Tipps für Eltern in stürmischen Zeiten

Jungen und Mädchen in der Pubertät

Wenn sich pubertierende Jungen in Besserwisser, Kampfhähne oder eingekapselte Computerfreaks verwandeln und aus Mädchen in der Pubertät zickende Nervensägen werden, können ein paar Grundregeln den nun arg geforderten Eltern weiterhelfen. Lesen Sie hier!

Autor: Heike Byn

Wenn der Vater mit dem Sohne...

Teens auf Treppe panther R Linkova
Foto: © panthermedia, R. Linkova

Du bist ein echter Warmduscher, weißt Du das?“ Der 14-jährige Sven sitzt mit verschränkten Armen am Abendbrottisch und nimmt seinen Vater verbal Stück für Stück auseinander, weil der ihm das Zelt-Wochenende an der Nordsee verboten hat. Mitten im Oktober eine nachvollziehbare Reaktion. Während Svens Vater vehement dagegenhält, beschränkt sich sein Sohn auf Vorwürfe und Beschimpfungen. Als Außenstehender muss man unwillkürlich an einen Hahnenkampf denken. Laut, unbeherrscht und jederzeit bereit für eine neue Attacke sind die beiden. Auch Svens Vater gibt dabei alles andere als eine gute Figur ab. Kein Wunder: Wie er sind viele andere Väter auch viel seltener in der Familie präsent als die Mütter. Deshalb knallt es dann bei einem Konflikt auch umso heftiger.

Hinzu kommt noch etwas anderes: Wenn Söhne mit den Vätern und Töchter mit den Müttern streiten, erkennen sie sich im anderen sehr genau wieder, denn sie gehören zum gleichen Geschlecht. Das macht ihr Verhältnis einerseits sehr innig, sorgt aber andererseits auch für Konkurrenz. Der Nachwuchs muss die Eltern und vor allem den gleichgeschlechtlichen Teil kritisieren und in Frage zu stellen, um sich ablösen zu können und eine eigene Identität zu finden. Die meisten Väter und Mütter reagieren darauf mit Furcht vor dem Abschied vom bald flügge werdenden Kind – aber auch mit mehr oder weniger heftigem Neid auf die neue Stärke, Leistungsfähigkeit und Attraktivität des Teenagers. Dagegen hilft nur ein gesundes Selbstbewusstsein und ein fortwährendes Hinterfragen der eigenen Einstellungen: Ist es nicht neben allem Neid auch wunderbar, dass die Söhne und Töchter vielleicht Ziele erreichen können, die man sich selbst einst vergeblich vornahm? Und ist es nicht faszinierend zu erleben, wie das eigene Kind einem bald als selbstbestimmter Erwachsener auf Augenhöhe begegnen wird? Bis dahin ist es für beide Seiten noch ein langer, oft schwieriger Weg, den Jungen und Mädchen unterschiedlich beschreiten.

Die urbia-Reihe zur Pubertät:

Der pubertierende Sohn – das unbekannte Wesen?

Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts hält sich das Idealbild eines starken, aktiven und durchsetzungskräftigen Mannes hartnäckig. Wenn Jungs im Freundeskreis, in der Schule oder beim Sport Schwäche oder gar Angst zeigen, werden sie immer noch oft ausgelacht oder verachtet. Wie sollen die Jungs da mit Gefühlen wie Unsicherheit oder Schwäche klarkommen? „Es ist schon auffällig, wie stark, wie früh und in wie vielen Variationen Jungen mit dieser Angst kämpfen, sie direkt ausdrücken oder auf vielfältige Weise abwehren“, stellt denn auch Joachim Braun in seinem Buch „Jungen in der Pubertät“ fest. Dabei haben die Jungen ja schon genug damit zu tun, alle ihre körperlichen und seelischen Veränderungen zu verarbeiten. Der Körper verändert sich unaufhörlich, das sexuelle Verlangen steigt und über allem schwebt die Frage aller Fragen: „Wer bin ich – und wo ist mein Platz in diesem Leben?“ „In gewisser Weise besteht die elterliche Aufgabe während der Pubertät vor allem darin, die Wut erzeugende Widersprüchlichkeit des Heranwachsenden auszuhalten und durchzustehen“, so Joachim Braun. „Je mehr sich Jugendliche in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit an ihren Eltern austoben und abarbeiten können, desto befreiter werden sie erwachsen.“

Begleiten, respektieren und integrieren

Es gibt ein paar Grundsatz-Regeln, die Eltern helfen können, mit Besserwissern, frechen Rotzbengeln, aggressiven Kampfhähnen, eingekapselten Computerfreaks oder depressiven Schwarzsehern umzugehen. Denn trotz dem deutlich sichtbaren Abgrenzungswunsch der Söhne brauchen sie ihre Eltern jetzt mehr denn je.

