Ich bin Albanerin! - Bin ich das?!

Ich ging zu meiner Mutter und fragte sie, was ich überhaupt bin. Ein Mensch, das war klar. "Und du bist Albanerin! Genau so wie wir!"

Ach, bin ich das wirklich?

-
Zu mir:
Ich bin weiblich, 19 Jahre alt.
Ich bin hier in Deutschland geboren;
Spreche deutsch, denke deutsch und träume deutsch. Ich bin zufrieden mit meinem Leben, habe eine tolle Familie, Freunde.

Meine Eltern stammen aus Albanien und leben hier schon seit vielen Jahren.

Jedes Jahr, wenn wir in den Ferien in die Heimat fliegen, belastet mich ein Gedanke:
Wer bin ich? Wieso bin ich hier? Was habe ich hier verdammt nochmal zu suchen? Das Leben, Die Menschen, einfach alles ist anders dort.
Ich fühle mich fremd und missverstanden. Das ist ein ziemlich erdrückendes Gefühl, was man vermutlich nur versteht, wenn man das selbst mal durchgemacht hat. Nun kommen wir zu meinem größten Problem: die Tradition.
Ich bin neugierig und will viel von meiner Herkunft wissen, dabei bin ich auf einige Sachen gestoßen, die mich verstummen lassen. Viele Traditionen kann und will ich einfach nicht verstehen.
Meinen Eltern ist die Tradition jedoch ziemlich wichtig, vorallem was Männer angeht. Sie erwarten zum Beispiel von mir, dass ich später mal einen Albaner heiraten werde. Ja, ich habe einige Albaner kennengelernt: um es mal kurz und knapp auszudrücken: Arschlöcher.
Es hat von vorne bis hinten nicht gepasst.
Mein albanisch ist nicht gerade das Beste, sodass ich mir schon oft blöde Kommentare anhören musste, ich sei doch keine richtige Albanerin und ich solle mich doch was schämen.
Wie soll meine Zukunft später mal aussehen? Wie soll ich mich mit all dem anfreunden? Natürlich gibt es nicht nur negatives, ich bin ansonsten gerne drüben.
Ich nenne es eine ganz spezielle Form von Kulturenkonfilk. Ich weiß einfach nicht wer ich bin und das schlimmste ist: ich weiß ebenso nicht wer ich später mal sein möchte.

Wieso ich das hier schreibe? In der Hoffnung jemand von euch kennt dieses Gefühl und mag seine Erfahrungen berichten. Oder möchte einfach gerne seine Meinung abgeben.

P.s.: ich bin kritikfähig, scheut euch also nicht ehrlich zu sein.
Lg, xpelicanx

2

Ich denke ich würde das nicht so absolut sehen. Du bist Albanerin, bist jedoch auch Deutsche. Es wird wahrscheinlich immer dann schwierig, wenn du versuchst nur eins sein zu wollen und das andere gänzlich ablehnst.

Meine Mutter ist Polin. Mein Vater Deutscher. Wir fuhren früher auch immer zu unserer Verwandtschaft nach Polen und die leben natürlich anders. Manche polnische Traditionen haben wir auch in unserer Familie, andere finde ich befremdlich. Ebenso machen wir es nun auch in meiner eigenen Familie. Mein Mann ist Däne und wir tauschen uns lustig mit unseren Traditionen aus.

Guck einfach was du an Gutem übernehmen willst und den Rest darfst du ruhig ablehnen. Was die Partnerwahl angeht kann ich nur sagen, meine Mama hätte gern gehabt, dass ich einen Polen heirate, als ich dann jedoch mit meinem Lars ankam war es nach der ersten Verwunderung auch okay.

Du klingst für mich nicht so, als wärst du jemand der seine große Liebe ablehnen würde, weil er Deutscher/Türke/Russe/usw. ist. So oder so wirst du wahrscheinlich den Konflikt eingehen müssen.

