Gewaltdiskussion - wirklich sinnvoll?

Hallo.

Ein schwieriges Thema, dem ich selbst mich versuche zu nähern. Ob meine derzeitige Meinung richtig ist, weiß ich noch nichtmal für mich. Mich würden weitere Meinungen und Begründungen interessieren.

In unterschiedlich Diskussionsbereichen taucht ja immer das Recht auf gewaltlose Behandlung auf. Aber ich frage mich, ob das losgelöst davon, dass ein gewisses Maß an Sensibilisierung immer sinnvoll ist, nicht teilweise sehr übertrieben ist. Ich versuche es mal Beispielhaft in Themenbreiche zu gliedern. Hier können Andere natürlich gerne ergänzen.

Erziehung: Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung.

Total sinnvoll, aber streng genommen fällt da jede "Wenn du jetzt nicht, dann..." - Erpressung drunter, auch jedes Verbringen des Kindes an einen anderen Ort gegen dessen Willen, jedes Anziehen, Anschnallen usw. Auch abgesehen von Gefahrsituationen müssen Kinder doch nicht selten gegen ihren Willen und dabei am Arm gefasst oder strampelnd getragen an einen anderen Ort verbracht werden. Würde ich immer nur versuchen, Konflikte gewaltfrei Kommunikativ zu lösen, hätte ich schon zahlreiche Termine versäumt, hätte mir mehr als einmal in die Hose gemacht oder wäre wohlmöglich noch verhungert.
Diese Diskussion lässt sich ja auch auf den Bereich von Kinderbetreuung, Erziehern etc ausweiten.

Thema Gewalt im Kreißsaal.
Sicherlich gibt es empathieloses Personal, wie auch in anderen Berufen, die besser Fleischereifachverkäufer hätten werden sollen, anstatt am lebenden Objekt zu arbeiten. Aber ist die Diskussion nicht etwas übertrieben, wenn nunmal in manchen Situationen eben auch unter Zeitdruck getan wird, was nötig ist, mit den besten Absichten zur Gesunderhaltung aller Beteiligten?

Polizeigesetz. Ich bin seit einigen Jahren ausser Dienst, aber wenn ich an die letzten Jahre vor dem Kindern denke, hat es in unserem Bereich wahnsinnige Formen angenommen, was alles unter häusliche Gewalt fällt. Da wurden schon Maßnahmen getroffen, wenn im Eifer des Gefechts mal eine Tür knallte, oder einem Partner halt die Fernbedienung entrissen wurde.

Ich will hier nicht den Rahmen sprengen, aber mir kommt es so vor, dass einige einzelne sich einfach massiv zu wichtig nehmen, jeder pocht auf sein Recht und macht es Anderen unter Umständen unmöglich, zu helfen. Wer will denn noch sensible Berufe in der Medizin oder im Bereich Sicherheit wahrnehmen, wenn einem überall nur noch "an die Karre gepisst" wird?

Vielleicht sehe ich da ja auch zu eindimensional. Deshalb interessieren mich andere Ansichten.

LG

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Ich finde die Gewaltdiskussion insofern wichtig, dass man sich bei jeder Gewaltanwendung die Frage stellen sollte oder auch muss, ob die Gewalt auch vermeidbar (gewesen) wäre.
Manchmal ist es das nicht, aber Gewaltanwendung bedarf meiner Ansicht nach der Rechtfertigung.
Wenn ich mein Kind reflexartig fest am Arm packe, um es daran zu hindern, auf die Straße zu rennen, dann war das nicht zu vermeiden.

Wenn ich es genauso am Arm packe, um es, weil unwillig, zum Zähneputzen ins Bad zu schleifen, dann ist das schon vermeidbar. Dass es überhaupt Zähne putzen muss, ist unvermeidbar, weil ich die Verantwortung habe, Karies zu vermeiden, aber das ist in den meisten Fällen gewaltfrei zu bewerkstelligen, und in Ausnahmefällen kann man es auch mal ausfallen lassen.

Ich finde auch Gewalt im Kreissaal zu hinterfragen, ich hab doch zumindest einen Anspruch darauf, dass mir erklärt wird, warum etwas nicht so ging wie ich wollte.

