Der Alltag mit Zöliakie. Fragen über Fragen. Sorry, lang.

Hallo,
mir schwirren die Gedanken. Bei der Blutuntersuchung von meinem Sohn (8) sollten eigentlich nur die Schilddrüsenwerte kontrolliert werden. Herausgekommen ist ein lt. Arzt "besorgniserregend hoher Zöliakie-Wert" (er ist höher wie 128, was auch immer das bedeutet). Als nächstes steht jetzt eine Dünndarm-Biopsie an. Dann sind wir schlauer. Und erst wenn das Ergebnis da ist, bekommen wir detailierte Infos zur Ernährung vom Arzt.
Mein Kopf rattert und rattert.
Was kommt da auf uns zu?
Wie kriegen wir die Diät in ihn rein, wo er doch eh schon ein dermaßen mäkeliger Esser ist. Obst, Gemüse isst er gar nicht. Brot nur Weizen-Toast oder Weißbrötchen, alternativ mal ein Stück Hefezopf. Kartoffeln, nein. Nudeln gerne.
Er zeigt bisher keine Symptome, außer dass er ein Fliegengewicht ist.
Müssen wir trotzdem alles strikt trennen? Z.B. einen eigenen Toaster für ihn?
Wie laufen zukünftig Kindergeburtstage ab? Bringt er dann seinen eigenen Kuchen mit? Oder ist es nicht so schlimm, wenn er doch mal ein Stück "normalen" Kuchen isst, da er auch bisher nicht spürbar darauf reagiert.
Sollten wir als Familie komplett auf glutenfreie Ernährung umstellen, um ihm eine gewisse Normalität zu geben? Oder koche ich zukünftig doppelt und dreifach, da sein Bruder beim Essen auch sehr wählerisch ist.
Können wir zukünftig noch im Restaurant, auf dem Straßenfest essen gehen, bei Vereinsveranstaltungen mit ihm was essen? Oder mal eben zu McDonalds o.ä.?
Wie erkläre ich ihm das alles? Zunächst sagen wir ihm noch nichts, da wir vermutlich mehrere Wochen auf den Biopsie-Termin warten müssen. Das wird dann erst einige Tage vorher ein Thema. Bei allem was er heute gegessen hat, ertappe ich mich bei dem Gedanken, dass er es nochmal genießen soll. Bald darf er das alles nicht mehr essen. Lebenslang nicht.
Ich versuche mir den ganzen Tag schon vor Augen zu halten, dass es in der heutigen Zeit weitaus schlimmere Diagnosen geben kann. Aber mich überfordert das gerade völlig.
Im ersten Schock habe ich es meiner Kollegin erzählt. Reaktion von ihr war, dass sie mir von einer Bekannten erzählt hat, deren Kind auch Zöliakie hat und deren Leben seitdem ja kein wirklich lebenswertes Leben mehr ist. Sensibel wie ein Holzklotz.#klatsch
Vielleicht könnt Ihr mir ja ein bißchen aus Eurem Alltag erzählen. Oder mir auch Tipps geben, was ich bedenken muss, was ich die Ärzte noch fragen muss etc.
Geschockte Grüße, Maya.

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Hallo,

Bei uns ist mein Mann betroffen. Raus kam es allerdings erst im Erwachsenenalter. Er ist auch sehr schlank. Das hat sich nie geändert. Seit dem wir wissen, woher die Probleme kommen, sind wir beide vollkommen glutenfrei. In unserem Haushalt gibt es nichts mit Gluten. Wenn es bei deinem Sohn zutrifft, dann bleibt leider nur ein totales Weglassen von allen glutenhaltigen Lebensmitteln. Auch keine Ausnahmen. Bei Restaurantbesuchen solltet ihr dann immer vorher sagen, dass euer Sohn Zöliakie hat und Gluten nicht essen darf. Einfacher ist es allerdings wirklich, wenn man selber kocht.