1

Ich kenne das Problem nicht persönlich, aber ich denke, du bist damit nicht allein. Aber ersteinmal Hut ab. Du bist sehr selbstreflektiert und machst dir Gedanken, die sich vielleicht viel mehr Leute mal machen sollten, die schon viel älter sind und schon wer weiß wie lange hier leben.
ICh bin der Überzeugung, dass es völlig egal ist, welche Nationalität im Pass steht. Wichtig ist, wie man sich fühlt. Und wenn du dich mehr "deutsch" fühlst, bist du es wohl auch. Das hat aber nichts damit zu tun, dass du mit deiner Herkunft brichst. Und von dir zu erwarten, dass du mal einen Albaner heiratest, nur weil deine Familie von dort stammt, ist völlig daneben. Deine Eltern sollten sich lieber wünschen, dass du einen Mann heiratest, der dich liebt und mit dem du glücklich bist. Frag dich doch mal, was man über eine deutsche Familie sagen würde, die einer Tochter nur einen deutschen Mann erlauben würde...richtig, dann kommt wieder das böse Wort mit "N"...

Sprich mit deinen Eltern mal darüber. Sie lieben dich und sollten das auch verstehen.
Ich würde bei meinem zukünftigen Schwiegersohn jedenfalls nicht als erstes in den Pass sehen...
Lg Lyra

3

Hallo,

Ich glaube diese Identitätskrise die du durchmachst machen sehr viele junge Menschen in deinem Alter durch und haben ihren Platz einfach noch nicht gefunden, wissen nicht wo der Weg lang führen soll...
Das macht nichts... Du hast Zeit das alles herauszufinden.

Dazu kommt eben noch der kulturelle Konflikt. Du machst aber den Eindruck als wüsstest du hierbei genau was du möchtest und was nicht.
Dies wird dich noch in viele schwierige lagen gegenüber deiner Familie bringen, aber bleib dabei.
Deine albanische Seite solltest du dabei nicht gänzlich ablehnen, diese gehört zu dir und wird immer Teil von dir sein. Aber wenn du dich mehr deutsch fühlst vom denken her, dann ist das so.
Und wo später die Liebe bei dir hinfällt weiß keiner, lass dir da nicht reinreden.

LG

4

Ich glaube, das, was du erlebst, ist so ein "normaler Migrationskonflikt".

Deine Eltern sind Albanien noch näher (ich vermute mal dort geboren, sprechen vermutlich noch akzentfrei Albanisch).

Du bist praktisch deutsch und albanisch sozialisiert, wobei du manche Aspekte vermutlich nicht kennst (albanische Schule etc). Du fühlst dich in Deutschland ja eigentlich wohl (höre ich so raus) und bist daher in der Lage, die beiden Kulturen zu vergleichen und kommst auch nicht in einen "Loyalitätskonflikt", dass du alles albanische besser finden musst.

Wenn du nun einen Deutschen heiratest, wirst du dich vermutlich von deiner Herkunftskultur noch weiter ablösen, da ihr vermutlich dann auch mal nach Spanien in Urlaub fahrt, er deine zweite Sprache nicht spricht ... deine Kinder sind also dann fast vollständig assimliert. Vermutlich werden deine Kids dann auch keine typisch albanische Namen mehr haben.

So läuft das zumindest bei meinen Freunden, die Migrationshintergrund haben. Du bist eben die "Generation dazwischen" und mit dem nicht alleine.

GLG
Miss Mary

5

Hallo
xpelicanx

Ich kann mir vorstellen wie du dich fühlst, tut mir echt leid.
Sicher haben diese Gedanken viele. Ich hatte auch schon so ne Identitätskrise, bei mir ne andere Geschichte, hab keinen Migrationshintergrund.
Tut jetzt nichts zur SAche.

Lass dir nicht dieses "schwarz-weiß-Gerede" gefallen.
Ich finde es zum Beispiel ätzend und sehr inkonsequent, dass du in Deutschland groß geworden bist, kaum Bezug zu Albanien und der Sprache hast, sowie zu den Traditionen, aber schließlich am Ende komische Kommentare kommen, du seist ja gar keine richtige Albanerin, solltest dich schämen (??!!!) und darfst nur einen albanischen Mann auswählen.
Entschuldige, aber ein bisschen sauer wäre ich da schon, immerhin haben deine Eltern ja entschieden dich in Deutschland groß zu ziehen, wofür sollst DU dich also schämen, SIE trifft ja die Schuld, dich nicht mehr zu einer Albanerin gemacht zu haben!
Das sind so meine Gedanken dazu.
Sei mir bitte nicht böse.

