Schlechte Angewohnheiten stören meist nur die Großen

Kleine Marotten: So wird dein Kind sie wieder los

Haare zwirbeln, Nase bohren, Stifte kauen - fast jedes Kind entwickelt gelegentlich eine unschöne Gewohnheit. Warum das passiert, und wie der Nachwuchs sie wieder los wird!

Autor: Gabriele Möller

Haare zwirbeln - Blitzableiter für den Kopf

Kind Marotten Teaser
Foto: © Fotolia.com/ elisabetta figus

Warum uns eine bestimmte Verhaltensweise beim Nachwuchs stört, kann unterschiedliche Gründe haben: Sie ist vielleicht schädlich für das Kind (Haare zwirbeln) oder für Andere (Beißen), sie kann eklig sein (Nase hochziehen) oder Dinge beschädigen (Stifte kauen). Das Kind selbst leidet dagegen meist kaum unter der "Marotte", sondern allenfalls unter ihren Ursachen. Damit es die schlechte Angewohnheit loslassen kann, müssen Eltern diese Ursachen verstehen - aber auch die Funktion, die die Gewohnheit im Alltag für das Kind hat.

Die Angewohnheit: Wenn es an eine knifflige Mathe-Hausaufgabe geht oder in der Schule eine Lernzielkontrolle ansteht, dreht sich Hanna (6) einzelne Haarsträhnen stramm um den Finger.

Was dahinter steckt: Psychologen deuten diese sog. Übersprunghandlung als eine Art Selbsthilfe, um Unruhe, Angst, oder Aufregung zu kanalisieren. Während Hanna sich konzentriert, leitet ihre "zwirbelnde" Hand zugleich ihre Anspannung körperlich ab - fast wie ein Blitzableiter.

Tschüss Haare zwirbeln! Oft geht Haaredrehen oder auch -kauen von selbst weg. Die Eltern sollten Hanna nicht tadeln, denn dann müsste sie das Zwirbeln unterdrücken, was die Anspannung noch erhöht. Sie können ihr aber eine Alternative vorschlagen: Hanna könnte bei den Hausaufgaben oder Klassenarbeiten einen verformbaren Knet-Radiergummi drücken.

Hauen und Beißen - Reden ist noch nicht mein Ding!

Die Angewohnheit: Jamie (3) eckt momentan in der Kita-Gruppe und bei den Erzieherinnen an, denn er beißt oder schlägt andere Kinder, wenn er wütend ist.

Was dahinter steckt: Im dritten Lebensjahr beginnen Kinder verstärkt, sich zu wehren. Fühlen sie sich angegriffen, reagieren sie dabei oft noch sehr körperlastig, denn Reden ist noch nicht so ihr Ding.

Tschüss Hauen und Beißen! Die Eltern können Jamie erklären, dass man auch mal laut werden kann, anstatt zu hauen. Sind sie selbst Opfer der Attacke, können sie seinen Arm festhalten, ihn ansehen und energisch sagen "Nein! Wir schlagen uns nicht!" Keinesfalls dürfen Eltern sich jetzt traurig zeigen. Dies macht einem Kind Angst, denn so viel Macht möchte es gar nicht haben. Hält das aggressive Verhalten mehr als sechs Monate an, ist es oft ein Hilferuf: Das Kind hat Angst oder braucht mehr Orientierung. Jetzt hilft eine Erziehungsberatung.

Nase bohren - aber bitte allein!

Die Angewohnheit: Wenn Chiara fernsieht, ein Hörspiel hört oder sich auch bloß langweilt, wandert ihr Finger oft in die Nase - und das, was zutage befördert wird, an ihre Kleidung oder aufs Sofa.

Was dahinter steckt: Das Nasebohren ist eine schlechte, aber harmlose Angewohnheit, die meist keine tiefere Bedeutung hat. Wie viele andere "Spleens" dient sie manchmal dem Abbau von unguten Gefühlen wie Langeweile oder auch Anspannung.

Tschüss Nase bohren! Weil andere Kinder angeekelt reagieren, sollten die Eltern Chiara helfen, sich das Popeln in der Öffentlichkeit abzugewöhnen. Das funktioniert am besten, wenn sie es nicht rigoros zu verbieten versuchen. Sondern Chiara bitten, es nur zu machen, wenn niemand dabei ist, und sich dazu ein Papiertaschentuch aus der bereit stehenden Box zu nehmen.

Stifte kauen fühlt sich gut an!

Die Angewohnheit: Blei- und Buntstifte haben es Christoph angetan: Weil ihr Holz ein wenig nachgibt, fühlt es sich angenehm an, darauf herum zu kauen. In der Schule, aber auch bei den Hausaufgaben wandert das Stiftende immer wieder zwischen seine Zähne.

Was dahinter steckt: Wenn Kinder schreiben oder rechnen, ist nicht nur ihr Kopf aktiv, sondern auch ihre Motorik wird angeregt. Das Kauen kompensiert diesen Bewegungsdrang. Umgekehrt kann es auch dazu dienen, Langeweile zu überbrücken. Hinzu kommt die menschliche Vorliebe für das Kauen elastischer Dinge (Kaugummi, Lakritz, Gummibärchen).

