Kind statt Gewichte stemmen

Fitness-Programme mit Baby

Es gibt viele gute Gründe dafür, nach der Schwangerschaft Sport zu treiben. Beckenboden und Bauch sind ausgeleiert, die überflüssigen Pfunde halten sich hartnäckig – und in immer mehr Kursen darf das Baby sogar aktiv mitmachen! Es übernimmt sozusagen die Rolle der Hantel. urbia stellt drei Angebote vor.

Autor: Maja Roedenbeck

Gymnastik mit Baby: Spaß für Mama und Kind

BuggyFit
Foto: © BuggyFit

Manche Frauen sehen ihre wöchentliche Sporteinheit als Auszeit vom Baby – nach dem Motto: Jetzt tu ich mal wieder was für mich! Doch die Mehrheit der frischgebackenen Mamas verschiebt den geplanten Fitnesskurs gerade deshalb immer wieder, weil es ihnen schwer fällt, sich von ihrem Neugeborenen zu trennen. Oder weil es ihnen zu umständlich ist, es erst zur Oma zu kutschieren, bevor sie ins Fitnessstudio gehen können. Da kommt der Trend zu Trainingsangeboten, bei denen das Baby integriert wird, genau richtig! „Integriert“ meint dabei aber nicht nur, dass die Babys der trainierenden Mamas auf einer Spieldecke in der Raummitte liegen und mehr oder weniger geduldig warten, bis das seltsame Gehampel vorbei ist. Sondern sie dürfen bei den Übungen mitturnen und haben Spaß dabei. Sei es, dass sie auf Mamas Unterschenkeln fliegen lernen, auf Mamas Becken Hoppereiter spielen oder beim Workout zufrieden in der Tragehilfe einschlafen. urbia stellt drei Angebote aus dem Bereich „Fitness mit Baby“ genauer vor.

Pilates mit Baby

Pilates mit Baby
Foto: © 5W Verlag Martin Rost

Die normale Rückbildungsgymnastik ist kein Figurtraining, das merken die Teilnehmerinnen leider ziemlich schnell. Von einem flachen Bauch à la Heidi Klum sind sie nach dem entsprechenden Kurs bei der Hebamme noch meilenweit entfernt. Heidis Geheimrezept heißt: Pilates. „Diese Sportart eignet sich wirklich sehr gut als Workout nach der Schwangerschaft“, weiß Pilates-Trainerin und Physiotherapeutin Jana Wetterau-Kliebisch aus München, „Denn dabei werden genau die Körperregionen einbezogen, die durch die Schwangerschaft gelitten haben. Bei allen Übungen wird auf die Anspannung im so genannten ‚Powerhouse’ geachtet, das heißt der Beckenboden ist angespannt und der Bauch nach innen gezogen. Die aufrechte Grundhaltung fördert die Körperwahrnehmung und gibt den Frauen ihr durcheinander geratenes Körpergefühl zurück.“

Jana Wetterau-Kliebisch hat ein Pilates-Workout entwickelt, bei dem das Baby integriert wird. Ihre DVD „Pilates mit Baby“ gibt es für 16,95 Euro beim www.5w-verlag.de zu bestellen, Personal Training für Frauen nach der Schwangerschaft in München unter www.jw-balance.de. Die DVD enthält neben einer kompletten Anfänger- und einer Fortgeschrittenen-Trainingseinheit auch ein kurzes Workout für Tage, an denen nicht so viel Zeit zum Sporteln bleibt. Bei manchen Übungen sitzt das Baby einfach nur auf Mamas Bauch und genießt ihre Nähe, bei anderen dient es als zusätzliches Gewicht, das das Training erschwert. „Die Bauchübung, bei der Mama mit aufgestellten Beinen auf dem Rücken liegt, das Baby auf ihr Becken setzt, den Po anspannt und das Becken wie eine Brücke hochhebt, wird durch das zunehmende Gewicht des Babys beim regelmäßigen Training langsam immer schwerer“, beschreibt Jana Wetterau-Kliebisch. Die Kleinen sind dabei ihrer Erfahrung nach übrigens tatsächlich meist viel weniger quengelig als in Kursen, in denen sie einfach nur daneben sitzen.

Doch ganz gleich, ob mit oder ohne Baby, die Trainerin rät allen Müttern, nicht irgendein Fitnessangebot, sondern ein spezielles für Frauen nach der Schwangerschaft wahrzunehmen. „Mit den falschen Übungen oder falscher Anleitung kann man viel kaputt machen. Wenn eine Frau zum Beispiel mit dem Bauchmuskeltraining anfängt, obwohl ihr Beckenboden noch sehr schwach ist, drückt sie ihn nur noch weiter nach unten und die Gefahr der frühen Inkontinenz steigt“, warnt Wetterau-Kliebisch, „Solange noch ein Spalt zwischen den geraden Bauchmuskeln zu spüren ist (Rektusdiastase), darf die Frau nur Übungen für die schrägen Bauchmuskeln machen, sonst kann sich der Darm durch die Lücke herausdrücken.“ Dieses Expertenwissen hat ein nicht auf frischgebackene Mamas spezialisierter Fitnesstrainer oft nicht. Auf der DVD „Pilates mit Baby“ fließt es in die Erklärungen und Anleitungen mit ein.

