Wie verhält man sich, wenn die Oma demenzkrank ist und in ihrer eigenen Welt lebt? Was kann die Enkelin tun, damit sich ihre Großmutter beruhigen kann und sich sicher fühlt? Unsere User erzählen von ihren Erfahrungen geben hilfreiche Ratschläge.
Ein Tipp vom urbia Team

Demenzfrage! Altenpfleger hier?

Hallo,

meine Oma ist im Seniorenheim und dort auch in der 'Demenz-Abteilung'. Sie ist teils klar und teils durcheinander. Immer wieder äußert sie, nach Hause (das, wo sie ihre Kindheit verbrachte) zu wollen und ihre Eltern (natürlich schon gestorben) besuchen zu dürfen. Außerdem will sie andauernd Geld haben. Sie steckt das dann dem Personal zu und würde da, wenn es möglich wäre auch mehr Geld geben.

Wir geben ihr aus dem Grund kein Geld mehr, weil sie einfach kein Verhältnis mehr zum Geld hat.
Nun ist es so, dass sie dadurch, dass sie nicht 'nach Hause' kann und dass Sie kein Geld kriegt, immer wieder depressive Gedanken bekommt und wütend wird. Gestern hatte ich sie Abends am Telefon und sie weinte fast, weil sie 'nach Hause' wollte und wegen dem Geldthema natürlich. Ich konnte ihre Stimmung nicht aufhellen. Sie wollte dann das Telefonat beenden und ins Bett gehen. Mich ließ nicht in Ruhe, dass sie da nun in ihrem Bett lag und trübe Gedanken hatte. Sie tat mir so Leid.

Wie kann man so einem alten verwirrten Menschen da helfen? Was kann ich ihr sagen, das sie beruhigt? Wie geht man mit der Situation um?

Noch zur Info - uns trennen 600 KM - ich sehe sie nur selten. Aber am Telefon erkennt sie mich immer noch. Meine Mutter besucht sie jedes WE.

Gruß
Mare88

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Hallo, ich bin Ergotherapeutin und arbeite seit 8 Jahren mit Demenzkranken. Das Feld ist breit gefächert, es gibt ja auch verschiedene Demenzformen. Aber nur um dir kurz einen Anhaltspunkt zu geben, lese dich mal in validierende Gespräche ein. Das ist die beste Form, Menschen mit Demenz ein Gefühl von Sicherheit und verstanden sein zu geben. Auf keinen Fall gegen ihre Welt reden, das was sie gerade erlebt ist für sie real. Auch das ihre Eltern noch leben ist für sie real. Versucht ihr sie vom Gegenteil zu überzeugen wird sie dicht machen, sauer werden und niedergeschlagen sein. Ich könnte dir das alles jetzt verbal stundenlang erzählen, finde es aber zu schreiben schwierig. Weil man als geschultes Personal praktisch nichts anderes mehr macht,als validierende Gespräche zu führen fällt es uns natürlich leicht. Auch erkennen wir leicht in welcher Phase ihres Lebens sie sich gerade befinden und was ihnen genau in dem Moment wichtig ist. Für die Angehörigen ist der Zustand den Oma, Opa oder Eltern gerade haben sehr schwer, sie waren eben nie so. Wie gesagt versuche mal über Google oder Bücher, was über diese Art der Gespräche zu erfahren. Und was ihr auf keinen Fall tun solltet ist euch schuldig zu fühlen. Deine Oma ist daran erkrankt und wird sich zwangsläufig immer mehr in ihre Erlebniswelt zurück ziehen. Möglich das ihr da als Enkel bald keine Rolle mehr spielt. Sie wird nach wie vor am meisten mit ihrer Kindheit konfrontiert sein und ihren eigenen Eltern. Ihr könnt versuchen in Form von 10 Min Aktivierung wie schon jemand schieb mit Bildern arbeiten und das was sie jetzt noch weiß erhalten. Wenn du noch gezielt fragen hast, dann frage ruhig. Gern auch per PN. Liebe Grüße Ella

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liebe ellalein,

ich habe in das Thema mal schnell rein gelesen. Es ist genau das, wonach ich suche. Damit werde ich mich mal intensiver befassen.

Vielen lieben Dank!

Mare88

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Hallo!

Meine Oma war dement und ihr ging es ähnlich. Wir haben es auch so gehandhabt wie oben beschrieben. Obwohl ich selbst Logopädin bin und im Beruf mit Demenzpatienten zu tun habe, ist es bei der eigenen Oma viel schwieriger - besonders wenn es dann um geliebte Personen geht, die bereits verstorben sind ("Ja genau, Opa ist gerade unterwegs. Er muss nur etwas vom Baumarkt holen.").

