Antonias philosophische Erkenntnisse

Mein freches Baby-Tagebuch (5)

Antonias Tage als süßer Säugling sind gezählt: Im Mai feiert sie ihren ersten Geburtstag und gilt ab da als Kleinkind. Bevor es soweit ist, lässt sie uns noch einmal teilhaben an ihren tiefschürfenden Baby-Gedanken.

Autor: Daniela Egert
Baby-Tagebuch Antonia Frühling
Foto: © Daniela Egert

Ein Köpfchen voller Ideen

Was dachte der französische Philosoph Descartes über seine Existenz, als er noch ein Baby war? Vermutlich das Gleiche wie ich: „Ich sauge, also bin ich!“ Als Descartes später aus dem Gröbsten raus war, hat er das ein bisschen variiert. Es kam aber nix Bedeutenderes dabei raus, wie ich finde: „Cogito, ergo sum – ich denke, also bin ich.“ Soll keiner behaupten, dass wir Kleinen nicht das Köpfchen voller Ideen haben, aber es gibt für uns echt Wichtigeres auf der Welt. Immer noch hänge ich täglich an Mamas Busen und mache meinem Etikett als Säugetier alle Ehre.

Das mit den großen Denkern ist ein bisschen problematisch. Keiner hat sich wirklich mit uns Babys oder den größeren Kindern befasst, sagt meine Ma. Bis dann Rousseau kam mit seinem wunderbaren Satz aus dem Erziehungsbuch „Emile“: „Achtet die Kinder und urteilt nicht vorschnell über sie!“ Vermutlich erstreckt sich diese freundliche Aussage sogar auf meine Brüder, die beiden frechen Früchtchen Simon und Constantin. Immer noch nix als Streiche im Hirn, auch wenn der Kleine mittlerweile seinen dritten Geburtstag hatte und emotional gereift sein sollte. Falls sie gerade keine Idee haben, was sie anstellen könnten, vermöbeln sie sich einfach gegenseitig. Mich lassen sie da glücklicherweise in Ruhe, alles nach dem Motto: „Ph, Mädchen, damit kann 'Mann' einfach nichts anfangen!“ Mir wiederum sind diese Jungs immer noch viel zu primitiv, die stecken gedanklich in der Steinzeit. Wie passend: Fred Feuerstein guckt der Große gerade mit Vorliebe im Fernsehen. Danach brüllt er immer „Wilmaaaaa!!!“, dass der Fernseher wackelt, und meint, er müsse mal seinen Brontosaurus füttern. Den Brontosaurus-Part übernehme dann gezwungenermaßen ich, und er stopft mich mit Blättern von unserer Yuccapalme voll, bis Mama ihn in sein Zimmer sperrt und das Zeug entfernt.

Von Osterhasen und Störchen

Ach ja, es ist Frühling, das erste Mal in Babys Dasein, wie Ma und Pa sich gestern richtig romantisch-verklärt zugeflüstert haben. Wenn ich aus meinem Kinderwagen gucke, sehe ich die Blümlein auf dem Waldboden sprießen. Was mich und meine Entwicklung anbelangt, so ziehe ich mich an allem hoch, was im Wohnzimmer in meiner Nähe steht. Das Leben besteht wirklich aus lauter Höhepunkten! Einer war an Weihnachten, als ich das kleine Jesuskind in der Krippe besucht habe. Die Kirche war so brechend voll, dass ich froh war um meinem Platz im Kinderwagen. An Ostern gehen wir wieder hin, dann löst nämlich der Hase seinen Kollegen, den Nikolaus, ab. Oder habe ich da was falsch verstanden? Egal, Hauptsache, es gibt wieder was geschenkt. Meine ewig unzufriedenen Brüder halten in dem Fall endlich mal die Klappe und suchen die 99 Eier, die an diesem Sonntag plötzlich in unserem Garten herumliegen. Spätestens, wenn sie auf eins drauftreten und wie ein Bierkutscher fluchen, ist klar, wo das Riesenkaninchen die Dinger hingesteckt hat. Bestimmt drehen Simon und Tino die Schokoladen-Rühreier dann mir an. Als Säugling ist man immer der Doofe.

Ich weiß nicht sicher, ob meine Mama noch an das Karnickel als Eierlieferanten glaubt. Es kennt sich ja keiner mehr aus! Meinen Brüdern hat sie vor kurzem was vom Storch erzählt, ich hab' aber keine Ahnung, ob der was mit dem Osterhasen zu tun hat. Soweit ich verstanden habe, bringt der eine die Eier und der andere die Kinder - also eine Art Schwertransport. Die Eier kann man wenigstens umtauschen.

Mein großer Bruder isst die eiförmige Überraschungs-Süßigkeit aus dem Supermarkt übrigens besonders gerne. Meistens ist in der gelben Kapsel, die sie in der Fabrik innen versteckt haben, aber nix Gescheites drin. Oder mein geliebter Paps versucht die Plastikteile zusammenzubauen und scheitert kläglich. Gewöhnlich schiebt er die Schuld daran auf das Spielzeug und brüllt: „Das Zeug ist für die Katz'!“ Keine Ahnung, was er damit meint, wo wir doch gar kein Haustier haben.

Dann wären da im Moment noch Mamas Italo-Sprach-Bemühungen mit Hilfe der Volkshochschule. Bis jetzt hat sie es nur zu einer Art Trappatoni-Gebrabbel gebracht - schwach wie eine Flasche leer. Was mich betrifft: Ich habe fertig.