Bruder psychisch schwer krank.... Erfahrungen?

Hallo

Ende Oktober teilte mir meine Mutter mit, dass mein Bruder wieder schizophren ist. Er hatte vor 11 jahren ne akute pschose und ich wollte das gar nicht glauben, dass das wieder passierte. Er war doch so lange psychosefrei...
Ich hatte schon gedacht, er hat nur ein bisschen zu viel gekifft.

Naja. Ein paar Tage später rief mich mein Bruder völlig verzweifelt an und ich merkte sofort, dass grad überhaupt nichts in ordnung ist. Mein größtes Anliegen war in dem Moment ihn weg von unserer Mutter zu bringen. Egal wie gut sie es meint, aber unsere Mutter war schon immer ein Mensch, der bei seinen Mitmenschen innerhalb kurzer Zeit massiven emotionalen Schaden anrichtet. Bei ihr besteht der begründete Verdacht, dass sie eine unbehandelte schizoaffektive störung in der depressiven form hat. Wir haben als kinder sehr krasse Situationen erlebt und sind manchmal regelrecht gequält worden...
Jedenfalls wohne ich 200km von ihm entfernt und habe an einer klinik in meiner nähe (40km entfernung) einen Termin vereinbart.
Mein Bruder hat die zeit bis zum termin gut überbrückt, ich hab ihn besucht und hab ihn dann auch persönlich in der klinik abgegeben.
Die Symptome meines bruders empfinde ich als hochgradig belastend. Ich bin ja eigentlich beruflich dazu da, menschen in emotionalen ausnahmesituationen aufzufangen. Ich bleib auch ruhig und gebe meinem bruder strukturhilfen, aber ich fühle mich nach jedem Gespräch wie leergesaugt. Mich bringt die sorge um meinen bruder tatsächlich selbst in eine emotionale Ausnahmesituation. Ich kann nicht mal weinen. Ich bin einfach nur angespannt wie ein flitzebogen.
Wisst ihr: wenn ich beruflich mit psychosen zu tun habe, dann verweise ich die Leute rasch zum Psychiater/in ne Klinik. Danach hab ich mit den leuten lange zeit nichts mehr zu tun. Häufig greifen dann auch hilfesysteme, mit denen ich nichts zu tun habe. Meine Kompetenzen sind bei Psychosen definitiv überschritten.
Mir macht das auch Angst.

Heute sagte mein Bruder, dass er in eine Tagesklinik wechseln will. Nach 1 Woche vollstationärer Psychiatrie.
Ich hab ihm nun gesagt, dass ich erst mal mit nem Arzt reden will. Das akzeptiert er auch. Das muss auch recht schnell passieren und ich muss wieder urlaub nehmen.
Das Verständnis meiner Chefin hält sich aktuell bei so kurzfristig genommenen Urlaub in Grenzen. Ich hab aber auch nur von einem Nervenzusammenbruch erzählt. Nicht von ner Psychose. .. Ich muss sagen, dass ich sowas gar nicht erzählen will. Depressionen sind ja salonfähig, aber Psychosen...???

Ich wünsche mir gerade nicht so sehr einen Rat. Ich denke, momentan ist die Sache noch im Griff. Es gibt ja auch grad nicht so viel anderes zu tun, als mit ihm zu reden und mal den doc ins Gespräch zu nehmen.
Aber ich wüsste ganz gern, ob es hier jemanden gibt, der diese heimtückische krankheit auch in der Familie hat und einfach mal erzählt, damit ich merke, dass es ganz normal ist, sich nen Kopp zu machen und sich auch ein Stück weit überfordert zu fühlen...
Ist es doch, oder??

Liebe grüße. ..
Gar nicht so plitzplautz heute....

1

Hallo,

Innerhalb meiner Familie gibt es glücklicherweise niemanden, der so schwer erkrankt ist. Jedoch habe ich beruflich häufig mit psychotischen Menschen zu tun und kann dir bestätigen: natürlich bist du ratlos und ängstlich, natürlich fühlst du dich hilflos und natürlich bist du umso betroffener, weil es eben keine fremde Person sondern dein Bruder ist, der krank ist. Aus deinem Beitrag ist zudem herauszulesen, dass du selbst eine belastende Vergangenheit hast und der Kontakt zu deiner Mutter hohes Konfliktpotential birgt. Auch diese Tatsachen erschweren es dir sicherlich zusätzlich, mit der Situation umzugehen. Psychosen folgen leider keinerlei Logik, sodass die häufig gut gemeinten Überzeugungsversuche, Diskussionen und Argumentationen mit den Erkrankten nicht selten in Konflikten enden. Eine psychiatrische Behandlung ist hier, wie von dir ja bereits initiiert, wirklich unumgänglich! Mein Rat an dich lautet bei aller Sorge um deinen Bruder (Respekt übrigens vor deinen bisherigen so zeitnahen und scheinbar sehr effektiven Hilfen!) auch Rücksicht auf dich und deine Grenzen zu nehmen. Erkundige dich mal, ob es Selbsthilfegruppen für Angehörige in deinem Umkreis gibt oder hole dir nähere Informationen von den Ärzten und Therapeuten sofern dein Bruder einverstanden ist.

