Erfahrungen im Umgang mit Asperger-Kind

Hallo!

Bei meinem Neffen, fast 7 Jahre, wurde Asperger festgestellt. Ich habe mich schon ein bisschen im Internet durchgelesen. Er ist wirklich schwach, was soziale Kontakte angeht. Er grüßt nicht, sagt nicht oft Danke/Bitte und dergleichen. Das finde ich eigentlich gar nicht so „schlimm“.
Er ist aber auch stark besserwisserisch. Zudem muss alles nach seinem Kopf laufen. Theater und Diskussionen ohne Ende, wenn er z.B. nicht das machen darf, was und wie er will.
Beispiele:
- Er will unbedingt in die Garage (Werkstatt) und geht einfach dahin, obwohl Opa (macht noch Abwasch) es deutlich verbietet. Also muss man ihm hinterher rennen.
Auch bei anderen Dingen hört er einfach nicht (Er soll nicht mit den Knöpfen der Kaffeemaschine spielen) und macht Dinge dann extra, wenn man ihm sagt, er soll es nicht tun.
-Er kann auch nicht ein paar Minuten mit allen am Tisch sitzen bleiben.
Im Einzelfall würde ich sagen, dass ist normal für ein Kind, aber es ist ALLES irgendwie ein Kampf, da eben alles so laufen muss, wie er will.
Ganz schlimm finde ich auch, dass er manchmal wirklich gemeine Sachen sagt.
Bei einem Gespräch mit meinem Schwager, der Pole ist sagte er: „ Du hast hier gar nichts zu sagen, Du kommst aus Polen, geh dahin zurück, dann kannste was sagen“
Zu meinem Mann, der am Grill stand, sagt er ohne Begrüßung: „Was machstn du da für n Scheiß?“

Da er eben Asperger hat, ist man geneigt, vieles nicht so schlimm zu sehen, a la „ das ist das Asperger, er kann es nicht besser“. Klar, sehe ich irgendwie auch so. Aber was gehört zum Asperger-Verhalten (für das er nicht so wirklich was kann) und was ist „schlechte Erziehung“. Ich ärgere mich halt einfach so oft. Ich bin wirklich schon genervt von ihm und weiß gar nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll. Er ist mein Neffe, eigentlich will ich ihn schon mögen!

Ich habe gelesen, dass Asperger auch unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann und jedes Kind ist eh anders. Trotzdem suche ich hier Rat.
Wer hat Erfahrungen mit Kindern mit Asperger und kann mir „Tipps“ geben (irgendwie klingt das blöd. Ich hoffe, ihr versteht was ich meine)

Liebe Grüße!

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Im Prinzip ist es einfach, zumindest in der Theorie: Einige Dinge sind ganz klar dem Autismus zuzuordnen, beispielsweise wenn das Kind gewisse Geräusche nicht erträgt, gewisse Speisen nicht mag, nicht merkt, wann es in einem Gespräch dran ist etwas zu sagen, welche "Wahrheiten" man nicht hinausposaunt.
Gewisse Dinge sind "Arschlochkind-Verhalten" und haben nichts oder wenig mit Autismus zu tun. Zum Beispiel nicht gehorchen, Dinge tun, gerade weil sie verboten wurden, Fremdenfeindliche Äusserungen (wird es sich wohl irgendwo abgeschaut haben)

Dazwischen ist die grosse Menge an autismusbedingten Verhaltensweisen, welche mittels Erziehung in den Griff bekommen werden müssen. zb. die ganzen Höflichkeitsregeln, wie Grüssen, Danke sagen, nicht ins Wort fallen, diese Erziehung braucht mehr Zeit und Energie als beim Nicht-Autisten, einfach deshalb, weil Vernetzung wegfällt. Wenn das Kind endlich begriffen hat, dass es am ersten Sonntag im Herbst Onkel Hugo die Hand geben soll zur Begrüssung, hat es noch lange nicht kapiert, dass dies an einem Montagabend im Winter auch für Nachbarin Gertrude gelten soll.....und auch nicht für Onkel Hugo wenn er statt Sonntag im Herbst am Dienstag im Sommer aufkreuzt...
Stundenlange Diskussionen sind sinnbefreit, gerade mit Autisten, mit Regeln und Logik ist da viel mehr zu holen.

