Geschwister erzählen

Wir sind eineiige Zwillinge

Sie sehen sich zum Verwechseln ähnlich, grenzen sich aber auch stark ab: Eineiige Zwillinge berichten über das, was sie eint, und über das, was sie trennt.

Autor: Gabriele Möller

Manuel und Patrick sind gleich und doch so anders

Zwillinge Jungen
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Wenn man sie etwas fragt, antworten sie oft einstimmig oder ergänzen routiniert und übergangslos die Bemerkungen des jeweils anderen. Manuel und Patrick, beide 13, sind ein eingespieltes Team. Kein Wunder, denn sie sind eineiige Zwillinge. Mit der Harmonie ist es jedoch im Alltag ansonsten nicht weit her. "Wir zanken uns so ziemlich den ganzen Tag", bekennen sie freimütig, und Mutter Sandra nickt seufzend. Die übliche Konkurrenz unter Geschwistern tritt bei eineiigen Zwillingen oft in verschärfter Form auf. Sie sehen nicht nur fast gleich aus, sie haben auch das gleiche Alter und Geschlecht – da muss man sich in die Quere kommen. Und man muss sich gegen den anderen abgrenzen und seine Individualität (oft sehr energisch) verteidigen. Es ist daher für diese enge Geschwisterbeziehung überlebenswichtig, dass sich einer vom anderen unterscheidet, eigene Stärken und Interessen entwickelt. "Darauf haben wir von Anfang an sehr geachtet", berichtet Sandra. So besuchen Manuel und Patrick unterschiedliche Schulklassen, haben verschiedene Hobbys und auch ihr Outfit ist unterschiedlich. Trotz weitgehender Identität ihrer Erbanlagen haben die Zwillinge unterschiedliche Vorlieben ausgeprägt: So ist Patrick gut in Mathematik, während sich Manuel lieber an andere Naturwissenschaften und die Kunst hält.

Wenn man für dasselbe Mädel schwärmt

Zwillinge werden manchmal von anderen Kindern beneidet. Ist es wirklich toll, einen Zwillingsbruder zu haben? Manuel (der "ältere", weil erstgeborene Zwilling) findet das schon: "Wenn man sich mal einsam fühlt, kann man zu dem anderen gehen und mit ihm reden." Andererseits findet er, dass es auch ganz schön anstrengend sein kann, einen Zwilling zu haben: "Man hat wenig Privates, weil der andere immer da ist." Das findet auch Patrick, ist aber doch ganz froh, dass es Manuel gibt, denn: "Es wäre doch sonst total öde." Öde wird es in der vierköpfigen Familie aber nie. Zum Beispiel, weil sich die Jungs trotz ihrer Eigenständigkeit oft in die Quere kommen – bei den Mädchen zum Beispiel. "Es kommt halt vor, dass wir da denselben Geschmack haben und uns für Dieselbe interessieren", erzählt Patrick – und erntet einen finsteren Seitenblick von Manuel. Der erinnert sich lieber an die Zeit, als er und sein Bruder sich noch zum Verwechseln ähnlich sahen und man die Mitschüler und Lehrer so richtig schön verwirren konnte. "Als die beiden klein waren, musste sogar ich manchmal ganz genau hingucken, um sie unterscheiden zu können", berichtet Mutter Sandra verschmitzt. Hilfreich war da nicht zuletzt eine kleine Narbe, die nur einer der Zwillinge hatte...

Inzwischen haben die Zwillinge sich auch optisch auseinander entwickelt: Patrick ist kräftiger und etwas größer. Doch das macht Manuel nichts aus. Sein Hobby, der Judo-Sport, sorgt nämlich dafür, dass er seinem Bruder körperlich nicht unterlegen ist – ganz wichtig im täglichen Wettkampf um die Vorherrschaft unter den Brüdern. Dieses Ringen wird oft aber auch ganz subtil ausgeführt, "indem man einander zum Beispiel bei Eltern und Verwandten gegenseitig ausspielt", wie die Mutter berichtet. Darin unterscheiden sich Zwillinge wohl nicht von anderen Geschwisterkindern.

Lebenslang eine sehr enge Beziehung

Trotz aller Konflikte und Abgrenzungsprobleme: Eineiige Zwillinge bleiben sich meist ein Leben lang sehr nahe, wohnen in derselben Stadt oder sogar im selben Haus. Auch Manuel und Patrick sind sich aller Streiterei zum Trotz in diesem Punkt erstaunlich einig: Zumindest einige Jahre lang werden sie sich später eine Junggesellenwohnung teilen: "So von 18 bis 25 würden wir gern zusammen wohnen", erzählt Manuel und Patrick nickt zustimmend. Wenn sie dann Familie und Kinder (die sie sich beide wünschen) haben, soll zwar in verschiedenen Wohnungen, aber zumindest in derselben Stadt gelebt werden. Beruflich allerdings werden sich ihre Wege sicher teilen. Manuel möchte gern Kunstmaler oder Architekt werden, Patrick dagegen hält sich lieber ans Handfeste: Er wünscht sich einen handwerklichen Beruf.