Kolumne „Fröhliches Familienleben"

Mama, wo war nochmal rechts?

In welche Hand gehört der Buntstift? Felicitas Römers Sohn mag sich da noch nicht entscheiden und wechselt in der Vorschule fröhlich zwischen linker und rechter Hand. Anlass für seine Mutter, sich Gedanken über Beidhänder, Linkshirner und Rechtsfüßler zu machen.

Autor: Felicitas Römer

Gedanken über Beidhänder, Linkshirner und Rechtsfüßler

Felicitas Roemer

Mein Sohn besucht seit einiger Zeit die Vorschule. Mit großem Erfolg. Zumindest insofern, als er sich morgens fröhlich auf den Weg macht. Kaum angekommen, widmet er sich ausgiebig den Montessori-Mathe-Klötzchen, Bilderbüchern und Klassenkameraden. Weniger prima findet er hingegen das Basteln, Malen und Schreiben. Was möglicherweise daran liegt, dass der Gute noch überhaupt keinen Plan hat, in welche Hand er Buntstift, Schere oder Kleber nun eigentlich nehmen soll. Hier ein roter Kreis mit der Rechten, dort ein grünes Ei mit der Linken gekrickelt, so wechselt er ständig hin und her. „Bis er in die erste Klasse kommt, muss sich die Händigkeit aber entschieden haben“, mahnte mich kürzlich eine pädagogisch studierte Bekannte.

Doch wie könnte ich diesen für mich unsichtbar ablaufenden Hirnreifungs-Prozess beschleunigen? Und wieso sollte ich? Möglicherweise fördere ich dann aus Versehen die „falsche“ Hand, und beim Söhnchen entsteht ein Knoten im Kopf wie bei all den umgeschulten Linkshändern meiner Generation? Vielleicht bekommt er anschließend eine ausgeprägte Lese-Rechtschreib-Störung, wird sprachlich auffällig und entwickelt als Sekundärfolge massive Minderwertigkeitskomplexe? Und ich darf meine kostbaren Nachmittagsstunden hinfort bei einer kostenintensiven Ergotherapeutin vertrödeln?

Mit beiden Händen gleich geschickt?

Flugs googelte ich nach Händigkeits-Tests. „In welche Hand nimmt Ihr Kind die Gabel?“ – „Mit welcher Hand klopft es an die Tür?“ – „Mit dem Finger welcher Hand bohrt es in der Nase?“ Die Auswertung war eindeutig uneindeutig: Mal links, mal rechts, fifty-fifty eben. Und manchmal kritzelt er sogar mit beiden Händen gleichzeitig. „Vielleicht ist Ihr Sohn ein Ambidexter“, gab die Lehrerin zu bedenken. „Es gibt Kinder, die mit beiden Händen gleichermaßen geschickt sind.“ Sie gab uns den weisen Rat, einfach abzuwarten. Ambi-was? Ich googelte weiter. Und so lernte ich, dass die Schreibhand längst nicht das einzige Kriterium für Händigkeit ist. Genau so wichtig ist nämlich, mit welcher Hand wir spontane Reaktionen zeigen, einen Ball fangen oder einen Angriff abwehren.

Experten streiten, ob es „echte“ Beidhänder überhaupt gebe oder ob es sich hierbei „bloß“ um umerzogene Linkshänder handele. Ins Grübeln kam ich darüber, dass Blonde statistisch gesehen doppelt so häufig linkshändig sind wie Braunhaarige. Und wusstest du schon, dass auch Hunde Links- oder Rechtspföter sind? Ob es allerdings auch Links- und Rechtspaarhufer bei Kühen und Links- und Rechtsfüßler bei Kellerasseln gibt, konnte ich leider nicht ausfindig machen. Zum krönenden Abschluss meiner Recherche unterzog ich mich einem dreistündigen Selbsttest: Ich bin schwacher Rechtshänder mit starker Tendenz zur Beidhändigkeit. Vielleicht habe ich dieses leicht indifferente Gen direkt meinem Filius vererbt? Und du, bist du Links- oder Rechtshirner? Viele Experten verfechten nämlich die These, dass bei manchen die rechte Hirnhälfte dominant sei und bei manchen die linke. Andere halten diese Annahme für dummes Zeug. Wiederum andere behaupten, dass die rechte Hirnhälfte für Emotionen und Kreativität, die linke hingegen für den analytischen Verstand zuständig sei. Neuere Ergebnisse der Hirnforschung sprechen allerdings gegen diese populäre Ansicht. Und das limbische System, also das Zentrum für Gefühlsverarbeitung, liegt mittig im Gehirn, so dass die geographische Aufteilung in Emotion/rechts und Ratio/links schon aus rein anatomischen Gründen unlogisch anmutet. Wissenschaftliche Einigkeit besteht einzig darin, dass beide Hemisphären irgendwie miteinander kooperieren.

Links ist, wo der Daumen rechts ist

Das alles interessiert meinen Sohn herzlich wenig. Seine Hirnhälften knobeln die bevorzugte Schreibhand eben noch aus. Und weil das eventuell noch ein wenig dauern kann, übe ich mit ihm zwischenzeitlich das Rechts-Links-Verständnis. Wenn wir eine Straße überqueren. Oder beim Händewaschen. „Links ist, wo der Daumen rechts ist“: Dieser Spruch aus meiner Kindheit ließ in mir tiefste Zweifel an meiner Intelligenz aufkeimen. Ich verstand ihn nicht. Denn kaum wendete ich meine Hand, war links da, wo auch der Daumen links ist. Als ich endlich merkte, dass dies keine ernst gemeinte Bedienungsanleitung für die Wahl der richtigen Seite, sondern eine Art Scherz sein sollte, war ich schon erwachsen.

Sitze ich neben meiner Freundin auf dem Beifahrersitz, darf ich sie auf keinen Fall nach „rechts“ oder „links“ schicken: Hier droht akute Unfallgefahr! „Da lang!“ plus ausgestrecktem Zeigefinger in die gemeinte Richtung ist zwar alles andere als formvollendete Höflichkeit, in diesem Fall aber überlebensnotwendig. Doch wer wollte ihr ernsthaft einen Vorwurf machen: Selbst in der Politik herrscht ja mittlerweile eine ausgeprägte Rechts-Links-Schwäche! Manchmal fragt man sich doch schon, ob die SPD überhaupt noch irgendwie links ist. Und wenn „die Linke“ richtig links ist, ist dann die SPD ein bisschen weniger links oder falsch links oder doch schon bisschen rechts oder was?

Und wenn schon gestandene Politiker nicht mehr wissen, wo rechts und links ist, darf ja wohl auch mein 5-Jähriger den Stift von einer in die andere Hand wechseln und gelegentlich fragen: „Mama, wo war nochmal rechts?“ Schließlich meint auch Ernst Jandl: „manche meinen lechts und rinks kann man nicht velwechsern werch ein illtum“.