Bei Kindergeburtstagen wird es wirklich so sein, dass ihr entweder was mitgebt oder die Familie vom Geburtstagskind was besorgt oder bäckt. Einfacher ist es aber immer, wenn man selbst was mitbringt, denn das weiß man was wirklich drin ist.

Problematisch sind leider Sachen, wo man es gar nicht vermutet, weil man oft die Inhaltsstoffe nicht liest. Z.B. Gewürze, Fertiggerichte, Süßes...
Deinem Sohn würde ich, wenn es sich bestätigt, erklären, dass sein Körper auf viele Getreidesorten reagiert und das Probleme macht.

Ich kann deinen Gedankengang schon verstehen (er soll es noch genießen), aber es gibt heutzutage so leckere Sachen und Rezepte, da würde man gar nicht glauben, dass sie glutenfrei sind. Es gibt unzählige Blogs, die leckere Rezepte online stellen. Und um ehrlich zu sein, wir vermissen nichts. Im Gegenteil. Unser "Essenshorizont" hat sich erweitert. Wir essen viel abwechslungsreicher als früher. Statt Weizennudeln gibt es z.B. Kartoffeln, Süßkartoffeln, Quinoa, "Blumenkohlreis", Reis, Hirse, Buchweizen, Kichererbsen. Nudeln gibt es, genauso wie Brot, auch glutenfrei. Auch da sind die angebotenen Sachen viel besser, als noch vor Jahren.

Beim Kochen würde ich nicht doppelt und dreifach kochen. Wenn es nur um die Nudeln geht, dann einfach eine Portion glutenfreies Nudeln separat kochen und nicht alles zusammen rühren. Fertig.

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Einen Blog, den ich sehr mag ist www.freiknuspern.de

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Liebe Maya,
ich hab dir eine PN geschrieben.

LG, urmelli

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Guten Morgen Maya,

bei unserem Sohn (7 J.) wurde vor zwei Jahren ebenfalls durch Zufall Zöliakie diagnostiziert. Er zeigte ebenfalls kaum Symptome.

Unser Sohn ist so ein kleiner Korrekter ;-) und das zeigt sich auch bei seiner Zöliakie. Er hat es sofort akzeptiert und angenommen. Klar gibt es immer wieder Momente, in denen er traurig ist und dann blutet mir das Herz. Aber im Großen und Ganzen macht er es super.

Mein erster Schritt nach der Biopsie war: Küche putzen. Ich habe alles gründlich gereinigt. Die Schränke unterteilt und ziemlich schnell das Weizenmehl aus der Küche verbannt. Toaster, Sandwichmaker, Mixer haben wir alles nochmal angeschafft und diese werden nur für glutenfreie Produkte genutzt.

Wir essen nun alle größtenteils glutenfrei. Lediglich mit dem Brot können wir uns nicht recht anfreunden (es sei denn ich backe selber) und daher trennen wir das.

Beachte, das Nutellagläser, Marmeladengläser, Margarine, Butter etc. getrennt werden müssen, damit Kontaminierung ausgeschlossen ist.

Wir leben in einem kleinem Dorf. Die nächste größere Stadt ist 50 km entfernt. Dort gibt es sogar Vapiano mit gf Pizza. Ansonsten sind wir was Essen gehen angeht sehr eingeschränkt. Aber einige Restaurants verstehen schon damit umzugehen. Problematisch ist oft die Kontaminierung mit den Fritteusen. Daher kann unser Sohn oft keine Pommes essen.

MC Donalds muss man genau erfragen. Die Pommes und z. B. Curly Fries sind glutenfrei - hier steht aber wieder das Problem mit der Fritteuse an. Sobald sie dort auch andere gh Dinge reinwerfen, gehen auch da keine Pommes.

Ich weiß genau, wie Du Dich nun fühlst. Ich hab einige Tränchen vergossen und auch jetzt bin ich manchmal sehr traurig, weil so alltägliche Dinge nicht mehr funktionieren. Gerade als Mutter ist man doch auch sehr involviert, da ich ständig die Dinge backe und nachkoche, die es woanders gibt. Er soll ja nicht ständig zusehen. Aber die Hauptsache ist, das Dein Sohn merkt, das es wichtig für ihn ist. Es gibt von "Sendung der Maus" eine tolle Folge zum Thema Zöliakie. Auch wenn es nichts mehr für sein Alter ist.... die Folge beschreibt Zöliakie perfekt und ist kindgerecht erklärt.

