sohn da sein - und bist es auch!!!
Und ich bin überzeugt, dass Du mit einer guten therapeutischen Begleitung einen guten Weg finden wirst mit Deinen Gefühlen und dem Alltag umzugehen.
Aber alleine wird es schwer sein... Und das ist kein Zeichen von Schwäche - diese Vergangenheit hast Du Dir nicht ausgesucht und so etwas kann kein Mensch (und er recht kein Kind) alleine schultern!!!
Ganz liebe Grüße 🍀

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Danke für deine Antwort ☺

Du hast Recht, ich habe mich immer verschlossen und versucht, nichts zu fühlen. Dabei gehen neben den negativen Gefühl leider auch die positiven weg...

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Ich glaube, du denkt über deine Gefühle zu viel nach. Das ist der Fehler. Ich habe eine Tochter, die ich sehr liebe. Aber wenn ich darüber nachdenke, ob ich sie liebe, kommt ein komisches Gefühl.. Liebe ich meinen Partner? - genau das gleiche.. das ist der Fehler. Man kann nicht gleichzeitig denken und fühlen (meiner Meinung nach).

Du machst es so, wie du es kannst und besser als du es kennst.

Lasse dir helfen. Das Gefühl kenne ich.

Ich wünsche dir alles liebe. Stärker als du es bist, kann man nicht werden. Respekt.

Liebe Grüße❤

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Danke dir! Das ist eine interessante Überlegung (nicht gleichzeitig denken und fühlen zu können)

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Du hast ganz viele schreckliche Dinge erlebt und um das zu überleben, hast du den Kontakt zu deinen Gefühlen verloren... Wie hättest du das auch sonst alles aushalten und ertragen können?

Aber wie gesagt, du hast nur den Kontakt zu deinen Gefühlen verloren und nicht deine Gefühle selbst. Wenn du lernen möchtest, wie schön und bereichernd es für dein Leben sein kann, wieder mit seinen Gefühlen in Kontakt zu kommen, ist eine Therapie sicherlich das Richtige für dich.

Bitte mach dir keine Schuldgefühle oder Vorwürfe. Du hast dich nur geschützt und noch nicht gelernt, dass du diesen Schutz jetzt nicht mehr brauchst und wieder fühlen darfst, ohne, dass es dir zu sehr schadet #klee

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Danke für deine liebe Antwort. Du hast so Recht 😢

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Desfred hat das geschrieben, was ich beim Lesen auch dachte. Ich hätte es nur etwas bildhafter ausgedrückt: Deine Gefühle für Deinen Sohn hast Du in eine Schachtel verschlossen (die übrigens innen viel mehr Platz bietet, als Du von außen denkst!). Mit Hilfe einer Therapie kannst Du Schloss für Schloss aufschließen und in Zukunft diese Schachtel geöffnet halten.
Man liest auch heraus, dass Du das unbedingt willst, also finde heraus, was Dich hindert oder denk gar nicht mehr drüber nach, sondern mach Dir einen Therapeutentermin aus. :-)

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Hallo du Liebe

dein Text allein zeigt mir, dass du dein Kind liebst! Wer liebt, macht sich Sorgen. Und du machst dir sehr viele davon.
Du bist wirklich stark und ich ziehe meinen Hut vor dir. Kann es sein, dass dieses immer die Beste sein müssen und funktionieren müssen dazu geführt hat, dass du selten zufrieden bist, immer das Gefühl hast, es müsste noch besser sein?
Vielleicht ist das auch etwas, das Dir da im Weg steht, die Zeit mit deinem Kind einfach zu geniessen.
Wenn du denkst, Hilfe zu brauchen, hole sie Dir. Es ist überhaupt keine Schande und manchmal reichen ein paar Stunden, um eine neue Sichtweise zu erhalten.
Alles Gute!

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Danke!

Du hast Recht. Ich habe immer das Gefühl, es muss besser sein. In der Ausbildung beispielsweise war ich jedes Jahr so rastlos. Erst, wenn mein Jahreszeugnis mit nur Einsern vor mir lag, war ich zufrieden. Und im nächsten Moment kam die Angst. Schaffe ich das nächstes Jahr wieder?
Wem will ich da eigentlich was beweisen?! Vollkommen überzogene Erwartungshaltungen...

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Ruf an.
Du kannst dich nicht selber analysieren. Du kannst nur was lesen und dann interpretieren, dass deine Distanz daher rührt etc. Aber das ist keine Abklärung.

Das andere ist: Du bist vlt. nicht die überschwänglichste Mutter. Aber die schlimmste bist du auch nicht. Also kein Grund, sich selber fertig zu machen.

Du kannst das hinbekommen. Nimm Hilfe an! Hey, dein Mann liebt dich dochauch - und du empfindest für ihn gleich wie für das Kind. Es fehlt ihnen gar nichts. Nur dir. Und für dich solltest du jetzt anrufen.

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Danke für deine Antwort 😊

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Ich hoffe das die außer mir niemand antwortet denn ich bin zu 100% sicher das du nur provozieren willst.

Die te hat wundervolle Antworten bekommen, viele Sichtweisen. Ich hoffe DU hast keine Kinder, denn so empathielos und engstirnig wir du bist könnte da nix gutes rauskommen

#notsorry

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Ich konnte besagte Antwort nicht mehr lesen, war schon ausgeblendet. Gott sei Dank, wenn ich deine Antwort lese...

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Hallo!

Ich glaube, du hast erwartet, dass alle mit Steinen werfen und dich als schlechte Mutter betiteln.
Es ist nicht passiert. :-)
Deine Angst war größer als es in der Realität kam.

Deine Vergangenheit hat natürlich seinen Tribut gefordert. Hab keine Angst vor einem Therapeuten. Er wird dich ebenfalls nicht als schlechte Mutter betiteln. Gönn es DIR das aufzuarbeiten!

Ich hab 4 Kinder und ich hüpfe nicht jeden Tag sonnig durch die Gegend und verkünde die Liebe zu Ihnen. Sie sind da. Wir wohnen zusammen. Ich kümmer mich um sie. Sie und ihr Glück ist mir wichtig. Und das ist gut und schön so. Aber ich bin deshalb nicht geflutet vor Glück. Liebe ist für mich auch ein leises, ruhiges Gefühl.
Ich hab auch nicht vor Rührung geweint nach der Geburt. Ich war beim ersten Kind eher erstaunt. Und dann haben wir uns aneinander gewöhnt. :-)

Erwarte nicht das was Medien vorgaukeln. Oder was andere in der Öffentlichkeit zur Schau stellen. Dir fehlen adäquate, eigene Vorbilder. Sich zu sorgen, zu kümmern, das Kind gut versorgen, da sein- das ist Liebe. Genau das!

Es ist alles in Ordnung bei Euch!! :-)