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"Gewisse Dinge sind "Arschlochkind-Verhalten" und haben nichts oder wenig mit Autismus zu tun. Zum Beispiel nicht gehorchen, Dinge tun, gerade weil sie verboten wurden, Fremdenfeindliche Äusserungen (wird es sich wohl irgendwo abgeschaut haben)"

Danke für deinen Beitrag! Das hilft mir wesentlich weiter. Irgendwie erleichtert es mich, dass diese Dinge mit Erziehung zu tun haben, dann kann sich ja noch was ändern :)

Nicht zu Grüßen oder Danke/Bitte sagen ist auch nicht so schlimm, wie direkt unhöflich zu sein.
Das er mit Logik und Sinn zu erreichen ist, ist mir bekannt und auch schon aufgefallen.
Er braucht auch feste Abläufe. All das finde ich nicht schlimm, es ist halt eine Eigenart.

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Hallo, ich finde, dass sich dein Text ziemlich despektierlich liest.
Nicht wirklich empathisch...
Ich habe eine Tochter, die Asperger-Autistin ist. Sie ist 15 Jahre alt, geht in die 10. Klasse und macht voraussichtlich ihr Abitur.
All das, was du schreibst, ist bei meiner Tochter nicht der Fall, da Autismus bei Mädchen anders ausgeprägt ist als bei Jungen.
Ich empfehle dir, Bücher zu lesen und vor allen Dingen mit den Eltern Rücksprache zu halten.
Asperger können sich vieles erarbeiten und vieles lernen, aber brauchen gerade im sozialen Bereich lange, auch Empathie ist nicht ihre Stärke.
Meine Tochter ist schonungslos ehrlich und so manches Mal ins Fettnapf getreten.

Sie ist ein tolles Mädchen, das sich über die Jahre großartig entwickelt hat.

Gib deinem Neffen eine reelle Chance, mach mit ihm was zusammen. Gerade Autisten haben Spezialinteressen, über die man Kontakt zu ihnen bekommt.

LG

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Ich habe versucht, mich kurz zu fassen und natürlich nur negative Dinge geschildert, daher kann es gut sein, dass es sich negativ liest. Ich mag meinen Neffen ja eigentlich auch, er gehört zur Familie und ich wäre immer da, wenn was ist. Er wohnt nicht in der gleichen Stadt wie ich, alle zwei Wochen besucht er meine Eltern und ich komme auch, um ihn und meine Schwester zu sehen. Ich versuche, mit ihm ins Gespräch zu kommen, aber er ist eben sehr eigen, was an sich nicht schlimm ist. Wenn er sich aber meinem Mann und meiner Tochter stets mehr als daneben benimmt (da kam wirklich noch kein einziges freundliches Wort von ihm, nur Ignoranz oder ein "geh weg" "die nervt" etc) oder auch meinen Eltern gegenüber, dann fällt es mir halt schwer ... wie soll ich sagen ... ihn nett zu finden.
Mir macht es nichts aus, wenn er sagt, was er denkt. Also das "ins Fettnäpfchen treten", wie du es beschreibst. Ehrlichkeit finde ich sogar eher erfrischend.
Es ist einfach nur wirklich sehr (!) anstrengend mit ihm.
Er hört nicht, wenn er z.B. vom Spielen zum Essen kommen soll, die Zähne putzen soll, die Musik leiser machen soll etc. Mann muss es so oft sagen. Er will halt machen, was er will. Punkt.
Für mich scheint es hilfreich zu sein, zu wissen, was dem Asperger-Denke zuzuschreiben ist und was eben "Erziehungsfehler" sind.
Immer zu sagen "das macht ja nichts, er kann nichts dafür" scheint für mich nicht ganz richtig zu sein. Ein Freifahrtschein für sein ungezogenes Benehmen.