Ich hab vor kurzem mal in alten Diskussionen im Erziehungsforum gestöbert. Erschreckend, wie oft in Diskussionen über Schläge noch vor 12 Jahren geschrieben wurde, es ginge nun mal nicht anders, dabei war es auch da schon seit Jahren verboten.

Doch, ich finde die Diskussion wichtig. Auch wenn man in einigen Fällen mit dem Ergebnis, dass die Gewalt seitens der Polizei, Ärzte, Eltern nicht vermeidbar war, rauskommen wird. Aber doch nicht ungerechtfertigt und unhinterfragt.

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Ich finde die Diskussion um wichtig, um sich selbst zu hinterfragen, seine Einstellung, das eigene Handeln. Um selbst bewusst bleiben, was man tut.

Gewohnheit schleicht sich leicht, schnell ein. Die Hemmschwelle es wieder zu tun, sinkt, je öfter man es tut. Davon nehme ich mich nicht aus. Im Gegenteil, ich merke es an mir sehr deutlich, bei vielen Themen.

Umso wichtiger finde ich es, sich selbst immer wieder bewusst zu machen, was man da tut.

Bei Kindern: mein Kind wird größer. D.h. Gefahren verschieben sich. Meine Handlungen sollten sich entsprechend anpassen.


Nichts ist schwarz weiß und das Grau sollte man immer wieder beleuchten. war es notwendig? Was hat es schlimmeres verhindert? Gibt es Alternativen?

Man muss nicht immer alles "perfekt" machen. Sich selbst ab und zu in den A*** treten, um es nicht an anderen auszulassen, um es den Umständen entsprechend gut zu machen, hilft oft schon weiter.


Das Abstumpfen oder wieder tun, nicht mehr reflektieren
oder gar schlimme Gewalt rechtfertigen, weil es einmal vor vielen Jahren nützlich war (Unfall verhindern) und sich dann gesteigert hat ... habe ich durchaus schon erlebt.

Ziel sollte daher nicht sein, es nie zu tun, sondern sich die Graubereiche anzusehen und sich eben nicht darauf auszuruhen, dass es einmal so war. Jede Situation ist anders.
Leider wird das oft vergessen. Zumindest erlebe ich es häufiger, dass es öfter vergessen wird. Nicht von allen, von einigen. Es ist einfacher nicht umdenken zu müssen. Es scheint einfacher, immer gleich zu handeln. Es scheint .... die Folgen sind jeweils anders.

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Ich meine eher, dass die Entwicklung sich gegensätzlich entwickelt. Es wird immer enger definiert, was bereits Gewalt ist, s wird sich immer kleinkarierter angestellt, sodass man im normalen Alltag oder Berufsleben schon Angst hat, angezeigt zu werden.

Ich weiß nicht, ich empfinde viele Diskussionen als immer verrückter. Ja, man kann der Schulmedizin kritisch ggü stehen. Aber es wird ja alles mögliche bis ins Kleinste kritisiert und unter vermeidbarer Gewalt verbucht. Oder auch Diskussionen über Impfungen, Kaiserschnitte usw. usf. Manchmal denke ich, Laien maßen sich in so vielen Bereichen an, besser entscheiden zu können, als Mediziner, die nunmal jahrelang studiert haben?!

Ich möchte gar nicht sagen, dass im privaten, wie im beruflichen Bereich natürlich Fehler unterlaufen, aber in der Theorie empfinde ich die Diskussionsführung einfach übertrieben, dass fast jedes Anfassen als komplett unangebracht definiert wird.

Ich finde einfach, es wird alles viel zu detailiert, obwohl ja schon alles viel aufgeklärter und selbstbestimmter geworden ist. Aber irgendwo sind nunmal Grenzen erreicht und man kann auch mal sagen, ok, hätte der Doc bestimmt recht. Aber mein, alles wird auf die Goldwaage gelegt und man empfindet sich in seiner körperlichen Integrität beeinträchtigt.

LG

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Das meinte ich auch mit Hemmschwelle und "weil es einmal geholfen hat"

Das Grau wird nicht so wirklich beleuchtet, sondern pauschal in Grau-Definitionen festgelegt. Ist es schwarz genug, ist es weiß genug. Dunkelgrau gilt als schwarz.

Diese Grauzonen: handeln ja, nein, rücken in den Hintergrund.



