Die dauernde Diskussion um Ritalin oder wie es auch anders geht

Ein sehr sensibles Thema.

Mein Sohn hat das Aspergersyndrom mit Konzentrationsstörungen. Bevor er die Diagnose bekam, gestaltete sich der Alltag mit ihm sehr schwierig. Täglich bekam er "Ausraster", wenn er sich falsch behandelt oder bedroht fühlte. Er wurde in der Schule gemobbt und verweigerte die Mitarbeit. Draussen fielen wir immer auf durch sein Verhalten. Es gab keinen Tag an dem er sowie auch wir, nicht mit den Nerven am Ende waren. Mir wurde des Öfteren nahegelgt, ich solle es mal mit Ritalin versuchen. Aber ich konnte mich persönlich nicht von der Wirkung dieses Medikaments überzeugen. Zum einen gehört es in die Kategorie Amphetamine, welche zu weltweit auf Platz 8 der gefährlichsten Drogen zählt. Das alleine hält mich schon davon ab, es überhaupt in Erwägung zu ziehen, dieses Medikament einem Kind zu geben. Es gibt Todesfälle, die in Zusammenhang mit Ritalin stehen, zum Beispiel plötzlicher Herztod, auch hier ist mir das Risiko zu hoch. Keiner kann mir eine Garantie geben, dass das Medikament dem Kind tatsächlich hilft. Viele Kinder haben nach wie vor ihr Auffälligkeiten und ziehen sich durch die Nebenwirkungen noch weitere organische Krankheiten hinzu. Die Probleme werden überdeckelt. Die Kinder bleiben trotzdem Aussenseiter, weil man die Persönlichkeit eines Kindes nicht mit einem Medikament verändern kann. Dieses sind nur wenige von vielen Überlegungen, mir fallen noch zahlreiche mehr ein, weshalb ich sie meinem Kind nicht geben würde. Natürlich ist das eine ganz individuelle Entscheidung und niemand hat das Recht andere Eltern zu verurteilen, die sich nach diesen schwierigen Zeiten mit ihrem Kind für das Medikament entscheiden.

Was bei uns, und ich sage damit nicht, dass das bei allen Kindern funktioniert, wunderbar geholfen hat, ist zum einen die Sozial- und Verhaltenstherapie. Unser Sohn geht mittlerweile seit mehr als zwei Jahren dahin und die Mühe hat sich gelohnt. Er hat seine Wutanfälle gut unter Kontrolle, kann sich sehr gut selbst steuern und hat eine gute Emphatie entwickelt. Außerdem hat er eine Schulbegleiterin. Diese kann immer sofort im Konflikfall eingreifen, kann ihm helfen, sich selbst zu strukturieren und sorgt dafür, dass er notwendige Ruhezeiten erhält. Natürlich ist dazu unbedingt notwendig, dass die Schule da mitzieht. Unser Sohn ist jetzt 9 Jahre alt, besucht die 5. Klasse des Gymnasiums. Hier wurden viele sinnvolle Maßnahmen ergriffen, um unseren Sohn den Alltag zu meistern. Wie z.B. einen extra Ruheraum für ihn, er darf ein Netbook benutzen, weil er Probleme mit dem Mitschreiben hat, weniger Lehrerwechsel, mehr Stunden bei einzelnen Lehrern, strukturierter Unterrichtsablauf usw. Unser Sohn ist inzwischen zu fast 100% integriert, denn durch die Aufklärung, der Lehrer, Mitschüler und dessen Eltern sind die Kinder durchweg in der Lage, ihn so anzunehmen, wie er ist, mit all seinen Facetten. Die Mitschüler haben gutes Sozialverhalten gelernt.

Hier zu Hause funktioniert der Alltag auch nur mit ganz festen Regeln und immer gleichmäßigen Tagesabläufen. Sodass wir heute ein sehr ruhiges, harmonisches Familienleben führen, dass nicht mehr durch die Wutanfälle und mangelnde Emphatie unseres Sohnes geprägt ist.

Natürlich hat diese große Veränderung viel Geduld, liebevolle Konsequenze, Verständnis usw. benötigt. Die Verhaltensweisen haben sich nicht von heute auf morgen verändert. Zwei Jahre waren eine lange und harte Zeit, die sich aber gelohnt hat. Wir leben glücklich ohne Medikamente und ohne schlechtem Gewissen. Auch unser Sohn ist inzwischen ein fröhliches nicht mehr depressives Kind.

Liebe Grüsse
Patte

1

Was bitte soll ein Asperger mit Ritalin?


Das erschließt sich mir nicht.

Gruß

Manavgat

2

Dito - das war auch meine erste Überlegung.

Aspi und ADHS sind ja 2 komplett verschiedene Welten.

3

So einfach ist das nicht. Viele Medis wirken in völlig verschiedenen Erkrankungen. Und es ist tatsächlich so, dass Ritalin mittlerweile in den USA tatsächlich dagegen genommen wird. Und die Eltern beschreiben eine positive Veränderung im Verhalten. Natürlich löst Ritalin nicht die Hauptprobleme eines Autisten, aber auf den Nebenschauplätzen KANN es hilfreich sein.

http://life-with-aspergers.blogspot.com/2007/12/aspergers-and-ritalin.html
http://life-with-aspergers.blogspot.com/2008/05/what-does-ritalin-really-feel-like.html

Die nächste Sache ist natürlich, dass Asperger Autismus nicht selten mit ADHS einhergeht.

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HI Patte,

ich finde es super, das Ihr für Euch den richtigen Weg gefunden habt, ohne das Kind mit Medikamenten vollzustopfen.
Ich denke, da habt ihr sicherlich auch einen guten Arzt gefunden und toll, das die Schule das so gut unterstützt!!!

#winke
Lisa

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Hi Lisa,

ja, wir haben eine sehr gute Therapeutin. Bis wir die gefunden haben, mussten wir einen sehr steinigen Weg gehen. Und dass die Schule und vorher auch die Grundschule, nachdem wir ihn von einer konservativen in eine GU-Grundschule umgeschult haben, ihn, die Schulbegleitung und uns in allen Belangen unterstützen, hat im Wesentlichen dazu beigetragen, dass wir heute so weit sind. Wir sind voller Zuversicht, dass unser Sohn später ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben leben kann. Mit guten sozialen Kontakten. Dies ist leider auch heute noch vielen Autisten nicht möglich.

Viele Grüße

Patte