Ich wünsche dir alles Gute und viel Kraft!

2

Guten Morgen! In der Familie haben wir das nicht, aber der beste Freund von meinem Mann hatte jetzt, nach über fünf Jahren einen zweiten psychotischen Schub. Von seiner eigenen Familie erfährt er kaum bis keine Hilfestellung, da dort alle mehr oder minder mit sich selbst beschäftigt sind, daher bekommen mein Mann und ich, insbesondere halt mein Mann, ab.

Das erste Mal „ging“ es noch, war alles neu und wir konnten uns gut damit arrangieren, er war, glaube ich vier Wochen, auf richterlichen Beschluss, in der geschlossenen Psychiatrie. Insoweit waren wir auch flexibler, da wir zu der Zeit noch ohne Kind unterwegs waren. Klar, mehr als Gespräche und später die Möglichkeit ihm eine Auslastung mit gemeinsamen Sport zu bieten, war für uns als absolute Laien nicht möglich, aber die Ärzte haben uns da gut angeleitet.

Den zweiten Schub hatte er dieses Jahr, kurz vor der Geburt unseres Sohnes im Juni. Diesmal mit Suizidaler Gefährdung. Allerdings hat er das wohl selbst noch soweit mitbekommen und selbst eingewiesen. Diesmal war er auch über sechs Wochen, auf eigenen Wunsch, in der Klinik, zwei davon im geschlossenen Bereich, den Rest stationär und danach, bis heute in ambulanter Behandlung, da die Wartelisge auf einen Therapieplatz derzeit für ihn, ich glaube, sieben Monate beträgt.

Dieser zweite Schub war für uns nun sehr schlimm, da wir gefühlt weniger helfen konnten und vor allem die Ohnmacht dazu kommt, nun zu wissen, dass es einfach immer wieder, aus heiterem Himmel passieren kann. Auch wenn es ihm mittlerweile besser geht. Parallel dabei, konnte ich ihm z.B. gar nicht einmal mit Gesprächen zur Seite stehen.

Wie du siehst, es ist völlig normal sich Sorgen zu machen und bei dir kommt hinzu, dass es dein eigener Bruder ist, bei uns „nur“ ein Freund. Auch wenn, oder wahrscheinlich insbesondere weil du berufsnahe Erfahrungen damit hast, nimmt es dich so mit.

Fühl dich gedrückt und sei stark, sei auch stark dir deine Ängste einzugestehen und suche dir ggf. selbst ein Ventil, das dich vor einem emotionalen Kollaps schützen kann.

Alles Gute, dir und deinem Bruder

3

Hi,

ich formuliere es mal bewusst oberflächlich, salopp. Für tieferes fehlen mir die Worte.

"Ärzte sind oft die schlechteren Patienten"
"es ist das eine anderen Menschen zu helfen. Bei Familie/Verwandtschaft sind dann eben doch andere Gefühle da".

Manche Ärzte, Krankenschwestern etc. lehnen es ab, ihre eigene Familie zu behandeln. Sie erkennen zwar, WANN sie DRINGEND Hilfe brauchen, was und wie und zum Arzt sollten. Aber gehen bewusst in eine andere Praxis oder Ärzte zu Kollegen, weil sie es bei der eigenen Familie emotional nicht verantworten können.

Auch dann oder grade dann, wenn sie selbst Spezialisten sind.
Manche wurden ja grade deswegen Spezialisten, weil sie mit dem Thema häufig oder von klein auf zu tun hatten.

Bei Familie jedoch an ihre Grenzen stoßen.
Egal ob Allergien, psyschiche Erkrankungen, kardiologisch, neurologisch usw.


Viel Kraft!

Bei der Arbeit finde ich es gut, dass du nicht alles sagst.
Private akute Probleme, unklar wie lange es dauert. Aber eben akut und gefährlich.
Mitteilen, was wichtig ist, damit deine Chefin einschätzen kann, wie oft du kurzfristig ausfallen wirst - bzw. wenn du da bist, eben nicht voll belastbar bist wie gewohnt.
Aber die Details, genaue Ursachen etc. muss man glaube ich auch nicht sagen, wenn man selbst krank ist.

Auch wenn ich kein Freund von krankschreiben lassen bin. In deinem Fall trotzdem auch mit deinem Arzt sprechen. Damit, falls du selbst kurz an einen Nervenzusammenbruch in die Nähe kommen würdest, dass dieser schnell und effektiv handeln kann und ggf. dich krank schreiben könnte, bevor du auch zusammenklappst.