Kangatraining – Workout mit Baby in der Tragehilfe

Kangatraining
Foto: © Nicole Pascher

Kangatraining-Gründerin Nicole Pascher aus Österreich hat ihr Workout nach dem Känguru aus der Zeichentrickserie Winnie Pooh benannt, denn dabei tragen die trainierenden Mütter genauso wie ein Känguru ihre Babys in der Tragehilfe vor dem Bauch. Später, wenn sie schwerer werden, auch auf dem Rücken. „Es ist wichtig, die richtige Tragehilfe zu benutzen, damit das Baby richtig gestützt wird und damit sich sein Gewicht gleichmäßig verteilt“, erklärt die professionelle Tänzerin und Spezialistin für postnatales Training, „Sonst bekommt die Mama Rückenschmerzen oder die Tragehilfe drückt wie ein zu enger Gürtel auf den Beckenboden.“ Pascher empfiehlt für das Kangatraining ein richtig gebundenes Tragetuch oder eine Komforttrage (z.B. Marsupi Plus, Bondolino, ERGObaby Carrier). Kangatrainerinnen verwenden die Manduca Babytrage (99 Euro, www.manduca.de).

Ein dreiviertel Jahr hat Nicole Pascher an der Idee des Kanga-Workouts gefeilt, um den Trainingsablauf optimal auf das mitturnende Baby abzustimmen: „Normalerweise macht man die Bodenübungen zum Schluss, doch wir fangen damit an, solange die Babys noch wach und fit sind. Zwei oder drei Songs geben sie uns Zeit, dann werden sie quengelig und kommen in die Trage.“ Nun folgt ein Intervalltraining für Oberschenkel, Po und Beckenboden zu lateinamerikanischen Salsa-Rhythmen und Discobeats aus den 70ern und 80ern. Nach Angaben der Gründerin ist Kangatraining ein vollständiges Workout, bei dem sowohl Herz-Kreislauf-Ausdauer, als auch Flexibilität, muskuläre Ausdauer und Koordination verbessert werden. „Nach spätestens 20 Minuten sind in unseren Kursen die meisten Babys eingeschlafen“, schmunzelt sie, „Den Rest der Stunde kann Mama ganz in Ruhe trainieren. Darum ist der beste Zeitpunkt, mit dem Training anzufangen, gerade dann, wenn das Baby quengelig und müde ist.“

Jede Kangatrainerin lernt in ihrer Ausbildung, dass Frauen nach der Schwangerschaft ein ganz besonders Fitnessprogramm brauchen und stimmt ihre Kursinhalte auf die Bedürfnisse des stark beanspruchten Körpers ab. „Während der Schwangerschaft muss die gerade Bauchmuskulatur auseinander weichen, damit das wachsende Baby Platz bekommt“, erklärt Nicole Pascher, „Beim Kangatraining werden daher keine üblichen Bauchmuskelübungen gemacht, sondern wir trainieren nur die tiefstliegende Bauchmuskulatur – den Transversus Abdominis. Es ist wichtig, dass dieser Muskel wieder fest ist, bevor wir die gerade Bauchmuskulatur trainieren.“ Auch Übungen im Vierfüßlerstand gehören nicht zum Workout, weil viele Frauen im letzten Drittel der Schwangerschaft am so genannten Karpaltunnelsyndrom in den Handgelenken leiden. Sie sollten dann zunächst nicht belastet werden. Generell dürfen die Übungen wegen des geschwächten Beckenbodens maximal hüftbreit gemacht werden.

Wie für jede Sportart gilt auch beim Kangatraining: Vorher bitte wenn möglich zur Rückbildungsgymnastik und auf jeden Fall zur postnatalen Untersuchung beim Gynäkologen gehen! Nicole Paschers Workout wird in Kursen unter anderem in Hamburg, Essen, München, Donaueschingen und Erlangen und ab März 2011 an vielen weiteren Standorten in Deutschland unterrichtet. Die DVD „Kangatraining“ kann für 29,90 Euro unter www.kangatraining.com bestellt werden.