  • Bereiten Sie Ihren Sohn auf alle körperlichen Veränderungen in einem „Aufklärungs-Gespräch“ vor. Sie können dabei auch ein Buch zu Hilfe nehmen. Wichtig ist, dass Sie dabei auch über Verhütung und Aids sprechen.
  • Respektieren Sie sein Bedürfnis nach Alleinsein hinter verschlossener Tür und seine kleinen und größeren Geheimnisse.
  • Erlauben Sie dem Teenager einerseits mehr Freiheiten, übergeben Sie ihm andererseits auch mehr Verantwortung. Zum Beispiel für das Auskommen mit seinem Taschengeld oder für die Erledigung von Hausarbeiten.
  • Planen Sie Zeit und Gelegenheiten für gemeinsame Unternehmungen und Gespräche ein. Eltern, die sich vom Pubertierenden nur noch abgelehnt fühlen, unterschätzen ihre Rolle als Vorbild, Ansprechpartner und Rückhalt.

Auch Mütter können Vorbilder sein

Pubertierende Jungen suchen oft die Nähe des Vaters, weil sie sich von der Mutter, die für weibliche Eigenschaften wie Emotionalität, Anlehnung oder Geborgenheit steht, distanzieren möchten. Auch Mütter finden es oft schwierig, einen Sohn zu verstehen, der in Haushaltsstreik tritt und sie mit seiner ewigen Besserwisserei oder arroganten Bemerkungen nervt. Dennoch sollten Mütter ihre Rolle für die Söhne nicht unterschätzen, denn auch sie sind wichtige Vorbilder für Jungen. „Eine Mutter, die ihrem Sohn zeigt, dass er auch und trotz seiner schüchternen und anlehnungsbedürftigen Seiten für Mädchen und Frauen interessant ist, schafft einen Ausgleich zum Druck, den Jungen in der Schule oder unter Gleichaltrigen erfahren“, so Joachim Braun. Mütter können ihren Söhnen zum Beispiel erzählen, dass sie es nicht gut finden, wenn Männer nie über ihre Gefühle reden und immer nur den starken Macker spielen wollen. Das wird auf Dauer Wirkung zeigen, denn Jungen wollen für Mädchen attraktiv sein und wissen, was Frauen von Männern erwarten und was sie beeindruckt. Ganz wichtig: Auf keinen Fall die Eheprobleme mit dem Sohn besprechen und dabei Botschaften senden wie „Werde bloß nicht so wie dein Vater!“. Damit vergiften Mütter das Vater-Sohn-Verhältnis oder gar ihr eigenes Verhältnis zu ihm, wenn der Sohn gegen diese Art der Meinungsmache revoltiert.

Präsente Väter besonders gefragt

Auch wenn beide Elternteile berufstätig sind – meist sind dann doch die Frauen für die sozialen Kontakte und die Familien- und Haushaltsorganisation zuständig. Viele Männer sind entweder beruflich zu sehr eingespannt oder sehen es schlicht nicht als ihre Aufgabe an, sich intensiver mit ihren Sprösslingen zu beschäftigen. Dabei brauchen vor allem pubertierende Jungs ihren Vater jetzt ganz besonders, denn sie suchen nach männlichen Identifikationsfiguren in ihrem Umfeld. Eine Zeitlang mögen ihnen ja noch die Helden aus Filmen, Comics oder der Pop-Szene reichen, doch dann müssen echten Vorbilder in der Nähe her. „Je intensiver sich Väter ihren Söhnen widmen, desto einfach hat es der Sohn, sich in seiner männlichen Identität zurechtzufinden. Nebenbei entkrampft sich dadurch auch die Mutter-Sohn-Beziehung“, heißt es bei Joachim Braun. Es geht nicht darum, dass Väter ihre Arbeitszeit reduzieren, um für den Sohn da sein zu können. Sie sollten nur lernen, ihre gemeinsame Zeit mit den Kindern besser zu nutzen. Zum Beispiel so:

  • Jungen suchen die Nähe und das Gespräch mit ihren Vätern. Erzählen Sie von Ihren eigenen Sorgen und Nöten in der Pubertät während der gemeinsamen Freizeit. Das nimmt den Jungen einen Teil vom Druck, immer alles perfekt machen zu müssen und über den Dingen zu stehen.
  • Auch wenn’s schwerfällt: Lassen Sie sich auch auf Beschäftigungen ein, die Sie nicht gerade brennend interessieren. Denn ein gemeinsamer Kino-Besuch oder eine Playstation-Session sind gute Gelegenheiten, auf Umwegen mehr über die Gedanken und Gefühle Ihres Sohnes zu erfahren.
  • Als Vater können Sie Ihrem Sohn für viele Themen ein wichtiger und gefragter Ratgeber sein – wie bei Herzensangelegenheiten, beim Gespräch über Sexualität oder der Berufswahl.
  • Weil Sie als Vater oft sowohl zeitlich als auch emotional mehr Distanz zu Ihrem Sohn haben, können Sie in Konflikten besser „cool“ bleiben als Mütter. Väter nehmen sich nicht alles so zu Herzen und fühlen sich nicht so leicht für ihre Kinder verantwortlich.

Wenn aus Prinzessinnen Zicken werden

Im Zimmer stapeln sich Bücher, Zeitschriften und Schminkutensilien. Hausaufgaben werden nur noch alle zwei Tage erledigt. Die Mithilfe im Haushalt muss täglich eingefordert werden. Dass sich in der Pubertät vieles ändert, gilt für beide Geschlechter. Doch Mädchen erleben den Wechsel vom Kind zum Jugendlichen anders als Jungen, nicht nur weil die körperlichen Veränderungen bei ihnen deutlicher zu Tage treten. Viele Mädchen wirken älter, als sie wirklich sind. Manche 13-Jährige schminkt sich und zieht sich sexy an, so dass sie leicht für 17 oder 18 durchgeht. Pubertierende Mädchen ahmen das Verhalten erwachsener Frauen nach, reden über „angesagte“ Themen, kichern und albern mit anderen Mädchen herum. Doch dazwischen schieben sich immer wieder akute Rückfälle ins Kindliche – zur Verwirrung ihrer Eltern. Da kramt die Tochter auf einmal ihre Puppen hervor, wenn niemand zusieht, oder spielt zusammen mit dem jüngeren Bruder „Mensch ärgere dich nicht!“ Es ist schon sehr merkwürdig, diesem ständigen Wechselbad der Gefühle und Verhaltensweisen beizuwohnen. Doch auch für die Mädchen sind die körperlichen und seelischen Veränderungen mehr als verwirrend.

Etwa ab dem neunten Lebensjahr beginnt bei ihnen schon die sexuelle Reifung. Die Brüste werden langsam sichtbar, die Hüften runder, unter den Achseln und im Schambereich sprießen die ersten Haare. Weil die Östrogene aber erst ab ungefähr 40 Kilo Körpergewicht vom Gehirn den Befehl erhalten, aktiv zu werden, beginnt die Pubertät beim einzelnen Kind auch sehr unterschiedlich. Schon auf der körperlichen Ebene bedeutet das Ungeheuerliches.

Mütter konkurrieren mit den Töchtern

Vor allem Mütter müssen sich dann auf einiges gefasst machen: Sie werden permanent kritisiert, von oben herab behandelt und als „peinlich“ beschimpft. Wenn das keine Herausforderung ist! Hinzu kommt, dass in einer Familie meist Mütter und Töchter die engste Beziehung haben. Mit der Pubertät der Tochter beginnt dann auf einmal auch für Mutter eine Umbruchphase: Ihr wird das eigene Älterwerden schmerzlich bewusst. Die Tochter ist ein junges, frisches Mädchen, das langsam zur sexuell attraktiven Frau reift. In Zeiten von Jugendwahn, Fitnesskult und Anti-Aging-Rezepten kann diese Erkenntnis unter Umständen schwer zu verdauen sein. „Die heutige Mutter fährt im Urlaub Extrem-Ski und legt sich abends eine Wolldecke über ihre arthritischen Knie“, formuliert es Roswitha Stemmer-Beer, Psychologin und Autorin von „Liebeskämpfe. Wie Töchter ihre Mütter abnabeln“, drastisch. Deshalb reagieren auch viele Mütter mit einem unbewussten Konkurrenzverhalten auf ihre Töchter. Ihre Regeln fallen zu eng aus, die Kritik am Make-up und den Klamotten ist harsch, der neue Freund wird einer strengen Prüfung unterzogen. Andere wiederum reagieren eher überzogen schwermütig und sehen ihre Lebenskräfte langsam schwinden. Denn Älterwerden bedeutet ja auch, von den Kindern verlassen und nicht mehr so gebraucht zu werden, wie es vielleicht die letzten 18 Jahre über war. Besonders schwierig wird es, wenn Mütter mit pubertierenden Töchtern in den Wechseljahren sind. Viele Frauen haben dann ohnehin mit Stimmungsschwankungen und Gereiztheit zu kämpfen. Zusammen mit den wechselnden Stimmungslagen einer Pubertierenden ist das eine ziemlich heftige Kombination.