4

In meiner Familie ist leider meine Mutter vor einigen Jahren an einer paranoiden Psychose erkrankt. Allerdings fing das bei ihr erst im Alter von Mitte 60 Jahren an, aber das war dann wirklich ein heftiger Schub. Leider hast du nicht geschrieben, welche Form genau dein Bruder hat. Daher weiß ich nicht, ob sich die Krankheit bei ihm von den Symptomen her ähnlich äußert wie bei meiner Mutter. Ich und meine Schwester waren damals auch psychisch derart am Ende, dass wir sie gegen ihren Willen in eine Psychiatrische Klinik gebracht haben. Das war dank Vorsorgevollmacht möglich, da sie in Bezug auf Ihre Krankheit absolut nicht einsichtig war. Dort war sie dann ca. 4 Wochen lang stationär, aber die Behandlung war leider nicht sehr erfolgreich.

Die Symptome waren nach wie vor vorhanden, wobei sich die Situation für uns auch dank guter Medikation gebessert hatte. Daher haben wir veranlasst, dass sie eine ambulante Psychotherapie macht. Meine Schwester hatte damals den Kontakt zu meiner Mutter stark reduziert, da sie psychisch sehr unter ihr zu leiden hatte. Ich selbst hatte eine Depression bekommen, wofür es allerdings noch andere Ursachen gab.

Mittlerweile hat meine Mutter allerdings seit einigen Jahren Alzheimer, wodurch die Psychose kaum mehr in Erscheinung tritt. Das empfinde ich allerdings als noch schlimmer als letztere Krankheit.

5

Hallo!
Ich danke euch, für eure Beiträge!
Mein Bruder lässt sich zum Glück gut lenken und setzt wahnsinnig viel Vertrauen in mich.
Das ist auf der einen Seite gut, weil ich so gut einfluss nehmen kann; auf der anderen Seite hab ich so viel Vertrauen nicht verdient.
Ich kann gut reden und Menschen, die Hilfe erwarten, gut lenken. Aber das ist bei fremden Leuten OK... wenn ich nen Fehler mache, oder jemand mit meinem Handeln nicht einverstanden ist, bin ich halt ne dumme Kuh, die ihren Job verfehlt hat.
Aber wenn ich mich bei meinem Bruder irre, dann kann das bedeuten, dass er niemandem mehr vertraut. Bzw. Bedeutet das auch, dass ich beim esten Mal, bei dem mich meine Schwester um Hilfe gebeten hat, Mist baue und bestätige, dass ich halt nicht wirklich zu gebrauchen bin...
Ganz dumme Denke, weiß ich. Aber es ist ja wirklich so, dass ich in der Familie die bin, die irgendwie nie was zustande kriegt und auch immer in diese dumme Rolle fällt, wenn wir zusammen sind.

Das Thema Krankschreiben ist für mich schon was, was ne Überlegung wert ist. Es gibt noch andere Belastungen und ich erwische mich jetzt häufiger bei dem Gedanken, dass ich einfach meinen Kram packe und ein paar wochen verschwinde...
Meine Hausärztin ist allerdings ziemlich blöd. Egal mit welchem problem ich zu ihr komme, sie stempelt es als psychosomatisch ab. Wenn ich mich jetzt wegen psychischer Probleme krank schreiben lasse, befeuere ich ihre dämliche art noch....
Naja. Ich denke, ich merke, wenns nicht mehr geht.

6

Hallo,
ich kann dich da nur unterstützen, dich selbst nicht zu vergessen. Mein Vater ist, nachdem er meinen Bruder, ebenfalls eine schwere Psychose mit Selbstmordtendenzen und längerem Aufenthalt in der Geschlossenen, selbst in starke Depressionen verfallen. Er musste frühzeitig in Pension gehen und nimmt noch heute, nach 13 Jahren, starke Medikamente. Ein Glück geht es ihm damit aber gut.
Meinem Bruder leider nicht immer, aber solange er penibel seine Tabletten nimmt,kommt er über den Tag. An normale Arbeit oder eine Beziehung ist leider nicht zu denken.
Ich habe das mehr oder weniger aus der Ferne mitbekommen, da ich 400km weit weg wohne. Ich bin froh, dass meine Mutter so stark geblieben ist, aber sie sagte mir kürzlich, dass sie es nicht viel länger ausgehalten hätte.
Ich wünsch euch, dass ihr da heil rauskommt und deinem Bruder dauerhaft geholfen werden kann.

