Wie werde ich abgebrühter was sozial-schwache Familienschicksale angeh

t?

Aufgrund meines Jobs bekomme ich sehr viel mit was die "Abgründe" mancher Menschen aufzeigt.
Ich bekomme medizinische Berichte in die Hände,besonders alles das was die Psyche angeht ist manchmal wirklich nicht mehr lustig und ich bekomme hautnah mit wie Drogen- oder Alkoholtests etc. gemacht werden. Manchmal berühren mich die Schicksale gerade von jungen Müttern sehr. Vielleicht weil ich selbst eine bin. ZB. gerade mal 20 Jahre alt, sozial sehr schwach, ein Kind (das schon aus der Familie genommen wurde oder noch wird), keine Ausbildung, keine familiäre Unterstützung, stehen kurz davor die Wohnung zu verlieren, jahrelange Drogenproblematik, Depressionen, Borderline, Suizidversuche, zahlreiche abgebrochene Entwöhnungsbehandlungen, von der Umwelt eigentlich schon abgeschrieben, usw.

Eigentlich sollte ich damit professionell umgehen können. Aber mich machen solche Geschichten immer wieder auf´s Neue traurig. Diese Frauen verbauen sich ihr Leben so komplett, erschweren ihren Kindern den Start ins Leben enorm. Ich möchte mir eigentlich nicht vorstellen was die Kinder daheim mitmachen müssen oder mussten, auch diese tun mir unheimlich Leid.

Wie bekomme ich mein Mitleid und meine traurigen Gedanken in den Griff?

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Hallo Amicelli,

wie bist Du denn zu diesem Job gekommen?
Ich war einige Jahre in der Flüchtlingsberatung ehrenamtlich tätig und habe einige "heftige" Schicksale mit erlebt und die Menschen mit begleitet.

Ich bin seit Jahren mit Menschen in Berührung, die psychisch krank sind, die Gewaltopfer (teilweise massiver Gewalt) sind/waren, die schwer geschädigt wurden, traumatisiert sind usw.

Demnächst werde ich in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung anfangen und weiter mit ähnlichen Schicksalen in Berührung kommen.

Was mir hilft ist, dass ich -wenn ich mit den Menschen zusammenarbeite- mich in dem Moment 100% auf mein Gegenüber einlasse. Wenn ich gehe, mache ich aber die Türe hinter mir zu.

Es gab einen Fall, der mich auch zuhause erschüttert hat. Da gab es eine junge Frau, die als Kindersoldatin versklavt worden war und so misshandelt, dass sie an den Folgen hätte sterben können.
Als ich den Bericht las, hat es mir fast die Luft genommen.

Ich musste dann bewusst aus der Situation "aussteigen" (nicht aus der Begleitung, aber ich musste meinen Kopf wieder frei bekommen).

Hast Du irgendwelche Techniken, die Dich unterstützen, dass Du wieder "zu Dir" kommst?

Ich meditiere und fahre viel mit dem Fahrrad.

Allgemein kann ich auch sagen: ich versuche, meinen Kopf frei zu bekommen, versuche bewusst, Entspannung herbeizuführen bzw. "powere" ich mich aus.

Was mir wirklich sehr hilft, ist, dass ich trainiere, mich nur "auf den Augenblick" einzulassen.
Wenn ich wieder zuhause bin, bin ich zuhause (dann habe ich meine Kiddies um mich herum, bewege mich in der Natur, mache meinen Haushalt usw...).

Bekommst Du manchmal Supervision oder Coaching?
Dieses Angebot habe ich durch eine erfahrene Psychologin und nehme es auch dankbar an, wenn wirklich mal Gedanken und Gefühle "mit mir durchgehen".

Wichtig ist, dass man nicht abstumpft - man muss natürlich innerlich trotzdem "lebendig" bleiben.

Ich wünsche Dir sehr, dass Du einen guten Weg findest.

LG
Claudia

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Hallo Claudia,

danke für deine ausführliche Schilderung. Dein Job hört sich unheimlich spannend und auch sehr emotional anstrengend an. Meinen Respekt hast du!

So "schlimm" ist es bei mir bei Weitem nicht, ich begleite keine Schicksale, ich habe mit den Leuten nur indirekt zu tun. Bei mir besteht der Kontakt eher aus "Lesen" und Gutachten über sie tippen. Aber gerade durch die Arztberichte bzw. auch durch das was die Menschen erzählen (ich tippe das dann) bekommt man schon ein sehr genaues Bild über die jetzige und frühere Lebenssituation der Menschen.

Vermutlich ist das "danach abschalten" der einzigst mögliche Weg!

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Ich denke auch, dass das "Abschalten" sehr wichtig ist.

Anfangs ist es natürlich eine Herausforderung, die passenden Techniken für sich zu entdecken/zu entwickelt und das geht auch nicht von "jetzt auf gleich".

Da braucht man auch viel Geduld mit sich selbst ;-).

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Du durch Deinen Job emotional sehr in das involviert bist, das Du tippst.

Gerade durch das "Tippen" verinnerlicht man ja auch sehr viel, weil man das im Prinzip "doppelt bewusst macht": vom Auge in die Hand und von der Hand in die Tastatur.