Eigenversuch: nimm dir eine Tabelle, die dich bei etwas unterstützen soll. Anfangs funktioniert das auch oft ganz gut.
Mit der Zeit werden die Zahlen zur Wichtigkeit. Die Perfektion finden, wo es möglichst wenig Abweichungen geben soll.
Der eigentliche Hintergrund, die Tabelle als Übersicht zu sehen, verschwindet.

Tabellen können sein
- Preisvorstellungen beim Einkaufen
- Gewichtstabellen
- Trinkmengen
- Schrittzahlen
uvm.

Ja, manchmal ist es wichtig und hilfreich die Bereiche abzustecken:wie viel kann ich ausgeben, ohne mir zu schaden? WIe viel sollte ich trinken, damit ich nicht umkippe.

Weil es aber so viele Vergleichsformen und Wichtigkeiten in unserem Alltag gibt, rutschen solche Definitionen immer mehr ins Pauschalisierende. Dieser Bereich ist abgesteckt, "sicher", funktioniert. Nichts ändern ..... es fällt kaum auf, wenn es sich schleichend verändert, ohne dass wir es merken.


Ich bin voll mit Themen, die ich mir Tag für Tag erarbeiten muss oder erhalten sollte.
Wo ich früher zum Fachgeschäft ging, recherchiere ich selbst.
Einiges recherchiere ich mehrmals im Jahr oder in kurzen Jahresabständen.
Das macht meinen Kopf, mein Bewusstsein sooo voll.

Daher greife ich dann auf funktionierende abgesteckte Bereiche zurück.

Und weil ich so vieles recherchiere, recherchiere ich nebenbei auch Menschliches. Das nervt mich selbst. Abschalten ist schwierig.

Dieses meines Verhalten übertrage ich dann auch unbewusst auf andere Bereiche.
Wenn ich den für mich besten Computer recherchiere, der nach 3 Jahren und x updates nicht mehr für meine Zwecke nutzbar ist .... warum dann nicht auch Verhalten ........

mir selbst hilft da oft nur reflektieren:
was will ich, was brauche ich
wie möchte ich sein
wie kann ich das umsetzen

4

Gewalt ist auch ein Stück weit subjektiv. Wenn die Erzieherin in der KiTa etwas strenger sagt: "Jonas, Du hilfst jetzt bitte SOFORT auch beim Aufräumen mit!" dann heult Jonas möglicherweise erstmal los, wenn er sehr sensibel ist. Ihm wurde dann aus seiner Sicht Gewalt angetan, weil Mama zu Hause nie die Stimme erhebt.

Ebenso Gewalt in Ehen, manche brauchen tägliche Auseinandersetzungen anscheinend, während andere sofort ihren Partner verlassen, wenn das erste Schimpfwort geflogen kommt.

Was übrigens bei der Aufzählung fehlt ist Gewalt im Job. Da muss man nicht erst mit Mobbing oder Bossing kommen, auch der Bürotratsch kann eine Form von Gewalt sein.

5

Genau das meine ich doch.

In solchen Diskussionen wird ja gefordert, bzw geht es ja immer mehr dahin, entsprechende Rechtsnormen zu etablieren.

Bleiben wir also beim Beispiel sensibler Jonas. Wenn nun eine Mutter das Verhalten der Erzieherin als Gewalt empfindet und das tatsächlich ahnbar wäre ist das doch katastrophal? Wo soll das hinführen?

Und ja, genau dieses übertriebene Empfinden finde ich bedenklich. Bzw wenn anerzogen und suggeriert wird, dass man dagegen dann vorgehen sollte.

Natürlich fühle ich mich auch mal per Definitionem gewalttätig behandelt, aber dieses öffentliche extreme sensibilisieren dahingehend, dass das Gegenüber das nicht durfte, wird übertrieben, finde ich. Also gerade im Bereich Beruf.

Aber auch im Bereich Erziehung. Wenn uns (Polizei) verzogene Teenager gerufen haben, weil Mama mal etwas konsequenter war, dann bin ich doch ratlos, was ich da denken soll.

Genau da denke ich, kann man als -engstirnig betrachtet- Geschädigter auch mal sagen "Mensch, der Doc/der Erzieher wollte für mich/mein Kind einfach das Beste. Dafür musste er mir halt nen Dammschnitt verpassen/mein Kind gegen seinen Willen wegtragen und es aus der Situation zu bringen."

