Stars aus dem Internet

Jugendliche: Faszination YouTube

Während wir Eltern Schauspieler und Musiker als unsere Stars mit Postern an der Wand hatten, bringt für Jugendliche heute das Internet Stars hervor. Besonders auf YouTube ist das der Fall. Was es mit diesem Phänomen auf sich hat.

Autor: Susanne Neumann

Was treibt mein Kind auf Youtube?

Jugendliche Smartphone
Foto: © fotolia.com/ goodluz

Von „Y-Titty“ habe Sie schon mal was im Radio gehört? Hatte ich auch. Aber wissen Sie, wer „LeFloid“, „iBlali“, „Gronkh“ oder „Smosh“ sind? Diese Namen gehören ebenso zum Alltagsvokabular meines 14-jährigen Sohnes wie „Alter“ und „Ganz ehrlich ...“. Dahinter stecken die neuen Superstars der jungen Generation: Youtuber! Wie gute Freundinnen und Freunde plaudern sie in ihren selbst produzierten Videos auf der Online-Videoplattform Youtube über das Weltgeschehen, stellen ihre Lieblingskosmetika vor, geben Fitness-Tipps, spielen als so genannte „Let‘s Player“ für ihre Zuschauer Computerspiele durch oder versuchen sich als Comedians oder Rapper. Ihre Fans können ihre Kanäle abonnieren, Videos kommentieren und „liken“ oder „disliken“, also per Klick auf Daumen-hoch oder Daumen-runter kundtun, ob sie mögen was sie sehen. Die Interaktivität ist ein entscheidendes Merkmal dieses Formats, das längst Teil der Jugendkultur geworden ist. Auf Youtube tummeln sich die Mitglieder der Altersgruppe, die mit Internet und Handys aufgewachsen sind, und für die sich der Begriff „Digital Natives“ eingebürgert hat.

Fernsehen war gestern

Der ARD/ZDF-Onlinestudie 2014 zufolge gehen die 14- bis 29-Jährigen fast täglich ins Internet und verbringen dort durchschnittlich 248 Minuten – also mehr als vier Stunden pro Tag! 70 Prozent dieser Altersgruppe surft laut Studie mindestens einmal pro Woche auf Videoportalen. „In unserer Zielgruppe der 14- bis 34-Jährigen hat der Medienwandel bereits stattgefunden“ stellt sich das Unternehmen Mediakraft Networks im Internet vor, das sich auf die Vermarktung von Online-Videos spezialisiert hat. „Von den klassischen Medien haben sie sich weitestgehend abgewandt“, heißt es dort weiter. „Stattdessen sind Online-Videos für junge Zuschauer das führende Medium, das sie unabhängig von Zeit und Ort sehen wollen.“ Für meinen Sohn kann ich das bestätigen. Er verbringt definitiv mehr Zeit auf Youtube als vor dem Fernseher. Unter den Videoportalen ist Youtube der Marktführer in Deutschland. Es gehört zum US-amerikanischen Unternehmen Google und zählt monatlich eine Milliarde Besucher weltweit. In Deutschland hatte Youtube dem Statistik-Portal statista zufolge allein im Juli 2014 rund 21,38 Millionen Besucher. 

 

Youtuber sind Superstars

Fast 15 000 Fans strömten Mitte August „in real live“ - also in Echt – zu den Videodays 2014 in die Lanxess-Arena in Köln. Dort trafen sie live und in Farbe ihre Youtube-Helden, deren Kanäle sie online besuchen. Spartacus Olsson, CEO von Mediakraft Networks, dem Hauptsponsor der Veranstaltung, konstatiert in einer Pressemitteilung zu diesem Megaevent: “Junge Menschen suchen ihre Vorbilder nicht mehr im Fernsehen oder in Filmen. Sie finden sie im Netz, wo sie mit einer neuen Generation authentischer Stars interagieren.“ Dass die Youtube-Stars tatsächlich ziemlich authentisch rüberkommen, stelle ich fest, als ich selbst zum User werde, um zu lernen, was mein Sohn eigentlich auf YouTube treibt.