Tschüss Stifte kauen! Die Buntstifte werden verschont, wenn die Eltern Christoph bitten, nur einen bestimmten (besonders weichen) Bleistift zum Kauen zu nehmen. Zu Hause kann er beim Malen und Schreiben ersatzweise Kaugummi kauen. Im Laufe der Zeit wird diese Angewohnheit von selbst verschwinden.

Ordnungsfimmel gibt ein sicheres Gefühl

Die Angewohnheit: Es dauert immer ewig, bis Manuel (6) abends zufrieden im Bett liegt. Denn auch nach der Gutenachtgeschichte ist längst noch nicht Feierabend: Zuerst muss er noch seine Bettdecke exakt in allen Ecken ausrichten und sie akribisch glattziehen.

Was dahinter steckt: Vor allem, wenn größere Entwicklungsschritte anstehen ( Einschulung), entwickeln Kinder oft Rituale: Sie machen den Lichtschalter immer drei Mal an und aus, richten ihre Buntstifte auf dem Schreibtisch nach Größe aus oder ordnen umständlich ihre Bettdecke. Psychologen erklären, dass ihnen Rituale ein Gefühl der Sicherheit geben.

Tschüss Ordnungsfimmel! Eine leichte Zwangshandlung wie diese ist bei Kindern häufig und geht meist von selbst vorbei. Wenn das Verhalten länger als einige Monate anhält, wenn es den Alltag des Kindes einschränkt, oder wenn es einen anstehenden Entwicklungsschritt (z. B. Kiga-Start) trotzdem längere Zeit nicht bewältigt, sollten Eltern kinderpsychologische Hilfe suchen.

Daumen und Nucki - Trost auch noch im Kiga-Alter

Die Gewohnheit: Lukas (3) lebt nach der Devise: Nie ohne meinen Nucki! Er trägt ihn fast pausenlos, auch im Kindergarten. Die anderen Kinder ziehen ihn auf, und die Erzieherinnen appellieren vergeblich an ihn, dass er doch eigentlich zu groß für den Schnuller sei.

Was dahintersteckt: Wenn ein Kind nach dem dritten Geburtstag noch am Daumen oder dem Nucki lutscht, steckt oft das Bedürfnis nach mehr Nähe und Geborgenheit dahinter. Das Saugen tröstet und beruhigt - zum Beispiel bei der Eingewöhnung im Kiga, oder auch bei Konflikten zu Hause.

Tschüss Nucki! Eltern sollten dem Nachwuchs jetzt viel Nähe geben. Erst, wenn die für das Kind schwierige Phase geschafft ist, kann es das Nuckeln aufgeben. Es kann den Sauger zum Beispiel gegen ein Geschenk der Schnuller-Fee überlassen. Der Daumen wird - weil immer greifbar - dagegen eher schrittweise losgelassen: Eltern können anfangs jede ohne Daumen geschaffte Situation (z. B. Zeitraum einer Hörspiel-CD) würdigen.

Nase hochziehen - meist ein kurzlebiger Tick

Die Situation: Magnus' Erkältung ist längst weg, aber er zieht immer noch gefühlte 10.000 Mal am Tag lautstark die Nase hoch. Ermahnen ihn die Eltern, das zu lassen, sagt er: "Aber es fühlt sich an, als ob ich immer noch Schnupfen hätte!"

Was dahinter steckt: Mediziner nehmen bei Ticks wie Räuspern, Schnüffeln oder Nasehochziehen eine Störung im Haushalt des Botenstoffs Dopamin im Gehirn als Ursache an.

Tschüss Tick! Bei Kindern verschwinden Ticks fast immer nach einigen Wochen von selbst. Eltern sollten den Nachwuchs nicht ermahnen - der Tick geht davon nicht schneller weg. Hält die Angewohnheit länger an oder kommen andere hinzu (Augenzwinkern, Grimassieren etc.), sollten sie sich an den Kinderarzt wenden.

Nägel kauen - nicht immer steckt ein Problem dahinter

Die Gewohnheit: Nina (4) hatte sich mit drei Jahren das Daumenlutschen abgewöhnt. Nur wenig später begann sie, an den Nägeln zu kauen. Ermahnungen helfen nicht, ihre Finger wandern immer noch ständig in den Mund.

Was dahintersteckt: Etwa ein Drittel aller Kinder kaut phasenweise an den Nägeln. Manchmal stecken zwar Belastungen dahinter (Probleme im Kiga, Schulstress, Verunsicherung). Oft tritt es aber auch einfach bei Konzentration (Schulaufgaben), beim Fernsehen oder auch bei Langeweile auf.

Tschüss Nägel kauen! Das Kauen verschwindet oft von selbst. Damit es nicht erst chronisch wird, kann man mit Zustimmung des Kindes (!) eine bittere Tinktur (Apotheke) auftragen, oder bei Mädchen Nagel-Tattoos aufkleben. Jeder neue Millimeter Nagel darf gefeiert werden. Wird aber gebissen, bis es blutet oder eitert, mit Erzieherinnen, Lehrern oder auch einem Kinderpsychologen über mögliche Belastungen sprechen.