LG
Claudia

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Hallo,

ich glaube das bringt die Zeit, oder bist du schon sehr lang in dem Beruf?
In den meisten fällen lernt man mit der Zeit nicht alle Probleme mit nach Hause zu nehmen, sondern zu verpacken. Bei schlimmen Fällen kann man vielleicht mit dem Partner darüber reden aber wenn dich alles so mit nimmst wirst du irgendwann selber daran zerbrechen wenn du dir kein dickeres Fell zulegst.
Aber wie gesgat, ich habe die Erfahrung gemacht, dass man mit der Zeit lernt damit umzugehen und sich nicht alles so zu Herzen zu nehmen. Das kann man bei den vielen Schicksalen auch gar nicht.
Vielleicht suchst du für den Anfang selber erstmal Professionelle Hilfe bei einem Seelsorger, bis du selber lernst damit umzugehen. Meist können die einem gute Ratschläge geben.

LG und alles Gute

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Hallo,

also solche schlimmen Gedanken mache ich mir nicht, dass ich alles mit nach Hause schleppe. Solche extremen Fälle die mir so nahe gehen habe ich zum Glück nicht täglich, manchmal nicht mal wöchentlich. Muss dann eben beim Bearbeiten schon mal schlucken, ab und zu denke ich dann auch noch hinterher darüber nach, aber alles in allem kann ich damit schon leben.
Ich hoffe dass sich das mit der Zeit noch etwas bessert, bin wirklich erst noch relativ "neu" dabei. :-)

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Wir können ja eine Gruppe aufmachen, mit all denen, die so belastende Berufe haben wie du, clazwi und ich...:-)

Ich bin im Wohnungswesen als Sozialarbeiterin unterwegs, ich gehe in die Familien, allerdings haben meine Mieter selten Kinder.
Auch mich scheint es manchmal auf zu fressen, was ich da alles sehe.

Man braucht unbedingt einen Ausgleich, wie clazwi schon sagt: Sport, Gespräche mit Experten (gut, du wirst sicher keine Supervision bekommen, wenn du "nur" die berichte liest), Methoden/Techniken, um abschalten zu können.

Ich versuche, meine Arbeit so gut wie möglich zu machen, aber mir danach darüber im Klaren zu sein, dass ich niemals alle Randgruppen auf dieser Welt "retten" kann. Ich muss so viel geschehen lassen, das macht mich manchmal fertig.

Aber wenn es Lichtblicke gibt, Fälle, die gelöst werden konnten, dann muss man an diesen Fällen festhalten, bis zum nächsten guten Fall. Weisst du, was ich meine?

Ich schreibe übrigens viel auf. Da kann ich viel auf dem Papier lassen, damit es mir nicht den Schlaf raubt.

Und sich einfach mal ausheulen tut auch gut...#liebdrueck

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Solltest Du so eine Gruppe aufmachen: ich wäre mit dabei!

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Das wäre schön, aber ich bin so gar nicht der Typ, der Gruppen einrichtet. Aber man kann sich ja ausserhalb urbia austauschen. OHNE Gruppe/Clubgetue? Wobei, irgendwie wäre es ja auch gut, so einen Club nutzen zu können, wenn es dort andere mit denselben Problemen gibt...
Aber ich wäre nciht die richtige, die so etwas einrichten würde.
Du vielleicht?:-)

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Ich denke, die Berufserfahrung spielt da eine Rolle.

Mit zunehmenden Alter wird man erfahrener und professioneller.

Ich bekomme als Diplom-Spzialpädagogin auch schlimmste Schicksale mit und muss damit umgehen. Mit tun die Kinder auch leid die in schmutzigen Wohnungen mit unfreundlichen Eltern leben müssen...

Es ist nun mal mein Job und ich bin froh, dass ich abends abschalten kann.

Habt ihr keine Supervision oder Teambesprechungen?

LG

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Teambesprechungen schon und wir sprechen da auch dann über die "härtesten, schlimmsten" Fälle. Aber diese Fälle über die ich mir Gedanken mache sind oft nicht unbedingt die Schlimmsten. Ich mache mir meine Gedanken sobald (kleine) Kinder im Spiel sind oder ein Mensch (psychische) Probleme aufgrund der Kindheit hat. Hatte das an anderer Stelle schon ausführlicher beschrieben.
Sowas möchte ich in einer solchen Besprechung nicht anbringen, das sind teilweise nur "Kinkerlitzchen" im Joballtag! ;-)
Ich denke auch dass die Zeit so Einiges mit sich bringt!

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hey,

ich weiß was du meinst, habe vor der karenz als sozialarbeiterin beim jugendamt gearbeitet.

ich denke es ist wichtig, dass du dir vor augen hältst, dass es nicht deine aufgabe ist (nicht war und nie sein wird) sämtliche gescheiterte existenzen zu retten. es ist traurig ja, man kann mitfühlen - mit leiden sollte man jedoch nicht. ist leicht gesagt und schwer getan.

mir sind auch einige schicksale ganz tief hängen geblieben. habe versucht diese in form von supervision (einzel und in gruppe) zu bearbeiten. ganz abdrehen wird man solche gedanken nie können. es wird ja einen grund gehabt haben, warum wir einen sozialen beruf angestrebt haben.

lg emeri

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Was Du brauchst ist Supervision.

Bietet Dein AG sowas nicht an?


Alternativ: gute Psychotherapeutin suchen, da Du ansonsten ausbrennst.

Gruß

manavgat

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Das Problem ist, dass dieser Arbeitgeber (wenn es der ist, den ich vermute) selbst für die, die in der Beratung tätig sind, keine Supervision anbietet. Und sie ist "nur" die Schreibkraft.

LG
Ch.