Warum nur?

10 unlösbare Rätsel des Familienalltags

Das Leben ist ein Wunder – und mit Familie wird es oft sogar regelrecht mysteriös. Denn im Alltag mit Kind stehen Eltern vor Rätseln, die weder mit Logik, noch mit Hilfe der Naturwissenschaften zu lösen oder zu erklären sind. 10 „Warum nur…?“-Fragen einer ratlosen Mutter.

Autor: Kathrin Wittwer

Wie kann das nur sein?

Mädchen Kofferraum
Foto: © colourbox

Das Leben als Single ist manchmal vielleicht langweilig, aber beruhigend berechenbar. Tritt ein Mann ins Leben, dämmert uns Frauen nach und nach, dass vermeintliche Klischee-Streitfragen des Zusammenlebens von Mann und Frau – Klodeckel auf oder zu, Zahnpasta ausquetschen oder aufrollen – leider gar nicht so lachhaft und abwegig sind, wie wir einst meinten. Warum nur machen Männer das so?, fragen wir uns ratlos.

Kommen dann aber noch Kinder dazu, nimmt das Rätselraten gar kein Ende mehr: Warum nur können Männer allnächtlich sirenenartige Heulanfälle eines Neugeborenen verschlafen? Warum nur werden  Kinder stets prompt zu Urlaubsbeginn krank? Warum sind sie für direkt ins Ohr geflötete Bitten, etwas (nicht) zu tun, komplett taub, können aber auf hunderte Meter Entfernung das geflüsterte Wort „Eis“ hören? 

1. Warum nur verursacht ein Kind Wäscheberge für drei?

Als sich mein Haushalt einst um einen ausgewachsenen Mann verdoppelte, machte sich dies im wöchentlichen Wäschereivolumen erstaunlicherweise nur marginal bemerkbar. Ab dem Moment, als ein nicht mal Halbmeterwesen bei uns einzog, explodierte der Wäscheberg hingegen um das gefühlt Zehnfache.

Noch heute frage ich mich, ob unser Kind nicht unbemerkt zwei Geschwister ins Haus geschleust hat, denn anders kann ich mir den rasanten Durchlauf an Schmutzkleidung nicht schlüssig erklären. Im Verdacht habe ich die berühmt-berüchtigten „Jemand" und „Einer", ab einem gewissen Alter unverzichtbare und doch stets unsichtbare Mitbewohner eines jeden Kinderzimmers, in dem dringend Schuldige gebraucht werden, denen man mit „Das war jemand anderes!" fröhlich bemalte Wände, umgekipptes Tuschwasser und erdbebenartig verwüstete Spielecken in die Schuhe schieben kann.

2. Warum ist ein zartes Kleinkind auf einer Treppe so laut wie eine Elefantenherde?

Als mein Kind geboren wurde, wog es exakt anderthalb Mehltüten. Bis heute hält sich ihre Größen- und Gewichtsentwicklung hartnäckig im Schatten der untersten Perzentile, anhand derer Altersgenossen verglichen werden. Will sagen: Das Kind ist optisch die personifizierte Definition von „zerbrechlich" und bricht tatsächlich nach eigenen Angaben allabendlich beim Tischabräumen unter der Last dreier Teller fast zusammen. Rein logisch sollte dieses elfengleiche Wesen also nahezu lautlos durchs Haus schweben. Doch wehe es nimmt die Treppe! Dann dröhnt und vibriert besagtes Haus jedes Mal, als wäre eine panische Elefantenherde auf der Flucht und im Küchenschrank klirren die Gläser aneinander. Ich habe es getestet: Trotz eines mehr als dreifachen Körpergewichts scheitere ich daran, ähnlich wirksame Stampfkräfte zu entwickeln. Kann es sein, dass pure kindliche Lebensfreude beim Hüpfen und Springen derart spürbar ins Gewicht fällt?

3. Warum müssen Kinder immer aufs Klo, wenn man gerade die Raststätte passiert hat?

Es ist ein Klassikerdialog vor allen längeren Autofahrten. Die Eltern: “Wir fahren gleich los, musst du noch mal auf Klo?” Das Kind: „Nein.“ „Wirklich nicht?“ „Nein, wirklich nicht.“ „Ganz sicher?“ „Ganz sicher.“ Zwei Minuten unterwegs. Das Kind: „Ich muss mal.“ Die Eltern: „Hmpf.“

Mit einem deutlich höheren Adrenalinstoß verbunden ist dieses Spiel auf Autobahnfahrten, wenn das Kind 2.000 Meter lang vor einer Parkplatzausfahrt mehrfach glaubhaft versichert, ganz bestimmt nicht pullern zu müssen. Und diese Aussage in exakt der Sekunde revidiert, in der man die Ausfahrt hinter sich gelassen hat. Dann aber ist es extrem dringend und keinesfalls können auch nur zwei weitere Kilometer ausgehalten werden! Warum nur tut Kind das? Und noch interessanter: Warum verdammt lerne ich nicht, gar nicht erst zu fragen, sondern einfach anzuhalten?