Ach ich könnte noch ganz viel schreiben. Du kannst mir jederzeit eine PN mit Fragen schicken. Ich musste auch so viel lernen.

Ganz liebe Grüße und Ihr packt das!!!!
Sandra

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Hallo Maya,

sorry, ich habe Deinen Thread erst heute entdeckt. Bei meinem 5 jährigen Sohn hat vor ca. 5 Wochen die Dünndarmbiopsie den Verdacht der Zöliakie bestätigt. Ich bin allerdings Ernährungswissenschaftlerin... daher habe ich einen Wissensvorsprung gehabt, stand mit der Umstellung aber auch genau wie Andere am Anfang.

Unser Sohn ist sehr vernünftig. Er hat das total gut begriffen, ich hab es ihm kindgerecht ohne Bücher erklärt. Er fragt außer Haus immer nach, ob er das essen darf. Natürlich hatte er Verluste zu ertragen, aber nach und nach findet man Ersatz. Man muss auch einiges ausprobieren, was schmeckt oder was nicht.

Ist die Diagnose sicher, empfehle ich Dir eine Mitgliedschaft bei der Deutschen Zöliakie Gesellschaft (DZG). Von der DZG gibt es eine App, wo man schnell Lebensmittel und Arzneimittel nachschauen kann. Auch bei Facebook gibt es gute Gruppen (Zöliakie Austausch und eine speziell für Eltern). Dort findest Du massig Infos.

Bei uns wurde nach dem Mitteilen des Ergebnisses eine Ernährungsberatung angeboten. Ich nahm sie wahr, da ich nicht in der Beratung tätig bin und nicht auf dem neuesten Stand. Die Dame sagte mir, es stehen uns insgesamt 5 Beratungen zu, die die Kasse bezahlt. So kann man auch noch mal nach z.B. 2-5 Jahren eine machen, um sich noch mal zu informieren.

Nach der Beratung war ich auch ziemlich gepuzzelt. Es muss wirklich extrem streng auf Kontaminationen geachtet werden. Das war mir vorher so nicht bewusst. Mein Mann lässt sich jetzt ebenfalls testen (Biopsie), es ist vor allem in erster Linie vererbbar. Wir haben nicht komplett umgestellt. Klar, für so Sachen wie Nudeln, Lasagne, Pizza... wird es für alle glutenfrei geben. Unser Sohn hat seine eigene Margarine und sein eigenes Nutellaglas. Im Kindergarten hat er eine Box mit trockenen Sachen (Zwieback, Knäcke, kleine abgepackte Kuchen/Muffins, Cracker). Für das Mittagessen wurde eine Lösung über einen Caterer gefunden, der für ihn ein glutenfreies Essen jeden Tag liefert.

Aller Anfang ist schwer :). Man muss sich da reinfummeln. Aber: es gibt schlimmeres! Kinder kommen teilweise besser damit klar als Erwachsene. Und ja: zu Hause ist es gut händelbar, die Schwierigkeit liegt außer Haus (Geburtstage/Ausflüge/Klassenfahrten/Besuch bei Freunden). Das ist etwas Organisation. Aber ich finde, man ist da schnell drin. Eben weil es das eigene Kind ist und man dafür doch alles tut, damit er in nix Nachsehen hat. Ein Punkt sind übrigens auch Stifte/Knete und son Zeug.

Und Du wirst sehen, wenn Du mal nach Gruppen suchst, dass es echt viele Betroffene gibt. Selbst in der Sportgruppe meines Sohnes von insgesamt 16 Kindern ist ein weiterer Junge mit Zöliakie.

Alles Gute! Kannst Dich natürlich auch gern bei mir melden, wenn Du Fragen hast :).

laminka