Mama Power - Fit mit dem Kinderwagen

Mama Power
Foto: © TRIAS Verlag

Angela Kowsky, Autorin des Ratgebers „Mama Power – Fit mit dem Kinderwagen“ (14,95 Euro, TRIAS-Verlag), wünscht sich, dass wir Mütter etwas freundlicher mit unserem Körper umgehen. „Es wäre schön, wenn wir unsere Vorstellung davon, was attraktiv ist, wieder ausweiten würden, denn es macht uns alle nur unglücklich, wenn wir einem Idealbild hinterher laufen, das nichts mit unserer körperlichen Realität zu tun hat“, findet die Diplom-Sportwissenschaftlerin. Dennoch hat sie Verständnis dafür, dass Frauen nach der Geburt unzufrieden mit sich sind und etwas dafür tun möchten, um wieder in Form zu kommen. Ihr Ratgeber richtet sich an Mütter, die sich selbständig, im eigenen Tempo, nach eigenen Bedürfnissen und unabhängig von Kurszeiten aus einem großen Angebot die Übungen heraussuchen möchten, die zu ihnen passen. Dazu gehört natürlich eine ordentliche Portion Eigenmotivation.

„Sportliche Mütter stellen sich ein Rundumprogramm zusammen, überforderte Mütter probieren es mit einer Wohlfühlübung und Mütter mit Rückenschmerzen oder Problemen an der Dammnaht suchen sich etwas aus dem Kapitel ‚Mama-Power bei Beschwerden’ aus“, schlägt Angela Kowsky vor. Ihre Fitnesstipps hat sie unterteilt in Übungen mit Baby im Kinderwagen für unterwegs, Übungen mit Baby für zu Hause, Entspannungsübungen und Übungen für schonendere Bewegungsabläufe und eine bessere Haltung im Alltag mit Baby. Die Sportwissenschaftlerin verrät eine Übung für einen straffen Po: den so genannten „Nussknacker“, der sich beim Warten an der roten Ampel wunderbar ausprobieren lässt: „Dazu stellen Sie sich im hüftbreiten Stand hinter den Kinderwagen und halten locker den Lenkbügel. Spannen Sie nun Ihre Gesäßmuskulatur an, als wollten Sie zwischen Ihren Pobacken eine Nuss knacken und lösen die Spannung wieder. Wiederholen Sie diese Übung 10- bis 20-mal!“

Im Gegensatz zu anderen Trainingsprogrammen mit Kinderwagen sind die outdoor-Übungen bei Angela Kowsky eher unauffällig, sodass es den Frauen nicht peinlich sein muss, sie auch alleine bei einem Spaziergang auszuführen. Ebenfalls im Gegensatz zu anderen Konzepten geht es bei ihr nicht nur um Fitness, sondern um einen ganzheitlichen Ansatz. Die Übungsideen kommen daher zum Beispiel aus der medizinischen Trainingstherapie, dem Qigong und der Sitzmeditation nach Thich Nhat Hanh. Ziel bei „Mama Power“ ist nicht der Idealkörper, sondern eine entspannte Mama, die sich in ihrem Körper wieder zu Hause fühlt. „Einerseits wird die Belastbarkeit erhöht, andererseits die Belastung reduziert“, fasst Kowsky zusammen. Ihr Tipp vor der ersten Sporteinheit: „Gehen Sie mal beim Kinderturnen auf ein Trampolin! Wenn Sie ordentlich springen und dabei Ihren Beckenboden halten können, ist das ein gutes Zeichen. Haben Sie das Gefühl, Ihnen rutscht alles heraus, sollten Sie vorsichtiger mit dem Sport beginnen und auch ein Beckenbodentraining integrieren.“

Weitere Fitnessangebote, bei denen das Baby integriert wird

  • www.buggyfit.de
    Workout mit Baby im Kinderwagen, bei gutem Wetter draußen
    Kurse in Berlin, Ulm, Neu Ulm, Erbach, Murnau, Bad Tölz, Penzberg, demnächst in weiteren deutschen Städten
  • www.mamafit.de
    30minütiges Fitnessprogramm mit zehn Kraftübungen, Baby sitzt in der Trage vor dem Bauch
    als „MamaFit HörPoster“: die Übungen werden auf einem Poster abgebildet und auf einer beiliegenden CD erklärt (14,90 Euro)
    Kurse in Berlin
  • www.fit-mit-baby.de
    verschiedene Kurse wie „Pilates mit Baby“, „Baby-BOP“ und „Fit mit Baby“ in Köln,
    Baby wird in die Übungen mit einbezogen
  • www.fitdankbaby.de
    von Fitnesstrainern und Physiotherapeuten entwickeltes Trainingskonzept für Mutter und Kind,
    Babys werden je nach Übung mit einem speziell entwickelten Gurt an Mamas Körper befestigt, als „Hantel“ in die Luft gestemmt oder als „Tanzpartner“ mit herumgewirbelt
    Kurse bisher in sechs, demnächst auch in weiteren Bundesländern
  • www.gingerbar-berlin.de
    Yoga mit Baby
    Babys werden zum Teil mit einbezogen, sitzen z.B. während der Übung auf Mamas Oberschenkel
    Kurse in Berlin
  • www.fit-mit-kinderwagen.de
    60minütiges Outdoor-Trainingsprogramm mit Kinderwagen mit besonderem Augenmerk auf den Beckenboden; Kind und Kinderwagen werden aktiv in das Training einbezogen
    Kurse im Raum Frankfurt