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Ein guter Freund meines Sohnes ist Autist. Als er uns zum ersten Mal besuchte (da waren beide 12), hat mich mein Sohn vorgewarnt: 'X. kommt Dir bestimmt komisch vor, aber der ist eigentlich wirklich nett.'

Und so ist es auch. Als X zum ersten Mal bei uns war, hatte er ein Arsenal eigener Getränke und Lebensmittel mit. Als etwas unter's Sofa rollte und er es ziemlich angestaubt wieder hervorholte, kommentierte er das mit 'Hier putzt ihr ziemlich selten, stimmt's?'. Als mein jüngerer Sohn einem Wortdisput zwischen X und dem Grossen nicht ganz folgen konnte und nachfragte, bekam er von X zu hören: 'Ein Blitzmerker bist Du auch nicht.' Ja, Arschbomben ins Fettnäpfchen kann X gut.

Aber: Er ist einfach kolossal ehrlich und er versucht tapfer, diesem ganzen zwischenmenschlichen, unausgesprochenem Kram so gut es geht zu folgen, obwohl der ihm ein totales Rätsel ist. Er hat Hefte voll mit Psychogrammen seiner Mitschüler, er notiert sich akribisch Vorlieben und Abneigungen jedes einzelnen um Gesprächsthemen mit ihnen zu haben.

Tipps? Versuche einfach, die Verhaltensoriginalitäten nicht persönlich zu nehmen. Er will nicht provozieren, seine Welt funktioniert nur einfach anders als Deine.

Grüsse
BiDi

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"Als etwas unter's Sofa rollte und er es ziemlich angestaubt wieder hervorholte, kommentierte er das mit 'Hier putzt ihr ziemlich selten, stimmt's?'."

#rofl Also das Beispiel finde ich unglaublich erfrischend, ich mag ja so bedingungslose Ehrlichkeit sehr. Und unwahr ist es ja nicht, unter dem Sofa werdet ihr ja nicht so oft saugen. ;-)

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Ich fand's auch nicht schlimm, aber mein Mann hat schon sehr pikiert geschaut...

Grüsse
BiDi

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Ein guter Freund von mir hat einen Sohn mit Asperger. Damals, als er klein war, hat er manchmal Reaktionen gezeigt, bei denen man einfach gemerkt hat, dass seine Synapsen anders schalten, als man es aus einer gewissen Lebenserfahrung erwartet hat.

Einen Morgen habe ich ihm Milch in ein Glas gegossen. Er wollte scheinbar nur ein halbes Glas voll. Normalerweise würde ein 9jähriger sagen "Danke reicht." Er hat aber einfach das Glas weg gezogen. Für ihn war nicht nachvollziehbar, dass ich seine Gedanken nicht kenne. Er hat die Milchpfütze auf dem Tisch auch nicht ursächlich darin gesehen, dass er hätte Stopp sagen müssen. Gelernt habe ich bei ihm, dass er sich in andere Menschen einfach nicht rein denken kann. Und dass man das eben irgendwie als Beteiligter lernen muss, damit zu rechnen, dass er anders reagiert als man erwartet.

Er hat übrigens neben allen möglichen Therapien auch Ritalin bekommen. Er hat mir mal erklärt, mit den Tabletten würden die Gedanken nicht mehr so irre in seinem Kopf rumspringen. Dann könne er statt Nebel ganz normal sehen. Und wenn die Tablette nicht mehr wirkt (Retard), dann merkt er, dass er sich nicht mehr so im Griff hat. Für mich war das sehr erhellend, weil ja viele Ritalin als Teufelszeug sehen. Für ihn war es Mittel, wenigstens teilweise wie ein "normaler Mensch" am Leben teilzunehmen ohne ungewollt permanent anzuecken.

LG

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Bei meinem Neffen wäre es anders abgelaufen. Meine Oma hätte gesagt, dass sie ihm die Milch ins Glas schüttet und er es nicht wegziehen soll. Dann hätte er es gleich mit Absicht zur Seite geschoben und gelacht.
Er selber hat ja auch schon mal gesagt, er ärgert die Oma, weil die sich dann immer so aufregt.