6

Hallo @black.papillon,
Vielen Dank für deinen Beitrag.
Natürlich bin ich dir nicht böse, im Gegenteil es tut gut mal endlich verstanden zu werden.
Ja ich spreche zwar albanisch, dies aber nicht soooo gut und habe teilweise mit der Aussprache so meine Problemchen. Mittlerweile versuche ich blöde Bemerkungen einfach zu ignorieren.
Ich behaupte mal, dass Albaner ziemlich patriotisch eingestellt sind und da nicht so tolerant denken und handeln. Zurzeit schreckt mich das alles einfach nur ab. Meine ältere Schwester hingegen kommt ziemlich gut damit klar, ist auch mit einem Albaner zusammen und freundet sich immer mehr mit dieser Kultur an. Bei uns ist es so, dass der jüngste Sohn in der Familie mit den Eltern später zusammenleben muss. Ein Leben mit den Schwiegereltern. Unter einem Dach. Ich als 'nuse' (auf albanisch: Braut) darf mich dann schön um den Haushalt kümmern. Bitte nicht falsch verstehen, natürlich denke ich nicht, dass ich mir zu fein bin mich um alte Menschen zu kümmern, aber so ein Leben kann ich mir einfach nicht vorstellen. So wurde ich nicht erzogen.

Lg

9

Hallo,

eins verstehe ich nicht. Wenn deine Eltern doch so patriotisch sind und so viel wert auf die albanische Kultur legen, warum haben sie dich dann nicht so erzogen und dir die Sprache richtig beigebracht?

Das würde ich sie fragen, wenn sie es strange finden, wenn du keinen Albaner heiraten willst.

Meine Kultur und Religion ist mir total wichtig, deshalb rede ich mit meinen Kids nur auf meiner Muttersprache und bete jeden Tag mit Ihnen und erzähle ihnen viel aus dem koran. Man muss schon etwas dafür tun, damit die Kinder sich später mal mit der Kultur identifizieren können.

Einfach nix tun und sich dann wundern, dass sich das Kind eher deutsch fühlt, funktioniert halt nicht.

weitere Kommentare laden
7

Moin!

Ich war diesen Sommer in Albanien im Urlaub - hab aber keinerlei Bezug zu dem Land - bin da rumgereist und war total positiv überrascht :-D

Aber gut, darum geht's ja nicht...

Ein Stück weit haben diesen Konflikt wohl alle Migranten. Oft leben die Eltern noch nach der Tradition aus der alten Heimat, manchmal sind sie damit sogar altmodischer als ihre Landsleute, die sich während der Abwesenheit ja auch entwickeln.
Die Kinder lernen die Sprache des neuen Landes mühelos und kommen viel schneller rein.

Ich würde immer sagen: Pick dir die Rosinen aus beiden Ländern raus! Zweisprachigkeit und echten Bezug zur Kultur ist doch nicht schlecht. Andererseits musst du dort ja nicht mehr machen als du möchtest - und erst gar keinen Mann aufgrund seiner Nationalität heiraten...das sollte man eh nicht tun.

Versuche deinen Eltern zu erklären, dass durch IHRE Entscheidung der Auswanderung die Situation genau so ist wie sie ist und du zufrieden hier bist. Sie können ja in der Rente zurück gehen... das ist ihre Entscheidung.

Bitte sie darum, dir aber nicht Probleme dort zu machen, wo keine sind.

LG
Nele

8

Hallo :)

Ich kann das auch ein Stück weit nachvollziehen. Ich bin in Polen geboren, kam aber bereits mit 8 Monaten nach Deutschland.
Trotzdem wurden wir eher "polnisch sozialisiert". Wir waren in der Kindheit auch mind. 3x im Jahr zu Besuch bei der Familie. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich eher polnisch gefühlt.

Je älter ich wurde, umso mehr geriet das Polnische in den Hintergrund. Ich verlernte die Sprache, also zumindest das Sprechen fällt mir sehr schwer. Verstehen kann ich alles. Und durch das eigene Leben hat man auch den Draht zur "alten Heimat" etwas verloren.