Man hat keine Chance die demente Person von der Wirklichkeit zu überzeugen. Man muss sie nehmen wie sie ist.

Für mich ist meine Oma zwei mal gestorben: einmal, als mit dem Tod meines Opas die Demenz richtig ausbrach und das zweite Mal als sie meine Hand haltend friedlich eingeschlafen ist.

Es sind zwei unterschiedliche Personen, zwei unterschiedliche Welten.

Als Tipp von mir noch: meine Oma hatte in ihrem "zweiten Leben" am meisten Spaß wenn wir mit ihr Lieder von früher gesungen haben. Da ist sie aufgeblüht!

Ich wünsche dir viel Kraft und alles Gute!

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Hallo,

ich kenne mich mit Demenz GsD noch nicht aus. Aber ich würde evtl. versuchen aus alten Fotos vom "Zuhause" deiner Oma, Fotos von den Eltern, den eigenen Kindern, Enkeln oder Reisen die sie gemacht hat usw. einscannen und ihr ein tolles Fotobuch "basteln". Voll mit alten Erinnerungen eben. Und was mir viele Partner von Demenzkranken erzählt haben: die älteren Leute mögen z.B. sehr gerne die uralten Kinderlieder von Früher hören, ich meine, es gibt da ganz spezielle CDs. Muss man mal auf Ama..n oder Eb... schauen. Außerdem würde ich irgendwann hinfahren und sie besuchen, egal wie weit es ist.

LG

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Danke für Deine Antwort!

So ein Fotoalbum habe ich ihr im Januar zum G-Tag geschenkt. Ist auch super gut angekommen.

Ich brauche eher Ratschläge, wie ich sie für den Moment am Telefon oder wenn wir uns mal persönlich treffen, aufbauen kann.

Was soll ich ihr sagen, wenn sie nach Hause will? Was soll ich ihr sagen, wenn sie Geld will? Was für Antworten, die sie nicht runterziehen?

Es sind bei ihr ja auch ganz schnell alle böse, wenn man ihr das versucht auszureden.

Mare88

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Hallo,

vielleicht hilft es ihr, von "zu Hause" zu erzählen? Wenn sie sagt, sie möchte Heim, dann sage z.B. "Du bist in ... aufgewachsen. Bist du da auch in die Schule gegangen? Wie hieß deine beste Freundin? Gab es da viele Kinder? Was hast du am liebsten gespielt? Gab es einen Bauernhof in der Nähe?" so oder ähnliche Sachen, falls du Ortskenntnis hast oder die du evtl. schon aus Erzählungen kennst.

Vielleicht hilft es ihr, mit der Situation umzugehen.

Wäre es denn möglich, diesen Ort mit ihr zu besuchen?

Viele Grüße,
ez

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Ich bin keine ausgebildete Fachkraft, habe also dementsprechend kein Fachwissen, allerdings war ich mal "Unterhalterin" für eine demenzkranke Dame, d.h. ich wurde als Studentin von ihren Kindern engagiert, ihr mehrmals die Woche für ein bis zwei Stunden Gesellschaft zu leisten.

In den von dir beschriebenen Situationen habe ich einfach intuitiv mitgespielt. Z.B. " Ach, das wäre schön! Vielleicht können wir im Sommer dorthin fahren. Deine Mutter wird sich bestimmt sehr freuen und was meinst du, was wohl dein Vater sagen wird, wenn er dich sieht? Was machst du am liebsten zuhause, worauf freust du dich am meisten?"
Sowas in der Art.
Manchmal habe ich der Dame auch etwas von mir erzählt und sie gab meine Geschichte direkt danach eins zu eins als ihre eigene wieder. Ich habe einfach aufmerksam und interessiert zugehört, nachgehakt usw.

Damals hatte ich den Eindruck, dass diese Vorgehensweise die Dame froh und ruhig gemacht hat. Als wäre das ein ganz normales, natürliches Gespräch ohne dass irgendwas komisch wäre. Sie hat sich in der Situation wohl gefühlt und ich konnte manchmal ihre Stimmung etwas ins Positive lenken.

Es kommt aber auch darauf an, wie weit fortgeschritten die Krankheit ist.
Ihre Tochter hat immer dagegen geredet oder versucht, Dinge richtig zu stellen. Das hat regelmäßig zu Streit und Tränen geführt, weswegen es mir richtig erschien, einfach das Erzählte hinzunehmen und ggf. weiterzuspinnen, um die Traurigkeit zu verscheuchen.
Es gab aber auch Tage, da hat nichts geholfen und die Gedanken kreisten unentwegt um dasselbe Thema. Das war anstrengend für mich, ließ sich aber für mich als Laie nicht ändern. Ich denke, solche Tage gibt es halt einfach - leider.