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Und ist das nun schlechtes Benehmen oder lässt es sich entschuldigen, weil er als Asperger die Emotionen und Gefühle der Oma nicht nachvollziehen kann und nicht versteht, dass sein Verhalten einfach richtig ärgerlich ist und Unmut erzeugt?

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Guten Morgen!

Das Verhalten deines Neffen ist tatsächlich stark autistisch.
Bitte/ Danke/ Grüßen- das sind soziale Erfordernisse, die ein Autist nicht versteht.
Ein Satz wie "Was machst du für ein Scheiß?"- hat er kopiert. Wird man oft genug zu ihm gesagt haben.
Nicht hören ist für einen Autisten ein durchaus "normales" Verhalten. Er provoziert damit nicht. Ihm ist es nicht verständlich, dass das andere verärgert. Er hört den ärgerlichen Tonfall nicht, er sieht die verärgerten Gesichter nicht.
Ja, auch das Milchglas-Beispiel würde so passieren können. Weil die Reaktion der Oma so herrlich intensiv ist. Lappen holen, Schimpfen, da passiert richtig was.
Das ist nicht bösartig gemeint, sondern ist spannend für ein Kind, was so ganz anders die Welt begreift.
Ruhig am Tisch sitzen ist eine absolute Überforderung. Der Essenstisch ist das soziale Ereignis. So viel Menschen, alle reden...das ist Laut und unverständlich für einen Autisten. Nahezu beängstigend.

Musst du das deshalb alles tolerieren??? Nein! Im Gegenteil!
Das Kind wird dir zunehmend unsympathisch, was richtig schade ist. Und von daher ist es toll, dass du hier fragst!
Für ein Kind ohne ausreichende Emphatie und Filter sind Schutzräume und klare Rückmeldungen wichtig.
Es muss wissen, wie lange man sich wo trifft. Wo kann es sich zurück ziehen, was hilft beim Overload (kuscheln, Kopfhörer mit Musik, eine Spielekonsole- erlaubt ist, was dem Kind hilft runter zu kommen). Ein Overload ist, wenn das Kind überdreht, agressiv wird, rum rennt, ruhelos ist, Geräusche macht...
Dazu darfst und musst du klare Rückmeldungen geben. Fühle "laut". Benenne was dich ärgert, wann es dich beginnt zu ärgern- schluck nichts. Der kleine Autist nimmt Blicke, lauteren Ton nicht wahr. Bennene konkret. "Ich bin traurig, wenn du mir nicht "Hallo" sagst. Traurig sein fühlt sich ganz schwer und nicht gut an. Mir geht es besser, wenn du mir "Hallo" sagst"
Er braucht es überdeutlich.

Ich hoffe, der Zwerg ist in einem Autismustherapie-Zentrum (Therapie). Da lernen die Kinder ganz viel -und auch die Verwandten. :-)
Ich habe einen 12jährigen Sohn, dem man heute nichts mehr anmerkt. Aber mit 6- da war der auch "unsympathisch" ohne es zu merken oder zu wollen. Jetzt ist er das Gegenteil. Er hat viel gelernt.

Liebe Grüße!

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Vielen Dank für deine Antwort!
Autismus ist aber doch noch eine andere Sache als Asperger, oder? Zumindest habe ich oft gelesen, dass man das nicht gleichsetzen darf. Aber es wird wohl in die gleiche Richtung gehen.
Das fehlende Bitte/Danke/Hallo und dergleichen ist ja nicht so schlimm. Das kann man bestimmt lernen.
Wir Erwachsenen müssen bestimmt auch noch viel lernen, um "richtig" mit ihm umzugehen.

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Natürlich ist es das Gleiche. :)
Es nennt sich Asperger Autismus.

Eigentlich ist es eine Autismus-Spektrumsstörung. Darunter fällt der Asperger, HFA (High Functional- also normbegabt) und Kanner (retardiert).

Liebe Grüße!