Vorfreude mit kleinen Hindernissen

Es lebe das Christkind!

Weihnachtsstress und Hektik beginnen in jedem Jahr ein wenig früher. Ein augenzwinkerndes Klagelied einer Mutter über die vermeintlichen Freuden der Vorweihnachtszeit.

Autor: Petra Fleckenstein
Junge malt Weihnachtsbild
Foto: © iStockphoto.com/ YvanDube

Sommer. "La dolce vita" liegt in der Luft, Trägershirts, Sonne auf der Haut und Eiskaffee. Die Kinder riechen nach süßem Schweiß und Sonnenmilch. Welch ein Leben, leicht wie ein Wattebausch. "Mama", tönt es da aus eisverschmiertem Kindermund: "Wann schreiben wir den Wunschzettel fürs Christkind?" Neeiiin, ich will nicht. Mein inneres Auge gebiert ein hässliches Szenario. Ich packe diese Lichtgestalt am Flügel, brülle in ihr sanft blickendes Kindergesicht und werfe sie ein für alle mal zum Fenster hinaus. Nie mehr Christkind!

"Mami", dringt es mir abermals ins Ohr, "Mami, kann das Christkind denn lesen?" Oh, nein, nicht schon jetzt. Verschont mich wenigstens bis zu den Tagen von Schmuddelwetter und Glühweinduft. Umsonst. Vier erwartungsvolle Kinderaugen treiben mich in die Kapitulation vor dem geballten Wunsch nach Güte, Glanz und Geschenke-Service: "Ist ja gut. Klar schreiben wir bald den Wunschzettel, und das Christkind konnte schon immer lesen und nun esst euer Eis."

So beginnt es jedes Jahr. Bereits an warmen Sommerabenden brüte ich über handgeschöpftem Briefpapier und notiere in goldener Tinte das unschuldige Begehren der lieben Kleinen: "Ich will einen großen Haifisch, der nur mir allein gehört und nicht meinem Bruder" und "ich einen roten Porsche, der Deinen blöden Haifisch über den Haufen fährt." Sind alle Wünsche ausgelotet, steht die Frage der Zustellung an. Tobias* plädiert lautstark für den Briefkasten, während Florian darauf besteht, die bedeutenden Dokumente gut sichtbar vor dem Fenster zu befestigen. Na, gottseidank will dieses Jahr keiner die Brieftaube bemühen.

Es geht in die nächste Runde: Tobias bewegt die Frage, wie das Christkind wohl das logistische Problem löst, einen Haufen Geschenke durch die Luft zu balancieren, alle Kinder der Welt an ein und demselben Abend zu beglücken und mit vollen Händen und ausgebreiteten Flügeln das Wohnzimmerfenster zu öffnen – von außen wohlgemerkt. Kein Problem, das Christkind kann sich klonen und an tausend Fenstern gleichzeitig sein, die öffnet es sanft mit einer himmlischen Fernbedienung und lässt seine Gaben auf einem Lichtstrahl sanft ins Innere gleiten.

Nun bin ich schon richtig in Übung. Was wollt ihr sonst noch wissen? Warum wir uns zum Umtausch der himmlischen Güter im Kaufhaus drängeln müssen oder weshalb das Christkind in manchen Liedern zum Weihnachtsmann mutiert? Keine Sorge, auch auf diese ausgefuchsten Fragen habe ich irgendeine Schwindelei parat und verstricke mich tiefer und tiefer in ein Gespinst aus Kitsch, schöner heiler Welt und Science Fiction. Egal! Kühle Ratio und kalten Verstand haben wir genug in unserer Welt. Ein wenig Träumerei und Märchen gehören einfach dazu. Es lebe das Christkind!

* Namen geändert