Wie ein großer Bruder

Ich gebe „youtube.de“ in der Adresszeile meines Browsers ein. Nur wenige Klicks auf der Startseite vermitteln mir bereits einen ganz gute Überblick darüber, was die Kids hier geboten kriegen. Let’s Player „Gronkh“ zum Beispiel spielt und kommentiert aus dem Off „Slender“ – ein ziemlich gruseliges Horror-Computerspiel. Berühmt wurde Gronkh, der eigentlich Erik Range heißt, vor allem mit seinen Let’s-Play-Videos vom Kultspiel Minecraft. Weit über 1000 Clips hat er bereits produziert, in denen die Zuschauer ihm beim Spielen virtuell über die Schulter gucken und dabei zuhören können, wie er sein Spiel aus dem Off kommentiert: Ohne Script plappert er dabei vor sich hin, verstellt hier seine Stimme und flucht dort über den plötzlichen Angriff eines Monsters. Mehr als drei Millionen User haben seinen Kanal abonniert, in dem er unzählige Let’s Plays von allen möglichen Computerspielen veröffentlicht. Zusammen mit Valentin Rahmel alias „Sarazar“, dem zweit berühmtesten Let’s Player in Deutschland, hat er eine Firma gegründet und verdient heute Geld mit dem Zocken. Dass die Jungs ganz authentische Spieler sind, macht den Reiz ihrer Videos aus. „Das ist ein bisschen wie früher mit dem großen Bruder“, äußerte sich Gronkh einmal gegenüber dem Spiegel, „dem hat man ja auch beim Spielen zugeguckt und sich dabei unterhalten.“

Ein Jargon zum Abgewöhnen

Zurück zur Startseite von Youtube: Florian Mundt alias „LeFloid“ tut in einem neueren Video flapsig und gestenreich seine Meinung über die Sharia-Poliziei in Wuppertal kund. In seinem Kanal „LeNews“ kommentiert der erfolgreiche Youtuber regelmäßig aktuelle Ereignisse und Themen, über die in den Medien berichtet wird. Und bedient sich dabei eines Jargons, den ich meinem Sohn gerne abgewöhnen würde. Doch seine Art und seine Statements kommen offenbar gut an. Fast zwei Millionen Nutzer haben den Kanal von LeFloid abonniert. Damit zählt er zu den erfolgreichsten deutschen Youtubern überhaupt.

Youtuber in der Marketingmaschinerie

Längst hat der Markt das Portal als Werbeplattform entdeckt. Wer ein Video von erfolgreichen Youtubern wie Gronkh, LeFloid oder den Musik-Comedians Y-Titty anklickt, bekommt zunächst Werbung zu sehen. Viele der bekanntesten deutschen Youtuber sind beim Unternehmen Mediakraft Networks unter Vertrag. Dort kann sich im Prinzip jeder Amateurvideomacher mit seinem Kanal als Partner im Netzwerk bewerben. Wer unter Vertrag genommen wird, profitiert vom technischen Knowhow und Equipment des Unternehmens und vom professionellen Marketing. Mediakraft akquiriert die Werbekunden und verdient dafür an den Einnahmen mit. Hinter einem erfolgreichen Youtuber steckt also auch eine ansehnliche Marketingmaschinerie.

Möglichst anonym bleiben

Mit dem Argument, dass man bei Youtube sogar Geld verdienen könne, wollte mein Sohn auch schon meine Genehmigung für einen eigenen Youtube-Kanal. Im Prinzip sei da nichts dagegen einzuwenden, findet Sigrid Born, Autorin des Elternratgebers „Kinder sicher im Netz“. Allerdings rät sie Eltern zu kontrollieren, was ihre Kinder da ins Internet laden wollen. Zum eigenen Schutz dürften die Personen im Video weder mit ihrem Namen noch mit ihrem Wohnort in Verbindung gebracht werden können. Sogar Fotos im Hintergrund eines Videos, zum Beispiel von der Schule, seien verräterisch. Born weist außerdem darauf hin, dass Webcams, mit denen Youtuber ihre Videos aufnehmen, gehackt und manipuliert werden können, so dass sie unbemerkt filmen! „Experten empfehlen, die Kamera sicherheitshalber abzukleben, wenn man sie nicht braucht.“ Klar sein muss den Kids auch, dass sie abwertende Kommentare zu ihren Videos kassieren können. Da geht es schon mal ganz schön rau zu. Und wer mit Kritik oder regelrechter Häme nicht umgehen kann, sollte sich erst gar nicht die Blöße geben.

