Signale des Kindes wahrnehmen

Wie Kinder ihre Eltern erziehen (Interview)

Im Gespräch mit urbia.de verrät die Pädagogik-Professorin Sabine Michalek von der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin wie Kinder den Erziehungsstil ihrer Eltern beeinflussen und gibt Tipps für schwierige Alltagssituationen.

Autor: Gabriele Möller

Kinder bringen auch etwas mit

Kinder erziehen Eltern Interview
Foto: © colourbox

Wie kommt es, dass Eltern und sogar Psychologen oft noch glauben, Kinder seien vor allem ein Produkt ihrer Erziehung?

Prof. Michalek: Hier wird man leicht in eine falsche Richtung gelenkt. Vor allem, wenn ein Kind ein Fehlverhalten zeigt, wurde bisher vor allem darauf geschaut, was die Eltern versäumt haben. Aber Kinder bringen auch etwas mit. Jedes Kind ist unterschiedlich, daher gehen Eltern auch mit jedem Kind anders um.

 

Ist dieser Einfluss des Kindes auf seine Erziehung immer gut?

Prof. Michalek: Es gibt Kinder, deren Veranlagung es Eltern leichter macht: Dies sind zum Beispiel resiliente (widerstandsfähige, relativ belastbare) Kinder, sie sind ziemlich "pflegeleicht". Oder auch vulnerable, also verletzliche Kinder. Denn sie zeigen sich für Trost und Ermutigung durch die Eltern empfänglich und dankbar, was den Eltern wiederum ein gutes Gefühl gibt. Umgekehrt gibt es tatsächlich "erziehungsschwierige" Kinder. Dies sind Kinder mit Regulationsstörungen oder mit Schwierigkeiten in der Selbstkontrolle, wir nennen sie auch unterkontrollierte Kinder. So ein Kind kann, wenn es klein ist, nur schwer sitzen bleiben, es matscht viel, stört bei Gesprächen. Als Schulkind wird es bei Frustration schnell wütend, fegt die Hausaufgaben vom Tisch, wird manchmal zum Leistungsverweigerer oder entwickelt eine Medien-Sucht. Oft mögen diese Kinder auch keine Berührungen, sondern stoßen die Eltern weg, was für diese besonders schwierig ist.

Feinfühliger Umgang in schwierigen Alltagssituationen

Können Eltern von ihrem Kind lernen, was es braucht?

Prof. Michalek: Ja. Wichtig ist, dass Eltern die Signale ihres Kindes wahrnehmen und feinfühlig auf sie reagieren. Sie sollten auf ihre Intuition achten. Natürlich gelingt dies am leichtesten, wenn ein Kind eindeutige Signale sendet. Dies ist vor allem bei Kindern der Fall, die Gefühle zeigen, auf elterliche Gefühle eingehen und sie widerspiegeln. Bei Kindern, die das nicht können, sollten Eltern sich trotzdem nicht entmutigen lassen, sondern stark bleiben und selbstbewusst auf ihr Ziel hinarbeiten.

Was tun, wenn Eltern das Gefühl haben, dass ihr Kind ihr Erziehungsverhalten ungünstig beeinflusst, sie zum Beispiel strenger sind als sie es wollen?

Prof. Michalek: Wenn es immer wieder Probleme im Alltag gibt, bekommen Eltern Rat in Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) oder bei Kinder-Psychiatern. Zum Beispiel haben manche unterkontrollierte Kinder sensorische Probleme: Gesprochene Aufforderungen wie "Lass das bitte!" kommen bei ihnen gar nicht an. Sie reagieren aber gut auf körperliche Berührungen, wie etwa eine auf die Schulter gelegte Hand. Andere Kinder wiederum explodieren, wenn man sagt, "Jetzt kommt der iPad aber mal weg!" Diese Kinder reagieren ruhiger, wenn die Eltern schon einige Minuten vorher ankündigen, dass das Spielen gleich zu Ende ist. Und Kinder, die keine Zärtlichkeit mögen, brauchen eher kurze, feste Berührungen, wie eine feste Umarmung. Solche Dinge muss man einfach wissen.