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Was Du sagst, klingt total schlüssig. Werde es versuchen.

Danke für Deine Antwort.

Mare88

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Mir ist noch was eingefallen: Manchmal haben meine Fragen auch das Gegenteil bewirkt, denn gerade zu Beginn habe ich zu viele Fragen gestellt. Durch die Krankheit konnte sie sich nicht immer erinnern oder wusste keine Antwort mehr, weshalb ich sie damit überfordert habe und sie daraufhin wütend wurde. Ich habe dadurch schnell gelernt, nur wenige einfache Fragen zu stellen, statt mehrere auf einmal oder komplexere. Das ging dann viel besser.

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Hallo,

meine Oma hatte Demenz. Es fing an, dass sie immer verwirrter wurde und lebte zum Schluss auch in der Vergangenheit. Mich hielt sie auch für ihre Tochter. Obwohl sie meine Mutter auch erkannte. Meine Oma hat meine Mutter allein groß gezogen und in ihrem Leben in einer Fabrik gearbeitet. Als sie im Heim war, dachte sie, dass sie in ihrer früheren Fabrik ist. Sie erzählte das auch ganz real. Ich bin dann immer darauf eingestiegen. Ich habe sie in ihrer Welt gelassen, habe zugehört, eventuell Fragen zur damaligen Zeit gestellt. Es gab auch mal kurzzeitig eine Phase an der sie in ihre alte Wohnung wollte. Wir hatten ihr Zimmer mit ihren Möbeln von zuhause eingerichtet. Wenn sie im Aufenthaltsraum davon erzählte nach Hause zu wollen bin ich dann mit ihr in ihr Zimmer. Oder ich bin einfach mit ihr spazieren gegangen um sie abzulenken. Das geht natürlich bei dir am Telefon schlecht. Da fände ich die schon erwähnte Idee gut sie Dinge von früher zu fragen und erzählen zu lassen. Zum Thema Geld: Frage sie doch wofür sie es denn gerade benötigt und ob du ihr was besorgen sollst. Eventuell ein Päckchen schicken. Ich stelle es mir schon schwer vor, dass eine vorher unabhängige und selbständige Frau plötzlich damit klar kommen muss, nicht mehr über finanzielle Mittel selbst entscheiden zu können. Gerade in klaren Momenten wird ihnen bewusst quasi mittellos dazustehen. Meiner Oma ging es ähnlich. Ich habe ihr dann gesagt, dass es ja hier keine Möglichkeit gibt etwas einzukaufen und ich ihr gerne das gewünschte besorge. Irgendwann hat sich dieses Heimweh und auch die Geldthematik von selbst gegeben, als sie längere Zeit dort war und sich an alles gewöhnt hatte.

LG
Michaela

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Man soll in den Schuhen eines Dementen laufen!

Klar weist DU das es das "Zuhause " nicht mehr gibt. Und DU weist das sie nicht mehr mit geld umgehen kann.

Hat sie phasen das sie nachhause zu ihren eltern will, zeig Verständnis und sag du kümmerst dich drum.
Man kann dann nicht sagen, das zuhause gibt es nicht mehr und deine eltern sind tot.

Lass die Dementen in ihrer welt und reiss sie nicht raus ;-).
Sie bekommen sonst angst!

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Hallo,
den Tipp zur validierender Haltung, hast du ja schon bekommen.
Allerdings ist das am Telefon etwas schwierig für Laien.

Du kannst deine Oma auf jeden Fall trösten und ihre Gefühle bestätigen. Sag ihr, dass du ihre Sehnsucht und den Wunsch verstehen kannst.

Auch ist es richtig, ihr momentan kein Geld zu geben.

Ich würde dir, wenn du die Zeit Ressourcen hast, empfehlen einen Vortrag/Fortbildung zu besuchen für Angehörige von Demenzkranken.
Normalerweise wird das im Umkreis ständig angeboten.
Dort kannst du dir ganz viele Umgangsformen und Ratschläge holen.
Auch der Austausch tut gut.

Noch ein Tipp, wenn du solche Telefonate mit deiner Oma hattest, ruf nach einer Stunde nochmal im Wohnbereich an und frag wie es ihr geht.
Es kann sein, dass deine Oma schnell wieder fröhlich war und in einer anderen Stimmung, du dir zu Hause aber noch Gedanken und Sorgen machst.

Leider, kannst du momentan nicht viel tun.
Alles Gute

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Hallo ,

wenn das mit dem Geld für Deine Oma so ein wichtiges Thema ist könntest Du ihr in Absprache mit dem Personal einfach Spielgeld geben . Dann hat sie das Gefühl ihr Bedürfnis wird befriedigt und wird dadurch ruhiger ( das Personal kann das dann ja sammeln und wieder zurück schmuggeln)

Wir haben vor Jahren bei einer Bewohnerin die felsenfest davon überzeugt war , daß sie beim letzten Krannkenhausaufenthalt ein Kind bekommen hat, die ganze Situation damit entspannt , daß sie eine Babypuppe bekommen hat. Und wir haben diese Puppe behandelt wie ein Baby. Die Bewohnerin war damit glücklich und ruhig.