4. Warum braucht es länger, zwei Kinder für einen Spielnachmittag zu verabreden, als den gesamten Jahresurlaub durchzuplanen?

Wenn ich früher, als Kind, mit einer Freundin spielen wollte, bin ich einfach losgezogen und habe bei ihr geklingelt. Meistens war jemand da, wenn nicht, versuchte man es an der nächsten Adresse, spätestens dann war man nicht mehr allein. Wenn mein Kind heute am Samstagnachmittag die Nachbarschaft abradelt, kommt es fast immer unverrichteter Dinge zurück – nicht da, hat Besuch, ist gleich verabredet, hat schon was vor. Ähnlich klingt es oft, wenn wir versuchen, einen gemeinsamen Spielnachmittag vorab auszumachen. Lange Schultage, Kurse, Arzttermine, Therapien, Oma-Opa-Nachmittage, Wochenendreisen, eine andere Verabredung, mal geht's für Mama nicht: Irgendwas ist immer.

Da können ganze Jahreszeiten und komplette Urlaube vergehen, bis sich ein Nachmittag findet, der in beiden Kalendern noch jungfräulich terminfrei strahlt. Und wenn der dann endlich da ist? Wird eines der Kinder krank. Oder man hat sich grad abgefreundet. Oder einfach nur keine Lust. Wann ist das nur so kompliziert geworden?

5. Warum ist man beim Abholen NIE zur richtigen Zeit da?

Einmal, nur ein einziges Mal, bevor mein Kind volljährig wird, möchte ich gern diesen filmreifen Moment erleben, in dem mein Kind, wenn ich nachmittags zum Abholen auftauche, mir mit guter Laune entgegenfliegt und sich über mein Erscheinen freut. In der Realität läuft das jedoch immer so ab: Kind sieht mich. Kind verzieht den Mund. Kind schmollt. Entweder weil „Du bist zu früh, ich will noch spielen!“ Oder weil „Ich warte schon eine halbe Stunde auf dich, alle anderen sind schon weg!“

Mich beruhig einzig, dass wir damit keine Ausnahme sind, die Szene spielt sich alltäglich zwischen zahlreichen Eltern-Kind-Einheiten um uns herum ab. Hat sich der Nachwuchs etwa kollektiv dazu verschworen, den „schlechtes Gewissen“-Knopf der Eltern gnadenlos gedrückt zu halten und daraus Vorteile in Form von Gummibärchen-Trosttüten zu schlagen?

6. Warum stecken Kinder alles in den Mund – außer mit viel Liebe zubereitete Mahlzeiten?

Lebendige Würmer, Hundefutter, Stoffwechselendprodukte: Die Probierwut eines heranwachsenden Kleinkindes schreckt vor keiner noch so widerwärtigen Substanz zurück. Einem außer Kontrolle geratenen Staubsauger gleich fräsen sie sich über Teppiche, Kitaböden und Waldwege, wahllos einsammelnd, was ihren Pfad kreuzt und dies sorgfältig auf Geschmack und Nährwert testend. Das genüssliche kulinarische Verwerten der eigenen Naseninhalte hat dagegen schon Gourmetrestaurantniveau.

Am Esstisch jedoch ist von dieser Abenteuerlust plötzlich nichts mehr zu spüren. Strahlend buntes, knackig-frisches Gemüse wird misstrauisch beäugt, beschnuppert, dann angewidert zur Seite geschoben. Lustige Gesichter oder kunstvolle Tierformen funktionieren als Täuschungsmanöver höchstens einmal. Hat man dann doch mal was halbwegs Nahrhaftes gefunden, was das Kind anstandslos schluckt, wird dies mit Sicherheit eine Vorliebe sein, die es ebenso schnell wieder ablegt, wie sie aufgekommen war. Und das Spiel beginnt einmal mehr von vorn. Warum nur können „Ich mag heut Spinat!"-Phasen nie auch nur annähernd so lange dauern wie „Heut soll es wieder Eierkuchen geben!"-Zeiten?