7

kommt darauf an wie sie damit umgeht:

"Meine Hausärztin ist allerdings ziemlich blöd. Egal mit welchem problem ich zu ihr komme, sie stempelt es als psychosomatisch ab. Wenn ich mich jetzt wegen psychischer Probleme krank schreiben lasse, befeuere ich ihre dämliche art noch...."

schiebt sie alles auf die psychosomatische Ebene und verweigert somit alle Untersuchungen oder was auch immer ansteht, würde ich nicht mehr hingehen. Hatte ich auch schon, war was körperliches.

Bei einer Freundin waren es wirklich psychosomatische Probleme. Ihr Hausarzt super, hat ihr auch geholfen in eine psychosomatische Klinik zu kommen. Kurz: er hat sie ernst genommen und unterstützt!
Pech/Problem war: psychosomatische Klinik erklärte ihr, dass alles nur einbildung sei und es bei psychosomatischen Beschwerden keine Hilfe möglich sei :-[:-[:-[ wozu gibt es dann eine ganze Klinik dazu #klatsch

Wenn jemand damit umgehen kann, also differenzieren kann, ist psychosomatisch durchaus berechetigt. Die Schmerzen und Probleme sind ja da! Linderung, medizinische Hilfe hilfreich und notwendig! Da ist eine Krankschreibung aus psychischen / psychosomatischen Gründen durchaus sinnvoll und gerechtfertigt!

Schwierig / schlimm finde ich es nur, wenn es immer NUR heißt "psychosomatisch", Patient NICHT ernst genommen wird. Schmerzen geleugnet werden (sind ja "nur" psychosomatisch #klatsch) und weggeschickt wird. Auch / GRADE bei psychosomtiaschen Beschwerden ist medizinische Hilfe sinnvoll. Vielleicht nicht direkt vom Hausarzt. Aber er kann ja weiterüberweisen.
Die "Diagnose" allein bringt nicht viel. Wenn der Hausarzt weiterüberweist oder Tipps gibt, was man tun kann, ist das auch medizinische Hilfe ;-)


Schickt dich deine Hausärztin mit der "Diagnose" immer nur weg? oder geht sie auf dich ein, bzw. überlegt, was du tun könntest? Z.B. selbst Therapie, Übungen zur Schmerzlinderung, Entspannung etc?
In deinem aktuellen Fall eben auch Krankschreibung?

weitere Kommentare laden
10

Hi :)

Mein Bruder ist auch Schizophren. Begann alles vor 6 Jahren mit einem Burn out. Mal hat er gute Phasen und mal schwierige. Momentan eher schwierig, ihn regt das ganze Weihnachts gedöns auf und findet das alles Geld macherrei usw. Stand auch wieder kurz vor einer Psychose. Wenn er seine Medikamente verlässlich nimmt, hat er das relativ gut im Griff. Aber manchmal lässt er es auch bewusst schleifen, damit er uns zeigen kann wie Krank er ist wie er sagt.
Können uns gerne austauschen. :)

Liebe Grüße

Marie

11

Sowas kenne ich von meinem Bruder zum Glück nicht.
Er hat im März seine medis in Rücksprache mit seinem psychiater abgesetzt.
Jetzt hat er neue und sich am Anfang schon gewehrt und war auch - für seine Verhältnisse aggressiv - weil er so nen hass darauf hatte, sie immer nehmen zu müssen.
Also ich nehme mir irgendwie jede Woche vor, mal mit dem arzt in seiner klinik zu sprechen, weil ich infos für die zukunft haben will... bin aber immer zu feige.
Momentan ist es wohl so, dass mein bruder noch vor Weihnachten entlassen wird.
Ich weiß, er bräuchte zu Weihnachten Gesellschaft, aber ich möchte eigentlich gern unsere Familie im Vordergrund haben. Ich will mir nicht an Weihnachten seine Probleme anhören.
Wir sind auch nicht so dicke. Meine geschwister haben sich nur wegen meines berufes an mich gewendet. Mit meinem Bruder verbindet mich nichts. Wir haben vor der erkrankung nie miteinander geredet, da er 11 Jahre älter ist als ich.
Ja... weihnachten ist wohl generell n doofes Thema. Da braucht man nicht unbedingt ne psychische Erkrankungen für. ..

12

Mein Bruder hat sich mal seine spritzen lassen, aber das ging voll nach hinten los.

Wir wissen halt wie er ist durch die Krankheit und man weiß mit umzugehen, auch wenn es oft schwierig ist. Er ist wie eine tickende Zeitbombe. Heute ist er Feuer und Flamme für dieses und morgen wieder für was anderes. Besonders dicke sind wir auch nicht. Ich seh ihn auch nur wenn wir zu meiner Mutter fahren, denn er lebt bei ihr. Des öfteren war er auch schon in einer Klinik und immer mal wieder ist Thema betreutes Wohnen.

Wir sind auch 10 Jahre auseinander.

Liebe Grüße :)