Geburtsmedizin in anderen Umständen

Kaiserschnitt immer häufiger

Jedes vierte bis fünfte deutsche Baby kommt heute per Kaiserschnitt zur Welt. Auch wenn die Sterblichkeit bei diesem Eingriff zurückgegangen ist, ein Spaziergang ist er wahrlich nicht.

Zwischen Medizin und Selbstbestimmung

Operation

In Deutschland steigt, wie in allen anderen Industrienationen, seit Jahren die Kaiserschnittrate an. Sie kletterte seit den neunziger Jahren im letzten Jahrtausend von cirka zehn auf 20 bis 25 Prozent. Heute kommt etwa jedes vierte bis fünfte deutsche Baby auf diesem Weg zur Welt. Experten wie Professor Klaus Vetter, Leiter der Klinik für Geburtsmedizin am Berliner Vivantes Klinikum Neukölln, wundert dies nicht. Als Gründe für den Trend zum Kaiserschnitt sieht Vetter veränderte medizinische Bedingungen sowie zum Beispiel das veränderte Körperbewusstsein der Frauen oder deren Recht auf Selbstbestimmung.

Geänderte Bedingungen

Schwangere sind heute im Durchschnitt älter, was häufiger zu Schwangerschaftskomplikationen führt, die eine Schnittentbindung erforderlich machen. Hinzu kommen Mehrlingsschwangerschaften nach Kinderwunschbehandlungen sowie die dadurch unverändert hohe Rate von Frühgeburten. Ebenfalls spielt eine Rolle, dass Frühgeborene immer früher behandelt werden können - inzwischen ist dies bei Kindern ab der 24. Schwangerschaftswoche möglich.

Gefördert wird die Bereitschaft zum Kaiserschnitt bei den Schwangeren und den Geburtshelfern aber auch durch das gesunkene Risiko für die Mutter bei einem Kaiserschnitt, insbesondere durch bessere Betäubungsverfahren, und ein entsprechend verändertes Risikobewusstsein.

Weniger Sterbefälle durch Kaiserschnitt

Die Sterblichkeit bei einem Kaiserschnitt (Sectio) ist in den Jahren 1983 bis 2000 stetig von 0,23 Promille (eine von 4350 Frauen) auf 0,04 Promille (eine von 25.000 Frauen) gesunken. Im gleichen Zeitraum sank die Müttersterblichkeit bei einer vaginalen Entbindung von 0,033 Promille (eine von 30.000 Frauen) auf 0,017 Promille (1 von 58.000 Frauen).

Risiken für nachfolgende Schwangerschaften

Zwar birgt ein geplanter Kaiserschnitt inzwischen ein geringeres Komplikationsrisiko als bisher, allerdings bringt die Sectio noch immer gewisse Risiken für nachfolgende Schwangerschaften mit sich. Die Narbenbildung an der Gebärmutter kann zu Fehlgeburten, Störungen bei der Einnistung der Plazenta oder zum Aufreißen der Gebärmutter führen. Plazentastörungen kommen doppelt so häufig vor wie bei anderen Schwangeren.

Kaiserschnitt kein Spaziergang

Während Umfragen bei Ärzten in England und den USA belegen, dass sich die Einschätzung des Kaiserschnitts zum Positiven hin entwickelt, lehnen Hebammen einen Kaiserschnitt bei unkomplizierter Schwangerschaft nach wie vor ab.

Allerdings ist ein Kaiserschnitt "keineswegs ein Spaziergang", mahnt Vetter. "Er ist ein erheblich größerer Einschnitt im Leben einer Frau als eine vaginale Geburt - zumindest betrifft dies die Perspektiven und die zum Teil lebensgefährlichen Risiken für Mutter und Kind bei weiteren Schwangerschaften und Geburten." Eine Verhinderung des Geburtserlebnisses kann Auswirkungen auf familiäre Beziehungen haben; Geburtsängste werden nicht bewältigt und mitunter gibt es psychische Reaktionen der Frau erst lange nach dem Eingriff.

Letztendlich, so der Mediziner, sei es aber die Frau, die zu bestimmen hat, auf welche Weise sie entbinden will. "Allerdings ist dazu eine umfassende Beratung nötig", betont Vetter. Wichtig ist beispielsweise die Berücksichtigung der Familienplanung insgesamt. "Wenn eine Frau nur ein Kind möchte, ist die Beurteilung von Nutzen und Risiko anders als wenn eine Frau mehrere Kinder möchte. Im letzteren Fall müssen die Risiken für nachfolgende Schwangerschaften und Geburten berücksichtigt werden." (idw)

Lesen Sie dazu außerdem bei urbia: Der Kaiserschnitt