Hilfe durch Paarberatung oder Paartherapie

Wege aus der Ehekrise

In jeder Partnerschaft kommt es einmal zu Streit. Doch was, wenn dieser zum Dauerzustand wird? Manchmal sind die Fronten so verhärtet, dass Gespräche ohne Vorwürfe und Kritik kaum möglich sind. Eine Paarberatung kann helfen, wieder zueinander zu finden.

Autor: Ulrike Hahnlein

Hilfe von außen

Beratung Ehekrise
Foto: © colourbox

Der Alltag vieler Paare ist vollgestopft mit Terminen und Verpflichtungen. Neben Arbeit, Haushalt und den Kindern findet sich kaum noch Gelegenheit, in Ruhe ein längeres Gespräch zu führen, geschweige denn ein paar schöne Stunden miteinander zu verbringen.

Angestauter Frust und eine generelle Unzufriedenheit entladen sich dann nicht selten in eigentlich harmlosen Diskussionen über Belanglosigkeiten. Lautstarker Streit oder vorwurfsvolles Anschweigen und Aus-dem-Weg-Gehen sind dann meist die Folge. Wenn die Situation erst einmal derart festgefahren ist, fällt es schwer, da wieder raus zu kommen und den Weg zu einem konstruktiven Gespräch zu finden.

Eine neue Begegnungsmöglichkeit der Partner

Angelika Wolff, Referentin für Familienberatung und Frühe Hilfen der Diakonie Deutschland, beschreibt, was eine Paarberatung leisten kann: „Nicht selten ist die feste Verabredung zum Termin bereits eine hilfreiche Intervention, denn in der Routine des Alltags sind Paare nur noch selten verabredet und finden keine Zeit miteinander. So ungestört und konzentriert beisammen zu sitzen, ist für sie zumeist eine große Chance und eine gänzlich ungewohnte Herausforderung zugleich. In der Beratung wird gemeinsam nach den Ursachen für den Leidensdruck der Partner geforscht und Wege zur Bewältigung gesucht.“

Das Schreiben hat geholfen

In einer solchen festgefahrenen Situation befanden sich Tanja und Martin: Im Alltag drehte sich alles nur noch um die Kinder, anstehende Termine und Verpflichtungen, die notwendige Hausarbeit oder unbezahlte Rechnungen. Tanja erzählt, dass beide irgendwann einfach nur noch frustriert, ausgelaugt und grundunzufrieden waren: „Wir haben uns nur noch gestritten, um jede Kleinigkeit… Das fing bei Schuldzuweisungen wegen des nicht ausgeräumten Geschirrspülers an und ging weiter mit unterschiedlichen Vorstellungen zur Kindererziehung. Ich fühlte mich nur noch missverstanden und mir fehlte die Anerkennung meiner täglichen Leistung. Außerdem vermisste ich so etwas wie Umarmungen, ein liebes Wort, ein Kuss zum Abschied… All das war irgendwann einfach auf der Strecke geblieben.“

Um aus diesem Tief wieder herauszufinden, kontaktierte sie eine kostenlose Online-Beratung, wie sie von verschiedenen Trägern angeboten wird. Bevor sie ihren Mann ins Boot holte, schilderte Tanja der Beraterin in E-Mails die Situation und konnte sich endlich mal den ganzen Frust, angestaute Wut aber auch ihre Verzweiflung und Angst vor einer Trennung von der Seele schreiben. Auch Martin nutzte dann diese Möglichkeit, sich anonym mit einer neutralen außenstehenden Person auszutauschen: „Endlich konnte ich auch mal meine Sicht darlegen, ohne Angst zu haben, schon wieder etwas Falsches zu sagen.“ Die Beraterin gab den beiden Aufgaben für den Alltag, bei denen sie sich über ihre eigenen Gefühle dem anderen gegenüber klar werden mussten, zum Beispiel sich zu überlegen, was man alles am anderen mag.