7

Das ist mal eine interessante Diskussion! #danke

Ich sehe es ähnlich wie die TE - "die Leute" werden immer empfindlicher und erst neulich hat mich ein Kommunionkind (Drittklässler) angemault, weil ich ihm in die Jacke geholfen habe: "Du darfst mich nicht anfassen, dafür kann ich dich anzeigen!"

Gerade dieses Kind war während der Vorbereitungswochen ein schönes Beispiel dafür, was mehr und mehr schiefläuft: "Du bist aber ganz schön dick!" war einer seiner ersten Sätze, da wusste es noch nicht einmal meinen Namen.

Wenn ich es dann aber zur Ordnung gerufen habe (Mein Haus, mein Tisch, meine Regeln!), weil es sich plötzlich Richtung Küche aufgemacht hat, um einen Keks zu klauen oder weil es unbedingt mal sehen wollte, wie unser Keller aussieht, war es eingeschnappt.

Auf der einen Seite eine Mimose, die ihre Rechte ganz genau kennt - auf der anderen Seite rotzfrech und respektlos.

Solche Kinder werden irgendwann groß und empfinden es dann vermutlich schon als Gewalt, wenn sie in der Bäckerei anstehen müssen ("Hey, ich bin jetzt dran!") oder wenn man ihnen Blut abnehmen will ("Du darfst mich nicht stechen, das ist Körperverletzung!").

Was man dagegen tun kann, weiß ich allerdings nicht.

Schönen Feierabend
wünscht die Bunte

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Hallo,

Mir fällt hier das Lied von Gunther Gabriel ein: ES WAR NICHT ALLES SCHLECHT WAS FRÜHER EINMAL GUT WAR.

Das soll nun nicht heißen dass ich es gut finde Kinder zu schlagen oder so etwas.
Das Problem ist dass man in vielen Bereichen und gerade im sozialen nichts mehr darf, weder als Eltern noch als Lehrer oder Pflegekraft usw.
Kleinigkeiten werden zu einer Staatsaffäre.

Ein anderes Problem ist die Auslegung. Der eine sagt: Das ist Gewalt.
Der andere sagt: Es ist keine Gewalt.
Und mit sowas befassen sich dann sogar Gerichte.

Eine Lösung habe ich leider nicht.

Gruß Birgit

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Ich finde, in einem Rechsstaat *ist* das die Lösung, dass sich auch Gerichte damit befassen. Wer soll denn sonst entscheiden, ob etwas Gewalt war, der Täter etwa?
Wenn irgendwas wirklich Popelkram war, wird einem schon der eigene Anwalt raten, es besser gut sein zu lassen, weil man keinen Erfolg haben wird.

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Die Wurzel von Gewalt ist mangelndes Kommunikationsvermögen und gelernte Hilflosigkeit anders zu reagieren.
Es ist eine defizitäre Entwicklung der Betroffenen auf mehreren Ebenen.

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Ich finde es gut wenn das Thema sensibilisiert wird. Die Dunkelziffer ist gerade was Gewalt an Kinder betrifft enorm hoch! Da besteht nach wie vor großer Aufklärungsbedarf und ich meine damit nicht einen Klaps auf die Finger! Statistik gesehen, ohne Dunkelziffer sterben 3 Kinder pro Woche an häuslicher Gewalt. Bei Gewalt an Frauen und Unterdrückung in der Partnerschaft sieht es sicher ähnlich aus... Es gibt auch psychische Gewalt, die teilweise sehr schwer erkennbar ist.

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Ich finde du hast Recht.
Alles wird in Watte gepackt, man kann nirgends etwas sagen oder machen weil die Leute sich gleich angegriffen fühlen. Jeder will nur getätschelt werden.
Völlig daneben find ich auch, dass die Eltern erwarten, die Kinder sollen in der Kita/Schule "erzogen" wegen und gleichwohl gibt es Ärger für die Lehrer wenn sie mal konsequent oder fordernder sind.
Früher war nicht alles besser aber es war besser dass Kinder vor Erwachsenen Respekt hatten, dass Erwachsene Kinder zurechtweisen konnten wenn sie Blödsinn gemacht haben.
Heute gäbe es Ärger von der Mutter warum man sich einmischt und die Kreativität des Kindes nicht fördert....