LG

Tina

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Du hast schon sehr gute Tips bekommen, auf Validation hätte ich auch hingewiesen - inwieweit das aber am Telefon klappt, weiß ich nicht. Meine Idee wäre, mal mit den Altenpflegern zu reden, worauf Deine Oma am besten anspricht und wie sie so mit ihr umgehen, wenn sie diese Themen anschneidet.
Im übrigen darf Pflegepersonal eigentlich kein Geld annehmen, mal vielleicht 5 Euro, das schon, aber darüber hinausgehend nicht. So ist es bei uns auf alle Fälle. Vielleicht sollte mal jemand vom Pflegepersonal mit ihr reden, dass sie kein Geld nehmen dürfen. Sie wissen am besten, wann sie das mit ihr besprechen können.
Ich finde es sehr schön von Dir, dass Du Dich um Deine Oma kümmerst.
LG von Moni

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Hi, ich denke, es ist ganz schwierig, hier gutgemeinte Ratschläge zu geben. Meine Mutter (erst 69) ist seit ein paar Jahren dement und sie ist manchmal klar und manchmal nicht. Man unterschätzt sie allerdings leicht, mir ist aufgefallen, dass sie oft die Dinge noch viel besser wahrnimmt, als viele vermuten.Sie hat auch ein sprachliches Problem, daher kommt sie oft verwirrter rüber, als sie ist. Man muss bei ihr gut zwischen den Zeilen 'zuhören' können, um sie zu verstehen. Diese Feinfühligkeit und Geduld bringt leider kaum jemand auf und sie wird oft als unverstanden abgehandelt. Ich könnte mir vorstellen, dass Deine Oma einfach nur zu ihrer Familie möchte, ob ihre Eltern nun noch leben oder nicht, ist da eher zweitrangig. Sie ist depressiv, weil sie sich ihrer Situation bewusster ist als angenommen. .. und natürlich ist es nicht toll, im Heim zu leben. Sicher, einfacher für die Angehörigen ist es allemal, aber Demenzkranke sind bis zu einem gewissen sehr fortgeschrittenen Stadium nicht komplett geistig umnachtet und nehmen sehr wohl wahr, was um sie geschieht und vor allem WIE sie behandelt werden und dass man sie leider oft nicht mehr ernst nimmt und über ihren Willen hinweg entscheidet. Es ist völlig normal, dass Deine Oma depressiv ist. Meine Mutter war jahrelang extrem depressiv, da war ihre Demenz erst im Anfangsstadium, aber es fing schon mit Mitte 60 an und sie konnte es selbst lange nicht akzeptieren. Ich kann sie verstehen, man möchte seinem ärgsten Feind nicht wünschen, plötzlich mit anzusehen, wie das eigene Hirn einen mehr und mehr im Stich lässt. Lange Rede, kurzer Sinn...

die Depressionen könnt Ihr ihr höchstens nehmen, wenn Ihr sie öfter besucht bzw sie zeitweise zu Euch nehmt - hat aber krasse Konsequenzen für Euren Alltag. Ab einem gewissen Stadium wird sie auch einfach weniger wahrnehmen, somit auch weniger depressiv sein.

Geld... naja... Ihr könnt es mit Spielgeld versuchen, aber das bekommt sie eventuell mit und fühlt sich dann nochmal erniedrigt. .. oder es ist euch egal, wenn eben mal 30€ im Monat an Pfleger verteilt werden. Wir als Angehörige haben uns bis jetzt damit geeinigt ,dass wir meiner Mutter noch nicht ihr Portemonnaie wegnehmen wollen, auch wenn manchmal kritisch ist... wurde auch schon manches doppel bezahlt usw... aber solange es nicht finanziell weh tut, lassen wir ihr die vermeintliche Freiheit. Haben ihre Kreditkarte für höhere Zahlungen sperren lassen,,sie kauft aber eh höchstens ein kleines Teil oder mal was zu Essen. Es macht sie glücklich, sich noch irgendwie nützlich und in der Lage zu fühlen, Dinge selbst zu erledigen.

Jeder Demenzkranke ist wie jeder Mensch unterschiedlich, aber das Schlimmste für sie alle ist zu merken, dass sie nicht mehr ernst genommen werden und sich niemand mehr wirklich Zeit für sie nimmt und ihre Probleme nicht ernst nimmt.

Lg