Neue Einblicke in die Gefühlswelt des anderen

Am hilfreichsten aber war für beide das Lesen der Nachrichten des anderen, denn dies eröffnete einen Einblick in die Gefühlswelt des Partners. Tanja erzählt: „Es war schön zu lesen, wie positiv Martin über mich schrieb. Mich überraschte das wirklich, denn im Alltag kam bei mir nichts mehr davon an. Als er der Beraterin schrieb, wie sehr er mich liebt und dass er Angst vor einer Trennung hat, musste ich sogar weinen, so gerührt war ich.“ Die Stimmung in den Nachrichten veränderte sich mit der Zeit und das junge Paar konnte auch wieder direkt miteinander reden, ohne sich dabei zu streiten. „Wir konnten schriftlich in Worte fassen, was zu schwierig war auszusprechen.“, resümiert Martin. „Natürlich streiten wir auch heute noch gelegentlich, aber eine Aussprache fällt jetzt leichter, weil wir uns der Gefühle des anderen wieder sicher sind.“

Wir brauchten professionelle Hilfe

urbia-Userin „wartemama“ suchte sich professionelle Hilfe, um die Beziehung zu ihrem Mann zu kitten: „Es gab etwas in seinem Leben, mit dem ich nicht klar kam. Obwohl es für ihn eigentlich keine Rolle mehr spielte, hatte ich Angst, dass es früher oder später zur Trennung kommen würde, wenn wir die Sache nicht aufarbeiten.“ Ihr Mann war mit einer Paartherapie einverstanden und die beiden fanden nach einiger Suche eine selbstständige Diplom-Psychologin, mit der die Chemie auf Anhieb stimmte.

In den ersten Sitzungen musste das Paar viel erzählen: über sich, ihre Beziehung und ihre Erwartungen an die Paartherapie. Gezielte Fragen der Therapeutin führten dann oft zu regen Diskussionen zwischen „wartemama“ und ihrem Partner. Die damals 33-Jährige erinnert sich: „Ich dachte immer, dass wir über alles, was uns bewegt und belastet, reden würden… Erst während der Gespräche wurde uns beiden bewusst, dass wir zwar über unsere Probleme sprechen, aber viel zu oberflächlich und unehrlich.“ Ein Jahr lang nahmen sie an über 20 Sitzungen teil – mit Erfolg! „Im Laufe der Therapie haben wir gelernt, wirklich mit einander zu reden und alles, was vorher unausgesprochen war, auf den Tisch zu packen. Wir können jetzt wieder mehr Mann und Frau sein – nicht nur Mama und Papa.“  

Individuelle Beratungsangebote

Eine Paartherapie ist teuer, pro Sitzung müssen die Ratsuchenden mit Kosten von 80 Euro rechnen. Je nach Anbieter kann der Stundensatz aber auch deutlich höher sein. Ein Zuschuss durch die Krankenkasse ist nur im Rahmen einer Psychotherapie möglich, die sich auf eine diagnostizierte psychische Erkrankung von einem der beiden konzentriert. Leiten sich daraus Eheprobleme ab, können in Abstimmung mit dem Therapeuten gemeinsame Sitzungen mit dem Partner stattfinden. Deutlich günstiger und meist sogar kostenlos sind Beratungsangebote durch kirchliche oder gemeinnützige Träger, wie beispielsweise Caritas oder ProFamilia. Bei einigen Anbietern erfolgt die Beratung nicht nur in persönlichen Gesprächen, sondern auf Wunsch auch telefonisch oder online.

Angelika Wolff vom Evangelischen Bundesverband der Diakonie, erzählt welche Beratungsmöglichkeiten es für Paare in Krisenzeiten gibt: „Je nach Ursache für die Konflikte bieten wir Sexual- und Partnerschaftsberatung an, für Probleme durch Kindererziehung gibt es Erziehungs- und Familienberatungsstellen. Hier gehört die Paarberatung zu den niedrigschwelligen Hilfen zur Erziehung, auf die alle Sorgeberechtigten in Deutschland einen Rechtsanspruch haben. Diese Beratung ist kostenfrei. Für kinderlose Paare oder solche mit erwachsenen Kindern bietet sich die klassische Paarberatung an. Hier werden die Ratsuchenden um eine finanzielle Beteiligung, abhängig von der Höhe ihres Einkommens, gebeten.“