Spätere Versöhnung nicht ausgeschlossen

Für jedes Mädchen ist die eigene Mutter ihr erstes und wichtigstes Rollenvorbild, mit dem sie sich auseinandersetzen. Eine daraus folgende kritische Distanz ist da noch eine eher harmlose Reaktion. Viele Töchter sind in dieser Phase dagegen nicht nur zickig, sondern auch gemein und verletzend: Wenn sie ihre Mutter herausfordern wollen, wissen sie genau, wie sie sie treffen können. Töchter, die ihre Mütter verbal attackieren, wollen in erster Linie nur provozieren: Sie wollen so herausfinden, was für ein Mensch ihre Mutter ist. Wenn Mütter daraufhin auch keifen, sticheln und zicken, begeben sie sich auf das Niveau ihrer Töchter. Also lieber mal tief durchatmen, den Raum verlassen und gleich im Anschluss das Gespräch mit der Tochter suchen, auch wenn’s schwer fällt. Es ist besser, man streitet sich jeden Tag, als dass man gar nicht mehr miteinander redet und der Kontakt verloren geht. Viele Mütter fürchten, dass die vielen Konflikte der Beziehung zu ihrer Tochter dauerhaft schaden, doch die Realität zeigt, dass sich in den meisten Fällen beide Seiten wieder einander annähern. Das geht nur nicht von heute auf morgen.

Tipps für Mütter in stürmischen Zeiten

Wie Mütter mehr Gelassenheit und Struktur erreichen können:

  • Das klassische Aufklärungsgespräch für Mädchen ist Mütter-Aufgabe. Wenn Sie sich nicht genug informiert fühlen, können Sie sich Hilfe und Material bei Frauenärzten oder Familienberatungsstellen holen. Mädchen müssen vor allem über Schwangerschaftsverhütung und Aids-Vorsorge Bescheid wissen.
  • Setzen Sie klare Grenzen, denn Teenie-Mädchen brauchen ein starkes weibliches Gegenüber, das Stellung bezieht und ihnen dadurch Halt gibt.
  • Klare Grenzen setzen bedeutet aber nicht, immer unnachgiebig sein. Vielleicht darf die Tochter bei näherer Betrachtung doch noch ein halbes Stündchen länger auf der Party bleiben?
  • Sprechen Sie Probleme an und gehen Sie Konflikten nicht aus dem Weg. Viele Frauen neigen dazu, in schwierigen Situationen nicht direkt zu agieren, sondern durch demonstratives Schweigen und unsinnige Verbote zu zeigen, dass etwas nicht in Ordnung ist.
  • Sprechen Sie auch über Ihre Sorgen. Das ist besser, als Ängste hinter Verboten oder übertriebenen Strafpredigten zu verstecken.
  • Geben Sie nach und nach mehr Freiheiten, aber verteilen Sie auch mehr Verantwortung. Teenager-Mädchen können sehr wohl Aufgaben im Haushalt übernehmen, sich um Haustiere kümmern oder sich ihr Taschengeld sinnvoll einteilen. Lassen Sie sich nicht zur Hausangestellten degradieren.
  • Auch noch so verständige Töchter sind keine Verbündeten bei Problemen in der Ehe. Es ist schön, ein freundschaftliches Verhältnis zu haben, aber es gibt Probleme, die bespricht man besser mit Freundinnen oder dem Partner.
  • Stellen Sie nicht ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse immer hintenan. Schaffen Sie sich stattdessen Freiräume im Alltag. Das macht gelassener, selbstbewusster und fordert auch die Väter mehr, an der Erziehung teilzuhaben.

(frei nach Nicky Marone: Starke Mütter – selbstbewusste Töchter“)

Buchtipps

Joachim Braun: Jungen in der Pubertät. Rowohlt Taschenbuch 2003, 9,90 Euro. ISBN 978-3499614073

Dieter Schmack / Rainer Neutzling: Kleine Helden in Not. Rowohlt Taschenbuch 2004, 8,90 Euro. ISBN 978-3499609061

Roswitha Stemmer-Beer: Liebeskämpfe. Wie Töchter ihre Mütter abnabeln. Centaurus 2003, 15 Euro. ISBN 978-3825504999

Nicky Marone: Starke Mütter – selbstbewusste Töchter. Mädchen zu erfolgreichen und glücklichen Frauen erziehen. Fischer Taschenbuch 2001, 6,50 Euro. ISBN 978-3596150687