7. Warum brauchen die Kleinsten den meisten Platz im Bett?

Zugegeben, Physik war nicht mein stärkstes Schulfach, aber ich meine doch recht sicher behaupten zu können, dass größere Körper mehr Platz einnehmen als kleinere. Der einzige Ort der Welt, in dem dieses Naturgesetz komplett außer Kraft gesetzt ist: das Elternbett, in dem sich ein Kind für die Nacht ausgebreitet hat. Dann nämlich werden von großzügigen drei Quadratmetern locker zweieinhalb vom kleinsten Bettbesetzer belegt, und die Großen zwängen sich rechts und links auf die schmalen Bettkantenstreifen. Und egal, in welche Richtung man des Nachts mal ausweichen will: Überall ist schon ein Stück Kind da. Wie macht die Zwerge das nur?

8. Warum fehlt nach dem Großeinkauf doch immer noch etwas?

Seit ich Familie habe, sind Einkäufe für mich eine organisatorische Meisterleistung geworden: Meine Einkaufslisten entstehen aus der strategischen Symbiose zwischen Vorratsinventur, Wünschen der Familie und Menüplanung der kommenden Woche, und die notwendigen Zutaten stehen in der Reihenfolge auf meinen Zetteln, wie sie auf dem Weg durch die Supermarktregale angeordnet sind. Sprich: Meine Einkäufe sind durchdacht, geplant, nahezu ausgeklügelt und grenzen an eine komplette Truppenverpflegung.

Doch egal wie umfassend die ausfällt – ich habe nach Rückkehr garantiert noch nicht einmal alles an seinem Platz verstaut, wenn Mann oder Kind bereits mit einem „Hast du mir auch.... mitgebracht?" den Griff zu Stift und dem nächsten Zettel nötig machen. Weil dem Kind einfällt, dass es exotisches Obst zum gemeinsamen Kitafrühstück mitbringen soll. Oder der Mann mitten im Winter zwingend ein Eishörnchen gegen sein Zuckerdefizit braucht. Oder weil ich im Erledigungswahn die Sahne zwar durchgestrichen, aber nicht in den Korb gelegt habe. Wann nur kommt mal wieder einer dieser Tage, an denen ich wirklich mal alles, aber auch alles, beieinander haben werde?

9. Warum nur schafft man es mit Kindern nicht mehr, ohne den halben Hausrat zu verreisen?

Ab dem Moment, als wir mit unserem Säugling das erste Mal eine längere Tour unternahmen, schwante uns, dass offenbar auf absehbare Zeit Reisen ohne Auto mit extra großem Kofferraum nicht mehr drin sein würden. Während wir Großen unsere nötigen Habseligkeiten bequem in einer gemeinsamen Reisetasche verstauten, nahm das Babyzubehör den Rest des Kombis ein.

Fortan beschlagnahmten all die wichtigen Dinge, ohne die ein Kind garantiert kein Wochenende überlebt hätte, jeglichen verfügbaren Stauraum: Kinderwagen, Badeeimer, Windelpakte, Wickelunterlage, Heizstrahler... Und jedes Mal, wenn wir mit vereinten Kräften die Kofferraumklappe zugedrückt hatten, fragen wir uns: Wie nur verreist man mit Kindern mit Bahn oder Flugzeug?

10. Und zu guter Letzt: Wo haben sie nur ihre Steckdose versteckt?

Kinder brauchen gaaanz viel Schlaf, das ist wichtig und gut für sie. Eltern, deren eigenes Schlafdefizit sich durch dauermunteren Nachwuchs in den ersten Jahren rasant summiert, hegen jedoch berechtigte Zweifel daran, ob sich das auch bis zu den Kindern selbst rumgesprochen hat.

Während wir Großen schon am Frühstückstisch trotz doppelten Espressos wieder einschlafen könnten, haben die lieben Kleinen den ganzen Tag lang unerschöpfliche Energie zum Hüpfen, Springen, Rumtoben, Erzählen, Quatsch machen – und das, obwohl sie den Mittagschlaf ausfallen lassen, abends nicht die Augen zu bekommen und morgens mit den Hühnern wieder aufstehen. Ohne Ruhepausen und literweise Kaffee derart ausdauernd munter und hochgradig fit zu sein – das kann sich kein Elternteil erklären, dessen Müdigkeitsgrad parallel zum Aktionismus seines Kindes steigt. Woher also nehmen die Kleinen nur all diese Energie? Wo haben die ihre Steckdosen versteckt, an denen sie doch offenbar zwischendurch auftanken müssen? Wollen wir auch haben!