Wenn die Trennung unaufhaltsam ist

Auch zerstrittene und bereits getrennt lebende Eltern erhalten eine kostenlose Beratung in der Erziehungsberatungsstelle, um sie dabei zu unterstützen, die Verantwortung für ihre Kinder gemeinsam auszufüllen. Diesen Weg ging auch urbia-Userin Maria, die ihrer Ehe keine Chance mehr einräumte: „Unsere Beziehung war am Ende, irgendwann beschloss ich, mich zu trennen. Da kam meinem Mann die Idee mit der Beratung, was in meinen Augen aber zu spät war. Ich wollte nicht mehr retten. Dennoch habe ich mich darauf eingelassen, um die Trennung so gut und erwachsen wie möglich hinzubekommen. Er dachte anfangs wohl noch, wir kriegen dadurch noch die Kurve.“

Bei einer katholischen Beratungsstelle der Stadt nahm das scheidende Paar zwölf Sitzungen in Anspruch, meist 14-tägig. Die zweifache Mutter Maria erzählt: „Gemeinsam mit dem Berater artikulierten wir das eigentliche Ziel: Es ging darum, die Trennung zu verarbeiten, sie anzunehmen und gestärkt  aus der schweren Zeit hervorzugehen. Für meinen Mann bedeutet die Trennung viel verletzter Stolz, Trauer und Hilflosigkeit. Er hat in all den gemeinsamen Jahren nie so viel geweint, wie in diesen Sitzungen. Für mich waren da vielmehr Schuldgefühle und Unsicherheiten die Zukunft betreffend.“

Für Maria waren die Beratungsgespräche anfangs sehr belastend: „Es war schwer mit anzusehen, wie dieser Mann, den ich einmal geliebt habe, weinte und heulte, mich beschuldigte und mir alle Schuld an unserem gemeinsamen Dilemma gab. Doch es war auch befreiend. Der Berater stellte Fragen, die zeigten, dass ich eben nicht allein die Verantwortliche bin. Die Gespräche haben uns dazu befähigt, später halbwegs friedlich miteinander umzugehen.“

Um die Formalitäten einer Trennung zu erledigen, haben die beiden zwei Mediatorinnen vom selben Beratungsanbieter aufgesucht. Dabei wurden materielle Dinge und der Umgang mit den Kindern geregelt, denn keiner von beiden wollte vom anderen „über den Tisch gezogen werden“. Maria beschreibt, dass der Weg nicht immer einfach war: „Die Mediation wurde ein wahres Gerangel um meine finanziellen Rechte, er wollte alles dafür tun, damit ich wenig bis nichts von ihm bekomme.“ Dennoch waren sowohl Beratung als auch Mediation für Maria hilfreich: „Ich habe viel über mich selbst gelernt und meine Sicht der Dinge wurde nicht getäuscht, sondern vielmehr bestätigt. Dadurch konnte ich mit meiner eigenen Entscheidung zur Trennung Frieden machen und später sagen, dass es das einzig Richtige war.“

Die Grenzen der Paarberatung

Neben alltäglichen Schwierigkeiten gibt es viele Faktoren und Ereignisse, die eine Beziehung auf die Probe stellen, beispielsweise die Geburt eines Kindes, der Verlust des Arbeitsplatzes, eine ernste Erkrankung eines Familienmitglieds, der Auszug der erwachsenen Kinder oder der eigene Eintritt ins Rentenalter. Eine Beratung durch eine außenstehende Person kann beiden Partnern neue Sichtweisen eröffnen, festgefahrene Muster durchbrechen und den Weg in einen konstruktiven Dialog weisen. Doch Diplom-Psychologin Angelika Wolff weist auch auf die Grenzen der Paarberatung hin: „Wenn die Ratsuchenden sich krank fühlen und ihre täglichen Verpflichtungen nur mit Mühe erfüllen können, wenn sich die erlebten Belastungen zu verselbständigen scheinen, sollte eher an eine Psychotherapie gedacht werden. Häufig geht es hier um Ängste, Panikzustände oder um depressives Erleben. Werden süchtige Verhaltensweisen in der Beratung offengelegt (beispielsweise durch Alkohol, Drogen, Glücksspiel, Kaufen oder Arbeiten) sind die Möglichkeiten der Paarberatung ebenfalls begrenzt. Ein wichtiges Ziel besteht dann darin, die betreffende Person in eine spezialisierte Beratung und weiterführende Behandlung zu überweisen.“