Nichtsdestotrotz bin ich gerne dort, aber wohl eher weil es schöne Kindheitserinnerungen weckt. Wirklich zuhause fühle ich mich mittlerweile eher in Deutschland.

Aber wie es oben schon schön gesagt wurde, picke ich mir aus beiden Kulturen die Rosinen raus :)

Ich bin derzeit mit dem 1. Kind schwanger und möchte meinem Kind schon die polnische Kultur näher bringen. Meine Eltern werden dazu beitragen.

Aber in erster Linie bin ich ein Mensch :)

Eine Sache noch. Tradition hin oder her. Auch wenn es nicht leicht zu vermitteln ist, aber in erster Linie bin ich mit dem Menschen zusammen, den ich liebe egal welcher Herkunft.

Ich bin mit einem deutschen Mann zusammen und ab nächsten Monat verheiratet :) Und er war bisher meine beste Wahl :D Und auch die Letzte.

Meine Schwester ist mit einem Polen verheiratet. Und eher unglücklich. Aber das liegt wohl eher an seinem Charakter. Aber sie hat so typisch polnische Schwiegereltern. Immer involviert, teilweise auch sehr übergriffig. Das ist etwas, was ich an polnischen Eltern sehr anstrengend finde. Sie können sehr schwer akzeptieren, dass du erwachsen bist :) Und da habe ich mit meinen Eltern schon genug zu tun. Noch eine Portion als Schwiegereltern obendrauf? Danke, nein #rofl

Trifft natürlich nicht auf alle zu, aber in meinem Familien-und Bekanntenkreis kenne ich bisher niemanden, wo es nicht so läuft :)

Schönen Abend noch #winke

12

Hallo,
Also erstmal will ich noch schnell loswerden:
Glückwunsch zur Schwangerschaft und zur fast-Hochzeit :p
Danke für deine Worte.
Das mit den anstrengenden Eltern kenne ich nur zu gut.

Hatten deine Eltern nie was dagegen, dass dein Mann nicht polnisch ist?

Liebe Grüße

10

Hallo,

als ich so alt war wie du, sagte mir meine Mutter, dass es in ihrem Leben die blödeste Zeit war. Bei mir war es genauso.

Man muss keine fremde Nationalität haben, um sich mit 19 zu fragen - wer bin ich denn ?

Wirklich. Bei mir war in dem Alter - glaube ich denn an Gott, nur weil es meine Eltern tun? Glaube ich wirklich ? Glaube ich das, was mir die Kirche erzählt ?

Ich bin über sehr intensiv Studium dazugekommen, um zu verstehen, wer ich bin.

Bei Dir ist es deine Herkunft.

Ich finde es wichtig, dass du Dich mit den Aussagen deiner Eltern auseinandersetzen kannst und dass du feststellst, was du nicht sein willst/ nicht bist.

Ich habe einige Themen bei denen ich mich durchbeißen musste.

Es ist bitter. Es ist anstrengend. Es ist aber bitter notwendig.

#liebdrueck

14

Hallo,

es haben sich ja schon einige gemeldet und ich kann dem nur zustimmen, viele Menschen sind von einem ähnlichen Konflikt betroffen. Ich bin von der Nationalität her das, was in meinem Pass steht... habe vor langer Zeit aufgehört, mir weitere Gedanken darüber zu machen. Mit dem Herkunftsland meiner Mutter verbindet mich fast nichts mehr, war auch schon lange nicht mehr da. Als ich Kind war, haben wir sogar einige Zeit dort gelebt, trotzdem kann ich auch die Sprache fast gar nicht (ich ging dort auf eine internationale Schule, wo auf Englisch unterrichtet wurde).

Gedanken können sich die Eltern ja viele machen, bislang habe ich davon abgesehen zu heiraten... so kann's auch gehen... Mit 19 bist Du erwachsen, lebe Dein Leben nach Deinen Vorstellungen, damit Du mit Dir selbst im Reinen bist, mehr kann ich Dir nicht raten.

Viele Grüße
H.