Fantasienamen verwenden – Kontakdaten verschweigen

Doch auch wenn mein Sohn darauf verzichtete, eigene Videos von sich auf Youtube zu veröffentlichen, die ihm irgendwann im Leben einmal peinlich sein könnten. Welche persönlichen Daten gibt er von sich preis, wenn er nur auf Youtube stöbert? Geht es nämlich über das bloße Anklicken und Angucken von kostenlosen Videos hinaus, ist die Einrichtung eines Kontos bei Google obligatorisch. Nur als registrierter Benutzer kann man ein Video liken, kommentieren, einen Kanal abonnieren oder selbst ein Video auf Youtube veröffentlichen. Gerade erst hat Google den Zwang zur Einrichtung eines Nutzerprofils im eigenen Sozialen Netzwerk Google + wieder zurückgenommen, die bislang vornehmen musste, wer ein Konto bei Google eröffnete. Als ich selber testweise ein Konto einrichte, reicht die Angabe eines Fantasienamens und eines falschen Geburtsdatums, um einen gültigen Benutzernamen und eine zumindest vom Namen her anonyme E-Mail-Adresse zu erhalten. Die Angabe meiner Telefonnummer und meiner bestehenden Mailadresse lasse ich aus. Als ich aufgefordert werde, ein Nutzerprofil anzulegen, klicke ich auf „Nein Danke“. Geht. 

Datenschützer warnen: Google sammelt alle Daten

Dennoch warnen Datenschützer vor der Sammlung von Nutzerdaten in den verschiedenen Diensten von Google. Durch technische Methoden wie das Setzen von Cookies oder das Auslesen von Systeminformationen versuche Google den Nutzer fortlaufend wiederzuerkennen und sein Nutzungsverhalten zu erfassen, informiert ein Mitarbeiter des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten. Würden Google-Dienste wie zum Beispiel die Websuche oder Youtube verwendet, könne Google das Nutzungsverhalten dem jeweiligen Google-Konto zuordnen. Ein Nutzer müsse sich bewusst sein, dass Anonymität gegenüber Google nur schwer aufrecht zu halten sei. Je mehr und häufiger Google-Dienste in Anspruch genommen würden, desto mehr Informationen erhalte Google über das Verhalten des Nutzers, die persönlichen Interessen und sein soziales Umfeld. Das Profil der tatsächlichen Persönlichkeit werde damit für Google immer schärfer und transparenter, so dass es ab einem gewissen Grad der Google-Nutzung für eine Identifizierung des Nutzers prinzipiell unerheblich sei, ob bei den Kontodaten ein echter oder ein falscher Name hinterlegt wurde.

Vertrauen ist gut – Kontrolle aber auch

In den Kontoeinstellungen, und hier insbesondere unter „Datentools“ und „Kontoverlauf“, kann jeder Inhaber eines Google-Kontos nachvollziehen, welche Daten gespeichert wurden, zum Beispiel welche besuchten Seiten, welche Stichworte bei der Websuche oder welche Youtube-Videos angesehen wurden. Außerdem stehen dort einige Einstellungsoptionen zur Verfügung, mit der man die Datenspeicherung per Voreinstellung abspecken kann. Datenschützer empfehlen, diese Kontrollinstrumente regelmäßig einzusehen und zu nutzen.

Ob sie ihren eigenen Kindern Youtube erlauben würde? „Ja, aber kontrolliert“, antwortet Online-Expertin Born, die selbst Mutter von zwei mittlerweile erwachsenen Kindern ist. „Ich habe als Elternteil die Verpflichtung, mich mit den Datenschutzrichtlinien und mit den Einstellungen vertraut zu machen, die Google zum Schutz persönlicher Daten bietet.“ Die Einbeziehung der Eltern in das, was die Kids im Internet anstellten, sei auch eine Frage der Beziehung zwischen Eltern und Kinder. Born: „Das hat was mit Vertrauen zu tun.“